Leitsatz (amtlich)

Die Eintragung einer vereinbarten Öffnungsklausel im Grundbuch, wonach über Änderungen der Gemeinschaftsordnung durch (qualifizierten) Mehrheitsbeschluss entschieden werden kann, bedarf nicht der Zustimmung dinglich berechtigter Dritter, z.B. eingetragener Grundpfandrechtsgläubiger.

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Aktenzeichen 25 T 711/03 und 730-741/03)

 

Tenor

Die angefochtene Entscheidung wird abgeändert.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, von seiner Beanstandung gem. Ziff. 2 der Zwischenverfügung vom 11.7.2003 Abstand zu nehmen und den Eintragungsantrag neu zu bescheiden.

Wert: 3.000 Euro.

 

Gründe

I. Mit Schriftsatz vom 7.5.2003 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1) bis 11) die Eintragung einer Änderung der Teilungserklärung in den Grundbüchern beantragt. Gegenstand der begehrten Änderung ist, dass in die Teilungserklärung folgender § 18a eingefügt wird:

§ 18a

Änderung der Gemeinschaftsordnung

Die Eigentümerversammlung kann durch Beschluss mit ≤ Mehrheit der Stimmen aller Sondereigentümer Änderungen der Gemeinschaftsordnung (Teil II der Teilungserklärung) beschließen.

Sonderrechte oder Vorzugsrechte eines Eigentümers dürfen durch einen solchen Beschluss nur mit dessen Zustimmung entzogen oder beeinträchtigt werden.

Die Sondereigentümer, auch diejenigen, die an der Beschlussfassung nicht teilgenommen oder dem Beschluss widersprochen haben, sind verpflichtet, Änderungsvereinbarungen, die beschlussmäßig getroffen worden sind, zur Eintragung in das Grundbuch zu bewilligen. Die Kosten hierfür trägt die Eigentümergemeinschaft.

Durch die angefochtene Zwischenverfügung hat das AG beanstandet, dass die Zustimmung der eingetragenen Grundpfandrechtsgläubiger, ggf. unter Vorlage der Grundpfandrechtsbriefe, beigebracht werden müsse.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten hat das LG nach Nichtabhilfe durch das AG zurückgewiesen. Die Beteiligten haben weitere Beschwerde eingelegt.

II. Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einem Rechtsfehler (§ 78 GBO).

Das LG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Wenn das Wohnungseigentum mit dem Recht eines Dritten belastet sei, sei sachenrechtlich dessen Zustimmung zu der Inhaltsänderung gem. §§ 877, 876 S. 1 BGB erforderlich. Seine Zustimmung sei nur dann entbehrlich, wenn seine dingliche Rechtsstellung durch die Änderung nicht berührt werde. Es müsse jede rechtliche, nicht bloß eine wirtschaftliche Beeinträchtigung ausgeschlossen sein. Das AG habe zutreffend darauf abgestellt, dass die beabsichtigte Änderung der Teilungserklärung die dingliche Rechtsstellung der Gläubiger berühren könne, da sie die Änderung der Gemeinschaftsordnung durch die Eigentümer erleichtere. Unzweifelhaft könne sich eine Änderung der Gemeinschaftsordnung (positiv oder negativ) auf den Wert des betroffenen Sondereigentums auswirken – so könnten z.B. Sondernutzungsrechte vereinbart werden, was wiederum in die Rechtsstellung des Gläubigers dieses Sondereigentums eingreifen würde. In diesem Sinne „berühre” auch eine Änderung verfahrensrechtlicher Grundsätze die Rechtsposition der Gläubiger.

Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern.

Das Wohnungseigentumsgesetz unterscheidet zwischen Angelegenheiten der Wohnungseigentümer, die sie durch Vereinbarung regeln können und zu regeln haben (§ 10 Abs. 1 S. 2 WEG) und solchen Angelegenheiten, über die durch (Mehrheits-)Beschluss zu entscheiden ist. Vereinbarungen sind beispielsweise vorgesehen in § 12 WEG (Veräußerungsbeschränkung eines Wohnungseigentümers) und § 15 Abs. 1 WEG (Gebrauch des Sondereigentums und des Gemeinschaftseigentums); durch Beschluss kann insb. der ordnungsgemäße Gebrauch von Sonder- bzw. Gemeinschaftseigentum geregelt werden (§ 15 Abs. 2 WEG), die ordnungsgemäße Verwaltung (§ 21 Abs. 3 WEG) sowie die Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums (§§ 21 Abs. 5, 22 WEG).

Abweichend von § 10 Abs. 1 S. 2 WEG können die Wohnungseigentümer durch Vereinbarung einer sog. Öffnungsklausel bestimmen, dass über die gesetzlich durch Vereinbarung zu regelnden Angelegenheiten durch (Mehrheits-) Beschluss entschieden werden kann. Die Zulässigkeit von Vereinbarungen über die Einführung von Öffnungsklauseln ist heute anerkannt (vgl. nur BGH v. 27.6.1985 – VII ZB 21/84, BGHZ 95, 137 = MDR 1986, 138; BGH ZWE 2000, 518 [519]; BayObLG v. 21.11.1989 – BReg. 2 Z 123/89, WuM 1990, 90; KG v. 13.1.1992 – 24 W 2671/91, OLGZ 1992, 420; Bärmann/Pick/Merle, 9. Aufl., § 23 Rz. 13; Wenzel, Festschrift für Deckert, S. 527). Sie ergibt sich aus §§ 10 Abs. 4, 23 Abs. 1 WEG (vgl. Ott, ZWE 2001, 466 [467]). Um eine solche Öffnungsklausel handelt es sich bei der hier vorgelegten Klausel § 18a.

Öffnungsklauseln müssen, um ggü. Sondernachfolgern Wirkung zu entfalten, im Grundbuch eingetragen werden. Das folgt aus § 10 Abs. 2 WEG. Dabei stellt sich die Frage, ob die Öffnungsklausel eine beeinträchtigende Inhaltsänderung des jeweiligen Sondereigentums i.S.d. §§ 877, 876...

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