Haftung von Geschäftsleitern bei Unternehmenstransaktionen

Hohe Summen, hohes Risiko, hochkomplex: Geschäftsleiter treffen selten Entscheidungen mit größerer Tragweite als bei Unternehmenskäufen. Gerade aus diesem Grund ist ein Bewusstsein für mögliche Haftungsrisiken und deren Vermeidung wichtig. Dieser Beitrag soll helfen, die Sensibilität dafür zu schärfen.

Der Kauf oder Verkauf eines Unternehmens ist für jede Gesellschaft eine Entscheidung von besonderem Gewicht. Erhebliche Risiken ergeben sich für Geschäftsleiter regelmäßig aus dem hohen Transaktionsvolumen und daraus, dass ihre Entscheidung maßgeblich auf Prognosen hinsichtlich der Entwicklung sowohl des Marktes im Allgemeinen als auch des Kaufobjekts im Besonderen basiert. Weichen Realität und prognostizierte Entwicklung voneinander ab und erweist sich die Transaktion als Fehlentscheidung, können Gesellschaften geneigt sein, die verantwortlichen Geschäftsleiter (Geschäftsführer und Vorstände) im Nachhinein in Anspruch zu nehmen.

1. Grundlagen der Geschäftsführerhaftung

Geschäftsleiter haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns anzuwenden, § 93 Abs. 1 AktG bzw. § 43 Abs. 1 GmbHG. Bei Verletzung dieser Pflicht haften die Geschäftsleiter der Gesellschaft gegenüber für den daraus entstehenden Schaden, § 93 Abs. 2 S. 1 AktG bzw. § 43 Abs. 2 GmbHG.

Rechtsprechung und Rechtswissenschaft haben diesen Haftungsmaßstab konkretisiert und verschiedene Fallgruppen gebildet. Danach unterliegen Geschäftsleiter einer "Legalitätspflicht", die sie verpflichtet, die Grenzen ihrer eigenen organschaftlichen Kompetenzen einzuhalten und dafür zu sorgen, dass die Gesellschaft nicht gegen geltende Gesetze verstößt. Flankiert wird diese Pflicht von einer "Compliance"-Pflicht, wonach Geschäftsleiter geeignete und zumutbare Schutzvorkehrungen treffen müssen, um Gesetzesverstöße von Unternehmensangehörigen bereits im Vorfeld zu verhindern. Weiter besteht eine Treuepflicht, der zufolge ein Geschäftsleiter die Gesellschaft nicht schädigen und nicht in Konkurrenz zu ihr treten darf. Schließlich trifft jeden Geschäftsleiter auch eine "Sorgfaltspflicht im engeren Sinne", insb. die Pflicht, das Unternehmen wirtschaftlich zu führen und Investitionsentscheidungen sorgfältig abzuwägen. Die daraus resultierende Haftung wird durch die sogenannte Business Judgment Rule begrenzt. Danach haftet ein Geschäftsleiter nicht, wenn seine Entscheidung auf einer angemessenen Informationsgrundlage beruht und er (immer noch seltener: sie) im besten Interesse der Gesellschaft gehandelt hat.

2. Die Haftung beim Unternehmenskauf

Nach diesen Grundsätzen können sich Haftungsrisiken für Geschäftsleiter in verschiedenen Phasen einer Transaktion ergeben.

Die Entscheidung zum Kauf oder Verkauf

Die Frage, ob eine Gesellschaft ein Unternehmen erwirbt oder veräußert und gegebenenfalls zu welchem Preis, ist das Paradebeispiel einer unternehmerischen Entscheidung, bei der die Business Judgment Rule eine ganz entscheidende Rolle spielt. Wird ein Geschäftsleiter wegen einer wirtschaftlich nachteiligen Transaktion auf Schadensersatz in Anspruch genommen, können Gerichte geneigt sein, von dem Eintritt einer nachteiligen wirtschaftlichen Entwicklung auf deren Vorhersehbarkeit zu schließen. Es empfiehlt sich also für Geschäftsleiter, den Entscheidungsprozess und die hierfür tragenden Gründe sowie die für die Preisfindung relevanten Aspekte sorgfältig zu dokumentieren, insbesondere dann, wenn eine Unternehmensbewertung durchgeführt wurde und der schließlich vereinbarte Kaufpreis von dieser abweicht. Konkret: Wer zu teuer einkauft oder zu billig verkauft, muss darlegen und beweisen können, warum das in der konkreten Situation richtig war.

