Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Umwelt. Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen. Erhaltung der wildlebenden Vogelarten. Forstwirtschaft. Verbote, die die Erhaltung der geschützten Arten gewährleisten sollen. Geplanter Kahlschlag. Gebiet, in dem geschützte Arten vorkommen

 

Normenkette

Richtlinie 92/43/EWG Art. 12 Abs. 1; Richtlinie 2009/147/EG Art. 5

 

Beteiligte

Föreningen Skydda Skogen

Föreningen Skydda Skogen

Naturskyddsföreningen i Härryda

Göteborgs Ornitologiska Förening

Länsstyrelsen i Västra Götalands län

B.A.B

U.T.B

 

Tenor

1. Art. 5 der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten ist dahin auszulegen, dass er einer innerstaatlichen Praxis entgegensteht, wonach die in dieser Bestimmung vorgesehenen Verbote lediglich Arten erfassen, die in Anhang I dieser Richtlinie aufgeführt sind, die auf irgendeiner Ebene bedroht sind oder deren Population auf lange Sicht rückläufig ist.

2. Art. 12 Abs. 1 Buchst. a bis c der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen ist dahin auszulegen, dass er zum einen einer innerstaatlichen Praxis entgegensteht, wonach die in dieser Bestimmung vorgesehenen Verbote, wenn mit einer menschlichen Tätigkeit wie einer forstwirtschaftlichen Maßnahme oder einer Erschließung offenkundig ein anderer Zweck verfolgt wird als das Töten oder Stören von Tierarten, nur dann Anwendung finden, wenn ein Risiko besteht, dass sich die Maßnahme negativ auf den Erhaltungszustand der betroffenen Arten auswirkt, und zum anderen der Schutz dieser Bestimmung auch für die Arten noch gilt, die einen günstigen Erhaltungszustand erreicht haben.

3. Art. 12 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 92/43 ist dahin auszulegen, dass er einer innerstaatlichen Praxis entgegensteht, wonach in dem Fall, dass die kontinuierliche ökologische Funktionalität in dem natürlichen Lebensraum der betroffenen Art in einem einzelnen Gebiet trotz Vorsorgemaßnahmen durch Beschädigung, Zerstörung oder Verschlechterung, unmittelbar oder mittelbar, einzeln oder kumulativ mit anderen Maßnahmen verloren geht, das in dieser Bestimmung vorgesehene Verbot erst dann Anwendung findet, wenn sich der Erhaltungszustand der betroffenen Art zu verschlechtern droht.

 

Tatbestand

In den verbundenen Rechtssachen

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Vänersborgs tingsrätt, mark- och miljödomstolen (Kammer für Land- und Umweltangelegenheiten des Gerichts erster Instanz Vänersborg, Schweden) mit Entscheidungen vom 12. und vom 13. Juni 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Juni 2019, in den Verfahren

Föreningen Skydda Skogen (C-473/19)

Naturskyddsföreningen i Härryda,

Göteborgs Ornitologiska Förening (C-474/19)

gegen

Länsstyrelsen i Västra Götalands län,

B.A.B. (C-473/19),

U.T.B. (C-474/19)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev (Berichterstatter), des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Zweiten Kammer sowie der Richter A. Kumin, T. von Danwitz und P. G. Xuereb,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Föreningen Skydda Skogen, vertreten durch E. Götmark,
  • von Naturskyddsföreningen i Härryda, vertreten durch J. Hort,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und L. Dvořáková als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Simonsson, C. Hermes und E. Ljung Rasmussen als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 10. September 2020

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. 1992, L 206, S. 7, im Folgenden: Habitatrichtlinie) und von Art. 5 der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. 2010, L 20, S. 7, im Folgenden: Vogelschutzrichtlinie).

Rz. 2

Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen Föreningen Skydda Skogen (Verein „Schützt den Wald”), Naturskyddsföreningen i Härryda (Naturschutzverein Härryda) und Göteborgs Ornitologiska Förening (Ornithologischer Verein Göteborg) auf der einen und Länsstyrelsen i Västra Götalands län (Provinzverwaltung Västra Götaland), B.A.B. und U.T.B. auf der anderen Seite wegen einer Entscheidung der Provinzverwaltung Västra Götaland, gegen eine Abholzungsanmeldung betreffend ein Waldgebiet in der Gemeinde Härryda (Schweden) nicht tätig zu werden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Habitatrichtlinie

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 3, 4 und 6 der Habitatrichtlinie lauten:

„Hau...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge