Entscheidungsstichwort (Thema)

Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers zur Wahrnehmung der Rechte des Kindes nicht zwangsläufig geboten

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Vertretung des Kindes kann dem sorgeberechtigten Elternteil nur dann und nur insoweit entzogen werden, wie ein erheblicher Interessengegensatz besteht und wenn nicht zu erwarten ist, dass der betreffende Elternteil trotz des Interessengegensatzes im Interesse des Kindes handelt.

 

Normenkette

BGB §§ 1629, 1795-1796

 

Verfahrensgang

AG Senftenberg (Beschluss vom 30.04.2010; Aktenzeichen 31 F 236/09)

 

Tenor

Der Beschluss des AG Senftenberg vom 30.4.2010 - Az.: 31 F 236/09 - wird aufgehoben.

Von der Erhebung der Gerichtskosten wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Gegenstandswert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Das betroffene minderjährige Kind steht unter alleiniger elterlicher Sorge der Kindesmutter. Nach Versterben der Frau S. L., der Großmutter väterlicherseits des Kindes, hat die Kindesmutter nach Erbausschlagung durch den Kindesvater und weitere mögliche Erben für das Kind A. M. ebenfalls die Erbausschlagung wegen Überschuldung des Nachlasses erklärt. Für diese Erklärung hat die Kindesmutter am 23.6.2009 bei dem AG Senftenberg um Genehmigung des Familiengerichts nachgesucht. Nach Durchführung verschiedener Ermittlungen zum Umfang des Nachlasses und zur Erbausschlagung weiterer möglicher Erben hat das AG Senftenberg - die Rechtspflegerin - die Kindesmutter schriftlich am 9.4.2010 und das Jugendamt mündlich am selben Tag davon informiert, dass eine Pflegerbestellung für A. M. für notwendig gehalten werde. Der Kindesmutter wurde mitgeteilt, sie könne im Genehmigungsverfahren ihre Tochter nicht wirksam vertreten. Es sei beabsichtigt, das Jugendamt als "Verfahrenspfleger" zu bestellen. Dem hat die Kindesmutter mit Schreiben vom 21.4.2010 zugestimmt. Nach einem Vermerk der Rechtspflegerin soll eine Mitarbeiterin des Jugendamtes telefonisch geäußert haben, man könne sich dagegen nicht sperren.

Mit Beschluss vom 30.4.2010 hat sodann die Rechtspflegerin des AG Senftenberg das Jugendamt des Landkreises ... zum "(Verfahrens-) Ergänzungspfleger" bestellt und zur Begründung angegeben, zur Wahrung der verfassungsmäßigen Rechte der Minderjährigen sei ein Ergänzungspfleger zu bestellen. Im Übrigen seien die Ermittlungen hinsichtlich des Nachlasswertes "ziemlich schwierig".

Eine Grundlage für die Entscheidung ist in dem Beschluss genauso wenig benannt, wie eine Rechtsmittelbelehrung erteilt worden ist.

Gegen diesen Beschluss hat das Jugendamt des Landkreises ... mit am 20.5.2010 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und in diesem Schriftsatz mitgeteilt, der Beschluss sei am 6.5.2010 zugestellt worden. Das Jugendamt ist der Ansicht, es bedürfe der Bestellung eines Ergänzungspflegers nicht, weil die Kindesmutter nicht gehindert sei, das betroffene Kind im Verfahren zu vertreten.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Auf das Verfahren sind die Vorschriften des FamFG anzuwenden, da das Verfahren betreffend die Einsetzung eines Ergänzungspflegers nicht bereits mit dem vor dem 1.9.2009 eingeleiteten Verfahren auf Genehmigung der Erbausschlagung eingeleitet worden ist, sondern erst durch Verfügung der Rechtspflegerin vom 9.4.2010. Es handelt sich um eine Kindschaftssache gem. § 151 Nr. 5 FamFG. Das Rechtsmittel der Beschwerde ist gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthaft, da das Verfahren zur Anordnung einer Ergänzungspflegschaft mit dem Beschluss abgeschlossen worden ist, so dass eine Endentscheidung vorliegt (so auch: KG, FamRZ 2010, 117); FamVerf (Schael, 2. Aufl., § 2 Rz. 131).

Das Jugendamt hat die Beschwerde mangels abweichender Erklärung im eigenen Namen erhoben. Dass im Interesse des Kindes Beschwerde eingelegt werden sollte, wozu das Jugendamt als bestellter Ergänzungspfleger befugt gewesen wäre, kann der Begründung im Schriftsatz vom 18.5.2010 jedenfalls nicht entnommen werden. Das Beschwerderecht des Jugendamtes ergibt sich aus § 59 Abs. 3 i.V.m. § 162 Abs. 3 S. 2 FamFG. Die Monatsfrist gem. § 63 Abs. 1 FamFG ist eingehalten worden, auch wenn sich die förmliche Zustellung des Beschlusses nicht feststellen lässt. Auch die Voraussetzung der Zulässigkeit nach § 61 FamFG liegt vor. Es mag hier dahingestellt bleiben, ob das Verfahren für die Pflegerbestellung als solches eine vermögensrechtliche Angelegenheit ist, weil sie hier im Wesentlichen wirtschaftlichen Interessen dienen soll, nämlich der Prüfung, ob die Erbausschlagung wegen Überschuldung des Nachlasses genehmigungsfähig ist, oder ob es sich um eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit handelt. Sollte es sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit handeln, ist von einem Wert i.H.v. 3.000 EUR auszugehen, da Anhaltspunkte für eine abweichende Wertfestsetzung nicht bestehen.

Der kaum begründete und in sich widersprüchliche Beschluss vom 30.4.2010 bedarf zunächst der Auslegung, um seinen Inhalt feststellen zu können. Aus ...

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