Entscheidungsstichwort (Thema)

Jahresabschlüsse. Grundsatz der wahrheitsgetreuen Information. Maßregeln für den Fall wahrheitswidriger Mitteilungen über Gesellschaften (Bilanzfälschungen). Italien. Artikel 104 § 3 Absatz 1 der Verfahrensordnung. Gesellschaftsrecht. Erste Richtlinie 68/151/EWG, Vierte Richtlinie 78/660/EWG und Siebente Richtlinie 83/349/EWG

 

Leitsatz (amtlich)

In Situationen wie den in den Ausgangsverfahren gegebenen können sich die Behörden eines Mitgliedstaats gegenüber Angeklagten im Rahmen von Strafverfahren nicht auf die Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, als solche berufen, weil eine Richtlinie für sich allein und unabhängig von zu ihrer Durchführung erlassenen innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht die Wirkung haben kann, die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Angeklagten festzulegen oder zu verschärfen.

 

Normenkette

EWGRL 151/68; EGVtr Art. 58 Abs. 2

 

Beteiligte

Mulliez u.a

Fabrizio Barra

Michel Mulliez u. a

Giuseppe Momblano

Alessandro Nizza

Giacomo Pizzi

Adelio Aggio u. a

 

Verfahrensgang

Tribunale ordinario di Torino (Italien) (Beschluss vom 13.01.2003; ABL.EU 2003, Nr. C 70/8)

 

Tatbestand

„Artikel 104 § 3 Absatz 1 der Verfahrensordnung ‐ Gesellschaftsrecht ‐ Erste Richtlinie 68/151/EWG, Vierte Richtlinie 78/660/EWG und Siebente Richtlinie 83/349/EWG ‐ Jahresabschlüsse ‐ Grundsatz der wahrheitsgetreuen Information ‐ Maßregeln für den Fall wahrheitswidriger Mitteilungen über Gesellschaften (Bilanzfälschungen) ‐ Artikel 6 der Ersten Richtlinie 68/151/EWG ‐ Erfordernis der Geeignetheit der Sanktionen bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht“

In den verbundenen Rechtssachen C-23/03, C-52/03, C-133/03, C-337/03 und C-473/03

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Tribunale ordinario Turin (C-23/03, C-52/03, C-133/03 und C-337/03) und vom Tribunale ordinario Mailand (C-473/03) (jeweils Italien) mit Entscheidungen vom 13. und vom 29. Januar 2003 sowie vom 25. Februar 2003, vom 15. Juli 2003 und vom 23. Oktober 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Januar 2003, am 10. Februar 2003, am 25. März 2003, am 1. August und am 13. November 2003, in den Strafverfahren gegen

Michel Mulliez u. a. und Giuseppe Momblano (verbundene Rechtssachen C-23/03 und C-52/03),

Alessandro Nizza und Giacomo Pizzi (C-133/03),

Fabrizio Barra (C-337/03),

Adelio Aggio u. a. (C-473/03)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans (Berichterstatter), des Richters J. Makarczyk, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis und J. Klŭcka,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: R. Grass,

in der Absicht, durch mit Gründen versehenen Beschluss nach Artikel 104 § 3 Absatz 1 seiner Verfahrensordnung zu entscheiden,

nach Anhörung der Generalanwältin

folgenden

Beschluss

1

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Ersten Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. L 65, S. 8, im Folgenden: Erste Gesellschaftsrichtlinie), insbesondere von deren Artikel 6, der Vierten Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen (ABl. L 222, S. 11, im Folgenden: Vierte Gesellschaftsrichtlinie), insbesondere von deren Artikel 2, und der Siebenten Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13. Juni 1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages über den konsolidierten Abschluss (ABl. L 193, S. 1, im Folgenden: Siebente Gesellschaftsrichtlinie), insbesondere von deren Artikel 16, sowie der Artikel 5 EWG-Vertrag (später Artikel 5 EG-Vertrag, jetzt Artikel 10 EG) und 54 Absatz 3 Buchstabe g EWG-Vertrag (später Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g EG-Vertrag, nach Änderung jetzt Artikel 44 Absatz 2 Buchstabe g EG).

2

Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Strafverfahren gegen die Herren Mulliez u. a. und Momblano (verbundene Rechtssachen C-23/03 und C-52/03), Nizza und Pizzi (C-133/03), Barra (C-337/03) und Aggio u. a. (C-473/03) wegen Verdachts des Verstoßes gegen die Bestimmungen des Codice civile über wahrheitswidrige Mitteilungen über Gesellschaften (Bilanzfälschungen).

Rechtlicher Rahmen

Das Gemeinschaftsrecht

3

Artikel 2 der Ersten Gesellschaftsrichtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit sich die Pflicht zur Offenlegung hinsichtlich der Gesellschaften mindestens auf folgende Urkunden und Angaben erstreckt:

f) die Bilanz und d...

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