Leitsatz

Das OLG Brandenburg hat sich in dieser Entscheidung mit der rechtwirksamen Vertretung von Minderjährigen bei der Nachlassabwicklung auseinandergesetzt. Es ging dabei primär um die Frage, ob für einen Minderjährigen die Bestellung eines Ergänzungspflegers für die Ausschlagung einer Erbschaft notwendig ist.

 

Sachverhalt

Die elterliche Sorge für das betroffene minderjährige Kind wurde allein von der Kindesmutter ausgeübt. Nach Versterben der Großmutter väterlicherseits des Kindes hat die Kindesmutter für das Kind die Ausschlagung der Erbschaft wegen Überschuldung des Nachlasses erklärt und für diese Erklärung bei dem zuständigen AG um Genehmigung des Familiengerichts nachgesucht. Nach Durchführung verschiedener Ermittlungen zum Umfang des Nachlasses und zur Erbausschlagung weiterer möglicher Erben hat das AG - die Rechtspflegerin - die Kindesmutter schriftlich am 9.4.2010 davon informiert, dass eine Pflegerbestellung für das Kind für notwendig gehalten werde. Auch das Jugendamt wurde hierüber informiert. Der Kindesmutter wurde mitgeteilt, sie könne im Genehmigungsverfahren ihre Tochter nicht wirksam vertreten. Es sei beabsichtigt, das Jugendamt als "Verfahrenspfleger" zu bestellen. Die Kindesmutter hat dieser beabsichtigten Vorgehensweise zugestimmt. Nach einem Vermerk der Rechtspflegerin sollte eine Mitarbeiterin des Jugendamts telefonisch geäußert haben, man könne sich hiergegen nicht sperren.

Mit Beschluss vom 30.4.2010 hat sodann die Rechtspflegerin das Jugendamt des Landkreises zum Ergänzungspfleger bestellt und zur Begründung angegeben, dies sei zur Wahrung der verfassungsmäßigen Rechte der Minderjährigen erforderlich. Im Übrigen seien die Ermittlungen hinsichtlich des Nachlasswertes "ziemlich schwierig".

Eine Grundlage für die Entscheidung wurde in dem Beschluss nicht genannt. Auch eine Rechtsmittelbelehrung wurde nicht erteilt.

Gegen diesen Beschluss hat das Jugendamt Beschwerde eingelegt und mitgeteilt, der Beschluss sei am 6.5.2010 zugestellt worden. Man sei der Auffassung, es bedürfe der Bestellung eines Ergänzungspflegers nicht, weil die Kindesmutter nicht gehindert sei, das betroffene Kind im Verfahren zu vertreten.

Das Rechtsmittel erwies sich als begründet.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des OLG bedurfte der kaum begründete und in sich widersprüchliche Beschluss vom 30.4.2010 zunächst der Auslegung, um seinen Inhalt feststellen zu können. Danach ergebe sich, dass das AG einen Ergänzungspfleger gemäß § 1909 Abs. 1 BGB habe bestellen wollen. Die Reichweite der damit verbundenen Entziehung des elterlichen Sorgerechts der Kindesmutter und der Ergänzungspflegschaft lasse sich allerdings dem angefochtenen Beschluss selbst nicht entnehmen. Aus dem Anschreiben an die Kindesmutter und dem Vermerk der Rechtspflegerin vom 31.5.2010 lasse sich entnehmen, dass die Interessenvertretung des Kindes im Genehmigungsverfahren sowie die Entgegennahme von Zustellungen in diesem Verfahren durch den Pfleger hätten wahrgenommen werden sollen. Der Wirkungskreis des Pflegers sei damit die Vertretung des Kindes im Genehmigungsverfahren über die Erbausschlagung.

Angesichts der dürftigen Begründung des Beschlusses beständen bereits erhebliche Zweifel daran, ob er überhaupt Wirkung entfalten könne oder jedenfalls wegen erheblicher Mängel aufzuheben sei. Diese Frage könne jedoch dahinstehen, weil in der Sache ohnehin eine Pflegerbestellung zu Unrecht erfolgt sei.

Im Genehmigungsverfahren für die Ausschlagung der Erbschaft gemäß § 1643 Abs. 2 S. 1 BGB, das zu den Angelegenheiten der elterlichen Sorge gemäß § 151 Nr. 1 FamFG gehöre, sei das Kind Verfahrensbeteiligter gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG. Das minderjährige Kind werde grundsätzlich durch die sorgeberechtigten Eltern bzw. den sorgeberechtigten Elternteil im gerichtlichen Verfahren einschließlich der Zustellung vertreten, § 1629 Abs. 1 S. 3 BGB. Ein Ausschluss der Kindesmutter von der Vertretung des Kindes im vorliegenden Verfahren gemäß § 1629 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 1795 BGB liege hier nicht vor. Die Kindesmutter sei damit nicht von Gesetzes wegen an der Ausübung der elterlichen Sorge gehindert.

In Betracht komme jedoch die Entziehung der Vertretungsmacht gemäß § 1629 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 1796 BGB, wenn ein erheblicher Interessengegensatz zwischen Kind und vertretungsberechtigter Mutter vorliege. Von einem solchen sei offenbar das AG hier ausgegangen. Dieser Bewertung schloss sich das OLG nicht an.

Die Vertretung des Kindes könne dem sorgeberechtigten Elternteil nur dann und nur insoweit entzogen werden, als ein erheblicher Interessengegensatz bestehe und wenn zusätzlich nicht zu erwarten sei, dass die Kindesmutter trotz des Interessengegensatzes im Interesse des Kindes handele (Palandt/Diederichsen, BGB, 69. Aufl., § 1629 Rz. 24; OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 51; OLG Stuttgart FamRZ 1983, 831; Huber in MünchKomm/BGB, 51 § 1629 Rz. 63).

Derartige Interessengegensätze müssten im Verfahren konkret festgestellt werden und setzten einen sich aus dem Einzelfall ergebenden Interessenwider...

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