Die Durchführung einer "Due Diligence"

Da die Business Judgment Rule einen Geschäftsleiter nur dann schützt, wenn er auf der Grundlage aller verfügbaren und der Tragweite angemessenen Informationen gehandelt hat, müssen Geschäftsleiter, die ein Unternehmen erwerben wollen, das Zielunternehmen sorgfältig unter die Lupe nehmen. Das setzt regelmäßig die Durchführung eines "Due Diligence"-Prozesses voraus. Der konkrete Umfang dieser Due Diligence richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalls. Erhöhte Due Diligence-Pflichten können sich etwa daraus ergeben, dass das Zielunternehmen wirtschaftlich schwach positioniert ist, fragwürdige betriebswirtschaftliche Daten vorlegt oder der Käufer über wenig Expertise im relevanten Geschäftsfeld verfügt. Dagegen können sich die Überprüfungspflichten reduzieren, wenn die Risiken überschaubar sind oder der Geschäftsleiter des Käufers das Zielunternehmen gut kennt. Das vollständige Absehen von einer Due Diligence Prüfung ist allerdings nur in absoluten Ausnahmefällen mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar. Beschließt ein Geschäftsleiter, eine Transaktion ohne eingehende Due Diligence Prüfung durchzuführen, sollte er die Gründe für seine Entscheidung gut dokumentieren.

Der Verkaufsprozess

Im weiteren Verkaufsprozess ergeben sich in erster Linie für den Geschäftsleiter des Verkäuferunternehmens spezifische Sorgfaltspflichten. Dieser muss insbesondere die Vertraulichkeit der gegenüber dem oder den Kaufinteressenten offengelegten Daten sicherstellen und auf den Abschluss entsprechender strafbewehrter Verschwiegenheitsvereinbarungen bestehen, bevor er Informationen preisgibt. Im Übrigen sind die Entscheidungen darüber, wie der Verkaufsprozess gestaltet wird, also ob nur mit einem Interessenten verhandelt wird, ein Bieterverfahren durchgeführt wird und welcher Bieter den Zuschlag erhält, unternehmerische Entscheidungen, die der Business Judgment Rule unterliegen.

Die Verkäufergewährleistungen

Für die Haftung von Geschäftsleitern sind auch die Verkäufergarantien entscheidend, die in nahezu jedem Unternehmenskaufvertrag enthalten sind. Übernimmt der Verkäufer in einem bestimmten Bereich eine Garantie, darf sich der Käufer auf die Richtigkeit der Information verlassen, wodurch sich seine Due Diligence-Pflichten in dem konkreten Punkt reduzieren.

Aus Sicht des Verkäufers ist mit der Abgabe einer Garantie ein besonders hohes Risiko verbunden: Nimmt ein Käufer den Verkäufer in Anspruch, weil eine garantierte Eigenschaft sich als unzutreffend erweist, liegt es nahe, dass der Verkäufer wegen des entstandenen Schadens Regress bei seinem Geschäftsleiter nimmt, der die falsche Angabe verantwortet hat. Das gilt umso mehr, als eine etwaige Warranty & Indemnity Versicherung (W&I-Versicherung) dann nicht greift, wenn der Geschäftsleiter wusste, dass die Angabe unrichtig war. Kann dem Geschäftsleiter eine solche Kenntnis nachgewiesen werden, wird sich auch die etwaige Directors & Officers liability Versicherung (D&O-Versicherung) auf den Ausschluss wegen wissentlicher Pflichtverletzung berufen, sodass der Geschäftsleiter letztlich mit seinem Privatvermögen haften muss. Konsequenz: Jeder Geschäftsleiter sollte sorgfältig prüfen, ob die Garantien, in die einem Unternehmenskaufvertrag vorgesehen, tatsächlich gegeben werden können.

