Leitsatz (amtlich)

Eine in der Gemeinschaftsordnung vorweggenommene Ermächtigung des aufteilenden Eigentümers zur Neubegründung von Sondernutzungsrechten ohne Zustimmung der dinglich Berechtigten kann nicht in einer die dinglich Berechtigten bindenden Weise als Inhalt des Sondereigentums vereinbart werden.

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 23.06.2004; Aktenzeichen 13 T 11507/04)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des LG München I v. 23.6.2004 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Beteiligte zu 1) errichtete auf einem Grundstück, das sie in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilt hatte, eine Wohnanlage.

In der Gemeinschaftsordnung ist u.a. bestimmt, dass die Beteiligte zu 1) ermächtigt wird, die Gemeinschaftsordnung zu ändern, insb. Sondernutzungsrechte ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer und der dinglich Berechtigten neu zu begründen. Auch in den Kaufverträgen mit den Erwerbern wird der Beteiligten zu 1) die Ermächtigung zur Änderung der Gemeinschaftsordnung eingeräumt; außerdem wird ihr die nach außen unbeschränkte, im Innenverhältnis aber Bindungen unterliegende Vollmacht erteilt, u.a. Sondernutzungsrechte am Gemeinschaftseigentum neu zu begründen.

Am 14.4.2004 ließ die Beteiligte zu 1) eine Ergänzung der Gemeinschaftsordnung beurkunden. Danach wurde den Teileigentümern der im Aufteilungsplan mit Nr. 9 und Nr. 10 bezeichneten Läden jeweils das Sondernutzungsrecht an einer näher bestimmten, vor ihren Läden gelegenen Grundstücksfläche eingeräumt.

Mit Zwischenverfügung v. 27.4.2004 hat das Grundbuchamt den Antrag auf Vollzug der Urkunde beanstandet, weil die Zustimmung der Grundpfandrechtsgläubiger aller belasteten Einheiten fehle. Das LG hat mit Beschluss v. 23.6.2004 die Beschwerde der Beteiligten zu 1) mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es ihr freistehe, statt der Zustimmung der in das Grundbuch eingetragenen Grundpfandrechtsgläubiger aller Einheiten mit Ausnahme der im Aufteilungsplan mit Nr. 9 und Nr. 10 bezeichneten Einheiten ein Unschädlichkeitszeugnis vorzulegen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1).

II. Das Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das LG hat ausgeführt:

Die in den jeweiligen Kaufverträgen erteilte Vollmacht mache zwar die Zustimmung der einzelnen Wohnungseigentümer zur Begründung der Sondernutzungsrechte entbehrlich, es fehle aber die Zustimmung der Grundpfandrechtsgläubiger mit Ausnahme der Teileigentümer der Einheiten Nr. 9 und Nr. 10, die durch die Änderung der Gemeinschaftsordnung begünstigt würden. Die Zustimmung der dinglich Berechtigten sei erforderlich, obwohl die Eigentümer der Einheiten, an denen die dingliche Berechtigung bestehe, die Ermächtigung zur Begründung der Sondernutzungsrechte erteilt hätten. Es bestehe allerdings die Möglichkeit, dass auf einen entsprechenden Antrag das AG ein Unschädlichkeitszeugnis erteile.

2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Sollen wie hier als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch einzutragende Sondernutzungsrechte nachträglich begründet werden, ist hierzu sachlich-rechtlich die Einigung sämtlicher Wohnungseigentümer und im Hinblick auf § 10 Abs. 2 WEG die Eintragung in das Grundbuch erforderlich; außerdem ist die Zustimmung der nachteilig betroffenen dinglich Berechtigten und der Berechtigten einer Auflassungsvormerkung erforderlich. Verfahrensrechtlich ist die Bewilligung derjenigen von ihnen erforderlich, aber auch ausreichend, deren Recht durch die Eintragung im Sinn des § 19 GBO betroffen wird (Demharter, GBO, 24. Aufl., Anh. zu § 3 Rz. 82).

b) Wie das LG zutreffend ausgeführt hat, ist hier die Zustimmung und Bewilligung der dinglich Berechtigten an dem Wohnungs- und Teileigentum der Beteiligten, mit Ausnahme der dinglich Berechtigten an dem im Aufteilungsplan mit Nr. 9 und Nr. 10 bezeichneten Teileigentum, erforderlich. Der Miteigentumsanteil jedes Wohnungs- oder Teileigentümers umfasst nämlich auch das gemeinschaftliche Eigentum. Durch die Neubegründung von Sondernutzungsrechten am Gemeinschaftseigentum werden deshalb die Rechte der dinglich Berechtigten beeinträchtigt (BGH v. 14.6.1984 - V ZB 32/82, MDR 1984, 830 = NJW 1984, 2409 f.; BayObLG v. 19.10.1995 - 2Z BR 99/95, BayObLGReport 1996, 2 = DNotZ 1996, 297 [301]; Weitnauer/Lüke, WEG, 9. Aufl., § 10 Rz. 50).

Durch die nachträgliche Neubegründung von Sondernutzungsrechten entfällt eine nachteilige Inhaltsänderung des Sondereigentums und folglich auch des Haftungsgegenstands der eingetragenen dinglichen Belastungen nicht deshalb, weil das Recht zur Neubegründung von Sondernutzungsrechten ohne Zustimmung der dinglich Berechtigten bereits in der ursprünglichen Gemeinschaftsordnung vereinbart und diese im Grundbuch eingetragen wurde. Eine im Einzelnen bestimmte und wirksame Gebrauchsregelung lag zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht vor. Folglich bezog sich auch der Mitgebrauch der Teil- und Wohnungseigentümer auf die Flächen, an denen später Sondernutzungsrechte begründet wer...

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