Leitsatz

Die Parteien, die zuvor schon fünf Jahre in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammengelebt hatten, hatten am 30.3.1994 in Erwartung der bevorstehenden Geburt des Kindes und der beabsichtigten Eheschließung einen Ehevertrag notariell beurkunden lassen. In diesem Vertrag hatten sie Gütertrennung vereinbart, den Versorgungsausgleich ausgeschlossen und neben einer Regelung der Hausratsteilung wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt verzichtet mit Ausnahme einer eingeschränkten Versorgungsregelung und des der Ehefrau gesetzlich zustehenden Betreuungsunterhalts, der allerdings auf die Zeit bis zum 12. Lebensjahr des Kindes beschränkt sein sollte. Hintergrund dieser Vereinbarung war, dass der Ehemann zuvor schon einmal verheiratet - und mit den entsprechenden Folgen geschieden - war und beide Parteien einer Berufstätigkeit nachgingen. Der Ehemann in seinem Beruf als selbständiger Tierarzt und die Ehefrau als Reiseverkehrskauffrau. Die bei Vertragsschluss geplante Rollenverteilung war zwischen den Eheleuten streitig. Das FamG hat den Vertrag für sittenwidrig gehalten und den Versorgungsausgleich zu Lasten des Ehemannes durchgeführt.

Hiergegen wandte sich der Ehemann mit der befristeten Beschwerde, mit der er sein erstinstanzliches Ziel des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs weiterverfolgte. Das Rechtsmittel hatte Erfolg.

 

Sachverhalt

siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das OLG hielt die Beschwerde für begründet und folgte der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts hinsichtlich der Sittenwidrigkeit des Vertrages nicht. Die Parteien hätten eine durchaus nicht einseitige, sondern der besonderen Situation der Ehefrau im Falle einer nach Scheidung fortdauernden Kindesbetreuung gerecht werdende Regelung getroffen.

Der Vertrag stelle sich zwar als Verschlechterung der Position des kindesbetreuenden Ehegatten dar, von einer Sittenwidrigkeit sei jedoch gleichwohl nicht auszugehen.

Auch die bei Vertragsschluss bestehende Schwangerschaft der Ehefrau rechtfertige keine andere Beurteilung. Sie indiziere zwar nach Überzeugung des BGH eine ungleiche Verhandlungsposition, begründe aber für sich allein nicht die Sittenwidrigkeit einer vor diesem Hintergrund vereinbarten Scheidungsfolgenregelung. Erforderlich sei vielmehr auch in diesem Fall eine "Gesamtschau aller maßgeblichen Faktoren". Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Parteien vor der Eheschließung nicht nur schon mehrere Jahre zusammengelebt hätten. Vielmehr hätten sie etwa ein Jahr vor der Eheschließung - im April 1993 - schon einmal einen Hochzeitstermin festgelegt, ihn dann wieder abgesagt und die Gäste ausgeladen, da Uneinigkeit über den Ablauf der Veranstaltung entstanden gewesen sei. Auch der Umstand, dass die Partei anschließend weiter zusammengelebt und die Ehefrau trotz der Weigerung des Ehemannes, eine kirchliche Trauung vornehmen zu lassen, schwanger geworden sei, deute darauf hin, dass sie sich nicht in einer ungleichen Verhandlungsposition befunden habe.

Sie habe ihre Erwerbstätigkeit einseitig aufgegeben, ohne durch die Kindesbetreuung dazu gezwungen zu sein. Für die Betreuung des Kindes habe vielmehr zumindest halbtags ein Kindergarten zur Verfügung gestanden, in dem das Kind zu seinem dritten Lebensjahr angemeldet worden sei. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien von Anfang an darüber einig gewesen seien, dass er Ehemann weiter seiner Berufstätigkeit als selbständiger Tierarzt nachgehe und die Ehefrau sich unter Kündigung ihres Arbeitsvertrages voll und ganz ihrer Aufgabe als Mutter widmen solle. Für diese Behauptung habe die beweispflichtige Ehefrau keinen ausreichenden Beweis angetreten. Dagegen spreche auch, dass sie ihren Arbeitsvertrag erst nach drei Jahren und nicht sogleich nach der Geburt des Kindes gekündigt habe.

Deshalb könne auch im Wege der Ausübungskontrolle die Berufung auf den Vertrag nicht versagt werden.

 

Hinweis

Nach wie vor gehen die Gerichte erster Instanz häufig von einer psychologischen Zwangslage bei der ledigen Schwangeren und bei einer Drucksituation aufgrund eines bereits festgelegten Eheschließungstermins aus. Gerade im Hinblick darauf sollte im Vorfeld des Vertragsschlusses darauf geachtet werden, dass beide Parteien gleichermaßen hieran beteiligt werden. So empfiehlt sich die Übersendung eines Entwurfs des Vertrages, der Hinweis auf die Möglichkeit einer rechtsanwaltlichen Beratung und die Einhaltung einer Wartefrist. In Einzelfällen kann es auch ratsam sein, die Vertragsunterzeichnung auf die Zeit nach der Geburt des Kindes zu verschieben.

 

Link zur Entscheidung

OLG Celle, Beschluss vom 22.10.2007, 19 UF 188/06

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