Die Wahrung von Zustimmungsvorbehalten

Vor dem Erwerb oder der Veräußerung eines Unternehmens oder von Unternehmensanteilen sind Geschäftsleiter regelmäßig aufgrund entsprechender Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag verpflichtet, die Zustimmung der Gesellschafterversammlung (bei der GmbH) oder des Aufsichtsrats (bei Aktiengesellschaften oder einigen großen GmbHs) einzuholen. Fehlt der Zustimmungsbeschluss, ist der abgeschlossene Vertrag zwar im Außenverhältnis wirksam; die Geschäftsleiter können sich jedoch im Innenverhältnis schadensersatzpflichtig machen, wenn der Gesellschaft ein Schaden entsteht. Geschäftsleiter sollten daher vor jeder Transaktion prüfen, ob das von ihnen geplante Projekt zustimmungspflichtig ist und gegebenenfalls die erforderliche Zustimmung einholen.

3. Möglichkeiten zur Haftungsreduzierung

Für Geschäftsleiter bestehen verschiedene Möglichkeiten, ihre Haftung auszuschließen oder – im Falle einer Haftung – ihr Privatvermögen zu schützen.

Geschäftsleiter haften nur, wenn sie die ihnen vorgeworfene Pflichtverletzung zu vertreten haben. Dabei kann es sie etwa entlasten, wenn sie fachkundigen Expertenrat einholen und auf diesen vertrauen. Für die Bewertung eines Unternehmens sollten Geschäftsleiter daher eine "Fairness Opinion" zur Angemessenheit eines Kaufpreises einholen. Die Verhandlung des Unternehmenskaufvertrags und die Durchführung der Due Diligence sollte durch spezialisierte Rechtsanwälte begleitet werden. Folgt ein Geschäftsleiter dem Expertenrat, wirkt sich dies für ihn enthaftend aus – vorausgesetzt natürlich, dass er von der Fachkunde des jeweiligen Experten ausgehen durfte, diesen über alle wesentlichen Umstände informiert hat und die Empfehlung einer Plausibilitätskontrolle unterzogen hat.

Eine weitere Möglichkeit zur Enthaftung besteht für Geschäftsleiter darin, ihre Entscheidung durch die Gesellschafterversammlung bzw. die Hauptversammlung absegnen zu lassen. Voraussetzung für eine Enthaftung ist auch hier, dass der Geschäftsleiter die Gesellschafter über alle wesentlichen Umstände informiert hat. In der Praxis sind solche Beschlüsse über Geschäftsführungsmaßnahmen bei GmbHs und Aktiengesellschaften mit geschlossenem Aktionärskreis durchaus üblich, bei Publikums-Gesellschaften hingegen wenig praktikabel.

Für den Fall, dass ein Geschäftsleiter haftet, kann er sein Privatvermögen dadurch schützen, dass er eine D&O-Versicherung abschließt bzw. die bestehende Deckung vor dem Abschluss einer Unternehmenstransaktion überprüft und bei Bedarf aufstockt. Das kann deshalb erforderlich sein, weil das Transaktionsvolumen und die sich daraus ergebenden Haftungsrisiken nicht selten die Versicherungssumme übersteigen.

Fazit

Unternehmenskäufe und -verkäufe sind für die Geschäftsleiter eines Unternehmens immer riskant und mit einem persönlichen Haftungsrisiko verbunden. Um dieses Risiko zu reduzieren, empfiehlt sich die Einbindung fachlich qualifizierter Experten beim Transaktionsprozess und bei der Vertragsgestaltung – und der Abschluss einer D&O-Versicherung mit hinreichender Deckung.


Schlagworte zum Thema:  Recht , Unternehmensführung
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