China: Rechte und Pflichten von Gesellschaftern
Befugnisse der Gesellschafter in Bezug auf Vorstand/Direktoren:
Welche Befugnisse haben Gesellschafter mit welchen Mehrheiten, um Direktoren zu ernennen bzw. abzuberufen und den Vorstand zu bestimmten Handlungen zu verpflichten?
Die Gesellschafterversammlung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder einer Aktiengesellschaft (AG) ist die höchste Instanz der Gesellschaft und hat die Befugnis, Direktoren zu ernennen und abzuberufen (Art. 58, 59, 111, 112 Gesellschaftsgesetz der VR China (GesG)).
Die Wahl oder Abberufung von Direktoren erfordert die Zustimmung der Gesellschafter, die mehr als 50% der Stimmrechte halten (Art. 65, 66 GesG). Für GmbHs sind die Stimmrechte proportional zu den Kapitalanteilen verteilt, es sei denn, die Satzung der Gesellschaft sieht etwas anderes vor. Für AGs gilt eine Stimme pro Aktie, es sei denn, es gibt spezielle Aktienklassen mit abweichenden Regelungen. AGs können nach der Satzung oder durch Beschluss ein kumuliertes Wahlverfahren einführen, das es den Gesellschaftern ermöglicht, ihre Stimmen bei der Wahl von Direktoren und Aufsichtsräten zu bündeln (Art. 116, 117 GesG).
Gemäß Art. 188, 189 GesG können Gesellschafter Klage im Namen der Gesellschaft einreichen, wenn Direktoren, Aufsichtsräte oder leitende Angestellte die Interessen der Gesellschaft durch Verstöße gegen Gesetze, Vorschriften oder die Satzung schädigen.
Bei GmbHs kann jeder Gesellschafter die Klage einreichen. Bei AGs muss der Gesellschafter hierfür mindestens 1% der Gesellschaftsanteile mindestens 180 aufeinanderfolgende Tage halten.
Der Gesellschafter muss zuerst den Vorstand (oder den Aufsichtsrat, wenn Direktoren die Interessen der Gesellschaft schädigen) auffordern, die Klage einzureichen. Wenn diese Organe die Klageeinreichung verweigern oder innerhalb von 30 Tagen untätig bleiben oder die Situation dringlich ist und ein Zögern zu irreparablen Schäden der Gesellschaft bzw. der Gesellschafterinteressen führen würde, kann der Gesellschafter die Klageeinreichung direkt vornehmen.
Entscheidungsbefugnisse der Gesellschafter
Welche Entscheidungen sind der Gesellschafterversammlung vorbehalten und welche Mehrheiten sind für Beschlüsse notwendig?
Folgenden Angelegenheiten sind Beschlüssen der Gesellschafterversammlung vorbehalten:
Für alle Gesellschaftsformen:
- Bestellung/ Abberufung von Direktoren & Aufsichtsräten
- Festlegung der Vergütung von Direktoren und Aufsichtsräten
- Genehmigung der Berichte des Vorstands oder des Aufsichtsrats
- Genehmigung von Gewinnverteilungs-/Verlustausgleichsplänen
- Erhöhung oder Herabsetzung des Stammkapitals
- Ausgabe von Unternehmensanleihen
- Fusion, Spaltung, Auflösung, Liquidation, Änderung der Rechtsform der Gesellschaft
- Änderung der Satzung
- Gewährung von Sicherheiten an Gesellschafter bzw. die Gesellschaft kontrollierende Personen
- Bildung von Rücklagen aus dem Nachsteuergewinn nach Abzug der gesetzlichen Rücklagen
- Weitere in der Satzung bzw. im Gesetz vorgesehene Angelegenheiten, die der Gesellschafterversammlung zu beschließen sind
Beschlüsse zu den oben genannten Punkten erfordern bei GmbHs eine Zustimmung von mehr als 50% der Stimmrechte (Ausnahme: die oben fett gedruckten Punkte erfordern eine Zustimmung von mehr als 2/3 der Stimmrechte), es sei denn die Satzung verlangt eine höhere Zustimmungsquote.
