Leitsatz

Ein aufteilender Eigentümer kann sich nicht in der Gemeinschaftsordnung ermächtigen lassen, ohne Zustimmung der dinglich Berechtigten Sondernutzungsrechte neu zu begründen

 

Normenkette

§ 10 Abs. 2 WEG; § 19 GBO

 

Kommentar

  1. Sollen - wie hier - als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch einzutragende Sondernutzungsrechte (vorliegend an Läden vorgelagerten Grundstücksflächen) nachträglich begründet werden, ist hierzu sachenrechtlich die Einigung sämtlicher Wohnungseigentümer und im Hinblick auf § 10 Abs. 2 WEG die Eintragung in das Grundbuch erforderlich; außerdem ist die Zustimmung der nachteilig betroffenen dinglich Berechtigten (Pfandgläubiger) und der Berechtigten einer Auflassungsvormerkung erforderlich. Verfahrensrechtlich ist die Bewilligung derjenigen von ihnen erforderlich, aber auch ausreichend, deren Recht durch die Eintragung im Sinne des § 19 GBO betroffen wird (vgl. Demharter, GBO, 24. Aufl., Anhang zu § 3 Rn. 82).

    Durch die Neubegründung von Sondernutzungsrechten am Gemeinschaftseigentum werden grundsätzlich Rechte der dinglich Berechtigten beeinträchtigt (vgl. auch BGH v. 14.6.1984, V ZB 32/82, NJW 1984, 2409). Zur rechtswirksamen Begründung der negativen Komponente eines Sondernutzungsrechts muss bereits in der Gemeinschaftsordnung genau festgelegt werden, hinsichtlich welcher Flächen die Wohnungs- und Teileigentümer vom Mitgebrauch ausgeschlossen sein sollen; nur dann ist die Zustimmung der dinglich Berechtigten für die Zuweisung der Nutzungsberechtigung an einzelne Wohnungs- oder Teileigentümer entbehrlich. Allerdings kann eine notwendige Zustimmung dinglich Berechtigter auch durch ein Unschädlichkeitszeugnis ersetzt werden.

  2. Die auch in den jeweiligen Kaufverträgen von Käufern erteilte Vollmacht zur Änderung der Gemeinschaftsordnung und zur Neubegründung von Sondernutzungsrechten betrifft nur das Verhältnis der Erwerber zum Verkäufer; sie macht die Bewilligung der dinglich Berechtigten nicht entbehrlich.
  3. Auch die vorliegende Ermächtigungs- oder Bevollmächtigungsvereinbarung in der Gemeinschaftsordnung zur Neubegründung von Sondernutzungsrechten kann zwar nicht ohne Zustimmung der dinglich Berechtigten, aber mit Bindungswirkung für sie, als Inhalt des Sondereigentums vereinbart werden; dies wäre nämlich ein unzulässiger Vertrag zulasten Dritter, und zwar selbst dann, wenn hier dinglich Berechtigte von der Änderungsmöglichkeit der Gemeinschaftsordnung gewusst und diese gebilligt haben sollten (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., Einführung vor § 328 Rn. 10).
 

Link zur Entscheidung

(BayObLG, Beschluss vom 27.10.2004, 2Z BR 150/04)

Anmerkung

Umstritten erscheint mir allein der Entscheidungsbegründungssatz, dass im Fall einer vereinbarten Ermächtigung zur Umwandlung von Gemeinschafts- in Sondereigentum oder jedenfalls - wie hier - zur nachträglichen einseitigen Begründung von Grundstückssondernutzungsrechten stets von einem "unzulässigen Vertrag zulasten Dritter" (Pfandgläubiger) auszugehen sei, wenn die Pfandgläubiger bei der anfänglichen Beleihung Kenntnis von solchen Vollmachten und Ermächtigungen in einer Gemeinschaftsordnung besaßen und diese in Kenntnis der Vereinbarungsregelungen ausdrücklich oder zumindest vor Beleihungszusagen stillschweigend billigten. Insoweit könnte dann auch nicht von einer Änderung des ursprünglichen Haftungsgegenstands gesprochen werden. Es erscheint mir deshalb fraglich, ob insoweit dann überhaupt von einer nachträglichen Beeinträchtigung der dinglichen Rechtsposition etwaiger Grundpfandrechtsgläubiger gesprochen werden kann (ähnlich wie dies auch in der Entscheidung des OLG Düsseldorf v. 30.1.2004, I-3 Wx 329/03, ZMR 4/2004, 284 zur Zustimmungsfrage von Grundpfandrechtsinhabern im Zuge der Eintragung einer nachträglich vereinbarten Öffnungsklausel im Sinne verneinter Zustimmung, die Beschlussmöglichkeiten allein zum Rechtsverhältnis der Eigentümer untereinander im Sinne des § 10 Abs. 1, 2 WEG eröffnen sollte, entschieden wurde).

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es sich bei Sondernutzungsrechten (mit positiver und negativer Komponente) um ein quasi verdinglichtes Alleinnutzungsrecht handelt, welches den Wert eines Beleihungsobjekts ganz wesentlich beeinflusst, und zwar sicher mehr als ausschließliche Vereinbarungen zum schuldrechtlichen Verhältnis der Eigentümer untereinander im Sinne des § 10 Abs. 2 WEG (also solchen u.a. auch zu § 15 WEG). Zur genannten Entscheidung des OLG Düsseldorf v. 30.1.2004 vgl. auch ETW, Gr. 2, S. 5643 f. mit Anmerkung.

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