Transparenzregister Offline: Ausschluss der Öffentlichkeit

Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs ist die fünfte EU-Geldwäscherichtlinie teilweise rechtswidrig, da sie unverhältnismäßig in die europäischen Grundrechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie auf den Schutz personenbezogener Daten der registrierten Personen eingreift. Seit dieser Entscheidung vom 22.11.2022 verwehren Datenbanken europäischer Mitgliedstaaten – darunter auch die des deutschen Transparenzregisters – der Öffentlichkeit die Einsichtnahme.

Hintergrund und Zweck des Transparenzregisters

Das Transparenzregister wurde in Deutschland am 27.06.2017 zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäsche-Richtlinie eingeführt (Richtlinie EU 2015/849). Es dient der Erfassung der wirtschaftlich Berechtigten aller juristischen Personen des Privatrechts, eingetragenen Personengesellschaften und sonstigen Rechtsgestaltungen. Bei den wirtschaftlich berechtigten handelt es sich um jene natürlichen Personen, die etwa durch die Größe ihrer Beteiligung oder ihres Stimmrechts eine gewisse Kontrolle auf die jeweilige Gesellschaft besitzen. So werden die wirtschaftlich berechtigten im angloamerikanischen Sprachraum deshalb als „Ultimate Beneficial Owner (UBO)" bezeichnet. Vereinfacht ausgedrückt soll der Interessierte durch einen Blick in das Transparenzregister möglichst umfassend die „Hintermänner“ einer Gesellschaft bzw. eines Geschäfts ermitteln können. Die Transparenz dient damit der Geldwäscheprävention. Zur Einsicht in das Register war bis Ende 2019 zumindest der Nachweis eines berechtigten Interesses erforderlich.

Novellierung des GwG: Einsichtnahmerecht der Öffentlichkeit

Als Reaktion auf die Annäherung zwischen der organisierten Kriminalität und dem Terrorismus und der Ausnutzung von Regelungslücken zur Geldwäsche verabschiedete der EU-Gesetzgeber im Mai 2018 die fünfte Richtlinie zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (Richtlinie EU 2018/843). Hierin sah man auch in der Beteiligung der Öffentlichkeit ein wirksames Mittel "zur Bekämpfung des Missbrauchs von Gesellschaften und anderen juristischen Personen und ähnlichen Rechtsvereinbarungen für die Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung". Ihr sollte deshalb ein (bedingungsloses) Einsichtnahmerecht eingeräumt werden: "Durch den Zugang der Öffentlichkeit zu Angaben über die wirtschaftlichen Eigentümer wird eine größere Kontrolle der Informationen durch die Zivilgesellschaft (einschließlich Presse und zivilgesellschaftlichen Organisationen) ermöglicht" (30. Erwägungsgrund der Richtlinie EU 2018/843).

Zur Umsetzung der Richtlinie beschloss die Bundesregierung das am 1.1.2020 in Kraft getretene novellierte Geldwäschegesetz. Es gestattet nun in § 23 Abs. 1 neben Behörden und Verpflichteten – wie etwa Rechtsanwälten, Notaren, Steuerberatern und Kreditinstituten – auch allen Mitgliedern der Öffentlichkeit nach elektronischer Registrierung die (bedingungslose) Einsichtnahme in das Transparenzregister.

Urteil des EuGH

In den verbundenen Rechtssachen C-37/20 und C-601/20 erklärte der EuGH am 22.11.2022 die fünfte EU-Geldwäscherichtlinie insoweit für ungültig ist, als die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass die Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer der in ihrem Gebiet eingetragenen Gesellschaften oder anderen juristischen Personen für alle Mitglieder der Öffentlichkeit zugänglich sind. Die entsprechende Regelung greife unverhältnismäßig in die europäischen Grundrechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie auf Schutz personenbezogener Daten (Art. 7 und 8 Charta der Grundrechte der EU) der registrierten (natürlichen) Personen ein. Das unbeschränkte Einsichtsrecht der Öffentlichkeit sei zur Bekämpfung der Geldwäsche nicht absolut erforderlich.

Nach dem EuGH wiege der Eingriff in diese Grundrechte schwer, da es durch das öffentliche Einsichtnahmerecht jedermann – ob mit oder ohne berechtigtem Interesse - möglich sei, ein mehr oder weniger umfassendes Profil mit bestimmten persönlichen Identifizierungsdaten und der Vermögenslage betroffener Personen und Unternehmen zu erstellen. Hinzu komme, dass es für die Betroffenen nahezu unmöglich sei, sich gegen Missbrauch der Daten zu Wehr zu setzten, da die Daten nicht nur frei abgerufen, sondern auch auf Vorrat gespeichert und verbreitet werden können. Zwar vermag die Bekämpfung von Terrorismus und Geldwäsche in Anbetracht ihrer Bedeutung selbst schwerwiegende Eingriffe in die genannten Grundrechte zu rechtfertigen. Allerdings lässt die bestehende Regelung sowohl eine ausgewogene Gewichtung der dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung und der in den Art. 7 und 8 der Charta verankerten Grundrechte als auch hinreichende Garantien vermissen, die es den betroffenen Personen ermöglichen, ihre personenbezogenen Daten gegen die Missbrauchsrisiken zu schützen.

Damit entsprach der EuGH der Auffassung eines Luxemburger Unternehmers, der seine Sicherheit und den Schutz seines Privatlebens durch die öffentlich verfügbaren Informationen gefährdet sah.

Einordnung und Ausblick

Das Transparenzregister in Deutschland reagierte prompt auf das Urteil des EuGHs, indem es die Bearbeitung der Anträge auf Einsichtnahme durch Mitglieder der Öffentlichkeit einstellte. Ab Mitte Dezember hat der Bundesanzeiger Verlag als registerführende Stelle auf der Internetseite des Transparenzregisters ( www.transparenzregister.de) darauf hingewiesen, dass Anträgen auf Einsichtnahme in das Transparenzregister durch Mitglieder der Öffentlichkeit aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 22.11.2022 nicht mehr vorbehaltlos entsprochen werden könne. Der Antrag auf Einsichtnahme erfordere nunmehr eine Begründung und – wie vor der Novelle – ein berechtigtes Interesse.

Während das Urteil des EuGHs keine Änderungen der Sorgfalts- und Meldepflichten erforderlich macht, wird der (europäische) Gesetzgeber gezwungen sein, den für die Öffentlichkeit leicht zugänglichen Datenabruf aus Transparenzregister (und ggf. Handelsregister) zu bedingen. Die Entscheidung kann damit als Rückschritt in der europäischen Korruptionseindämmung und Terrorismusbekämpfung verstanden werden. Denn nicht zuletzt die Aufarbeitung rund um die Panama Papers hat belegt, dass investigative Recherchen durch Presse und NGOs – also eben solchen Institutionen, die gerade nicht Verpflichtete im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2 GwG sind – tatsächlich einen wesentlichen Beitrag zur Korruptionseindämmung leisten können.