Zusätzlich für AGs:
- Rückkauf von Aktien zur Kapitalreduzierung oder Fusion
- Zusätzlich für börsennotierte Unternehmen:
- Kauf oder Verkauf wesentlicher Vermögenswerte der Gesellschaft oder Gewährung von Sicherheiten für Dritte, wenn der Betrag 30% der Gesamtaktiva in einem Jahr übersteigt
- Ausgabe neuer Aktien
- Änderung der Verwendung von Mitteln aus öffentlichen Emissionen
Disproportionale Stimmrechte
Inwieweit sind disproportionale Stimmrechte oder Beschränkungen der Ausübung von Stimmrechten erlaubt?
Für GmbHs üben die Gesellschafter ihre Stimmrechte im Allgemeinen proportional zu ihren Kapitalanteilen aus, es sei denn, die Satzung der Gesellschaft sieht etwas anderes vor.
Bei AGs haben die Gesellschafter in der Regel eine Stimme pro gehaltene Aktie. Allerdings können AGs auch spezielle Aktien mit mehr oder weniger Stimmrechten als normale Aktien ausgeben. Eine AG, die Aktien im öffentlichen Handel anbietet, darf diese spezielle Aktienklasse nur ausgeben, wenn diese Aktien vor dem Börsengang ausgegeben wurden.
Für die Wahl und Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern oder Mitgliedern des Prüfungsausschusses müssen spezielle Aktien jedoch dieselben Stimmrechte wie normale Aktien haben (Art. 116, 144 GesG).
Gesellschafterversammlungen und Abstimmungen der Gesellschafter
Gibt es spezielle Anforderungen für die Teilnahme an Gesellschafterversammlungen bzw. für die Abstimmung? Können Gesellschafter Beschlüsse im Umlaufverfahren fassen? Sind virtuelle Gesellschafterversammlungen erlaubt?
Wenn die Gesellschaft eine Sicherheit für einen Gesellschafter oder eine die Gesellschaft tatsächlich beherrschende Person gewähren will, ist der betreffende Gesellschafter bzw. die die Gesellschaft tatsächlich beherrschende Person von dieser Abstimmung ausgeschlossen (Art. 15 GesG).
Für GmbHs kann eine Entscheidung im Umlaufverfahren getroffen werden, wenn alle Gesellschafter diesem Vorgehen schriftlich zustimmen. Der entsprechende Beschluss muss von allen Gesellschaftern unterzeichnet werden bzw. (soweit ein Gesellschafter eine chinesische juristische Person ist) mit dessen offiziellen Gesellschaftssiegel gestempelt und von der Gesellschaft aufbewahrt werden.
Für eine Ein-Personen-GmbH müssen Gesellschafterentscheidungen schriftlich erfolgen und vom Gesellschafter unterzeichnet werden bzw. (soweit der Gesellschafter eine chinesische juristische Person ist) mit dessen offiziellen Gesellschaftssiegel gestempelt und im Unternehmen aufbewahrt werden (Art. 59, 60 GesG).
Gesellschafterversammlungen inklusive Beschlussfassungen während der Versammlungen können von GmbHs und AGs virtuell abgehalten werden, es sei denn, die Satzung der Gesellschaft sieht etwas anderes vor (Art. 24 GesG).
Gesellschafter und Vorstand
Können Gesellschafter verlangen, dass eine Gesellschafterversammlung einberufen wird bzw. dass der Vorstand Erklärungen nicht zustimmender Gesellschafter zirkuliert?
Es gibt ordentliche und außerordentliche Gesellschafterversammlungen. Ordentliche Gesellschafterversammlungen werden gemäß der Satzung abgehalten.
Gesellschafter, die mindestens 1/10 der Stimmrechte (für GmbHs) oder insgesamt 10% oder mehr der Aktien halten (für AGs), können die Einberufung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung verlangen (Art. 62, 113 GesG).
Erfüllt der Vorstand seine Pflicht zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung nicht, muss der Aufsichtsrat die Versammlung einberufen und leiten. Falls der Aufsichtsrat diese Aufgabe nicht erfüllt, können Gesellschafter einer GmbH, die mindestens 1/10 der Stimmrechte halten, oder Gesellschafter einer AG, die allein oder gemeinsam mit anderen mindestens 10% der Aktien über 90 aufeinanderfolgende Tage halten, eine Gesellschafterversammlung einberufen und leiten (Art. 63, 114 GesG).
Das GesG räumt Gesellschaftern kein direktes Recht ein, den Vorstand zu verpflichten, Erklärungen nicht zustimmender Gesellschafter zu zirkulieren, jedoch kann die Gesellschaft dieses Recht in seiner Satzung vorsehen und Mindermeinungen sind – soweit entsprechend geäußert – auch in den Sitzungsprotokollen der Gesellschafterversammlungen festzuhalten.
Pflichten beherrschender Gesellschafter - Haben beherrschende Gesellschafter besondere Pflichten gegenüber der Gesellschaft bzw. gegenüber nicht beherrschenden Gesellschaftern? Falls ja, kann eine Durchsetzungsklage gegen beherrschende Gesellschafter wegen der Verletzung dieser Pflichten eingereicht werden?
Beherrschende Gesellschafter haben nicht nur gegenüber der Gesellschaft selbst, sondern auch gegenüber anderen Gesellschaftern (insbesondere Minderheitsgesellschaftern) besondere Pflichten.
Sie dürfen ihre beherrschende Stellung nicht dazu nutzen, die Interessen der Gesellschaft zu schädigen bzw. ihre Gesellschafterrechte dazu missbrauchen, um die Gesellschaft oder andere Gesellschafter zu schädigen (Art. 22, 89, 192 GesG).
Börsennotierte Unternehmen: Hier dürfen beherrschende Gesellschafter oder die das Unternehmen tatsächlich beherrschende Personen ihre Kontrolle nicht missbrauchen, um Gesetze oder Interessen des börsennotierten Unternehmens oder anderer Aktionäre zu schädigen oder sich aufgrund ihrer beherrschenden Stellung unrechtmäßig Vorteile zu verschaffen.
Das GesG erlaubt es Gesellschaftern, eine derivative Klage gegen beherrschende Gesellschafter einzureichen, wenn diese gegen die oben genannten Pflichten verstoßen und der Gesellschaft dadurch schaden. Für GmbHs steht dieses Recht jedem Gesellschafter zu. Bei AGs ist jeder Gesellschafter klageberechtigt, der allein oder gemeinsam mit anderen Aktionären mindestens 1% der Aktien über 180 oder mehr aufeinanderfolgende Tage hält.
Gesellschafterhaftung
Können Gesellschafter jemals für die Handlungen oder Unterlassungen der Gesellschaft verantwortlich gemacht werden?
Im Allgemeinen hat eine Gesellschaft den Status einer eigenständigen juristischen Person und haftet selbständig für zivilrechtliche Verbindlichkeiten. Die Gesellschafter haften gegenüber der Gesellschaft nur bis zur Höhe ihrer Kapitaleinlagen (Art. 3, 4 GesG).
In Ausnahmefällen können die Gesellschafter für Handlungen oder Unterlassungen der Gesellschaft haften. Missbraucht ein Gesellschafter die unabhängige Rechtsstellung der Gesellschaft, so haftet er gesamtschuldnerisch mit der Gesellschaft für die Schulden der Gesellschaft, u.a. in folgendes Fällen:
- Vorsätzliche oder betrügerische Handlungen: Wenn ein Gesellschafter absichtlich illegale oder betrügerische Handlungen vornimmt oder die Gesellschaft zu illegalen Aktivitäten anstiftet, kann er für Schäden oder Schulden persönlich haftbar gemacht werden. Dies umfasst auch die Umgehung von gesetzlichen Vorschriften oder die Verschleierung von Vermögenswerten.
- Fehlende oder unvollständige Kapitalisierung: Wenn ein Gesellschafter absichtlich das Unternehmen mit zu wenig Kapital ausstattet, um die Haftung der Gesellschaft zu umgehen, kann er im Fall einer Insolvenz oder von Forderungen gegenüber der Gesellschaft auch persönlich haftbar gemacht werden.
- Missbrauch der Gesellschaftsstruktur: Falls die GmbH nicht ordnungsgemäß als juristische Person behandelt wird und stattdessen als Mittel zur persönlichen Bereicherung oder zur Täuschung von Gläubigern dient, kann dies zu einer persönlichen Haftung führen.
- Durchgriffshaftung bei missbräuchlicher Verwendung der GmbH: In Fällen, in denen die GmbH lediglich als „Verschleierung“ für persönliche Geschäfte oder illegale Aktivitäten verwendet wird, können Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftbar gemacht werden.
- Ein-Personen-GmbH: Kann der Gesellschafter einer Ein-Personen-GmbH nicht nachweisen, dass das Vermögen der Gesellschaft von seinem eigenen Vermögen klar getrennt und unabhängig ist, so haftet er gesamtschuldnerisch mit der Gesellschaft für die Schulden der Gesellschaft (Art. 23 GesG).
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