Entscheidungsstichwort (Thema)

Ehevertragskontrolle bei Schwangerschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine zum Zeitpunkt der Beurkundung eines notariellen Ehevertrages bestehende Schwangerschaft indiziert zwar eine ungleiche Verhandlungsposition, begründet für sich alleine jedoch noch nicht die Sittenwidrigkeit einer vor diesem Hintergrund vereinbarten Regelung der Ehescheidungsfolgen.

2. Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung ist zu berücksichtigen, ob die Parteien einen vollständigen Ausschluss der gesetzlichen Regelung vereinbart haben.

 

Normenkette

BGB § 138 Abs. 1, § 1408 Abs. 1, § 1587c

 

Verfahrensgang

AG Verden (Aller) (Urteil vom 04.07.2006; Aktenzeichen 5 F 315/02)

 

Tenor

Auf die befristete Beschwerde des Antragstellers wird das Urteil des AG - FamG - Verden vom 4.7.2006 im Ausspruch zum Versorgungsausgleich (Ziff. II des Urteilstenors) dahin geändert, dass eine Entscheidung zum Versorgungsausgleich nicht ergeht.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden zwischen den Parteien gegeneinander aufgehoben. Beschwerdewert: 2.000 EUR.

 

Gründe

Die Parteien waren seit dem 29.4.1994 miteinander verheiratet; ihre Ehe ist durch das angefochtene Urteil - insoweit rechtskräftig - seit dem 22.5.2007 geschieden. Aus der Ehe ist die am 16.6.1994 geborene Tochter Luisa hervorgegangen. Am 30.3.1994 hatten die Parteien, die zuvor schon 5 Jahre in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammengelebt hatten, in Erwartung der bevorstehenden Geburt des Kindes und der beabsichtigten Eheschließung vor dem Notar Dr. Berner in Verden einen Ehevertrag geschlossen. In diesem Vertrag hatten sie die Gütertrennung vereinbart (Ziff. I des Vertrages), ferner den Versorgungsausgleich ausgeschlossen (Zifferll) und schließlich neben einer Regelung der Hausratsteiiung (Ziff. IV) wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt verzichtet mit Ausnahme einer eingeschränkten Versorgungsregelung und des der Antragsgegnerin gesetzlich zustehenden Betreuungsunterhalts, der allerdings auf die Zeit bis zum 12. Lebensjahr des Kindes beschränkt war; wegen der Einzelheiten wird auf den Vertrag (Bl. 6-11) Bezug genommen. Hintergrund der Vereinbarung war, dass der Antragsteller zuvor schon einmal verheiratet - und mit den entsprechenden Folgen geschieden - war und beide Parteien berufstätig waren, der Antragsteller in seinem Beruf als selbständiger Tierarzt und die Antragsgegnerin als Reiseverkehrskauffrau; über die Planung der späteren Rollenverteilung nach Geburt des Kindes streiten die Parteien.

Das AG hat den Ausgleich der von den Parteien während der gesetzlichen Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte - auf Seiten des Antragstellers i.H.v. (dynamisiert) 282,86 EUR monatlich beim Versorgungswerk der Tierärzte, auf Seiten der Antragsgegnerin 85 EUR monatlich bei der Deutsche Rentenversicherung Bund - in Form des Quasi-Splittings durchgeführt und unter Berufung auf die Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2004, 601; 2005,1444) den von den Parteien geschlossenen Ehevertrag wegen Sittenwidrigkeit für unwirksam erachtet.

Hiergegen wendet sich der Antragsteiler mit der befristeten Beschwerde, mit der er sein erstinstanzliches Ziel (Ausschluss des Versorgungsausgleichs) weiter verfolgt.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere rechtzeitig eingelegt, und hat in der Sache Erfolg,

Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. etwa BGH FamRZ 2004, 601) unterliegen die gesetzlichen Regelungen über nachehelichen Unterhalt, Zugewinn und Versorgungsausgleich grundsätzlich der vertraglichen Disposition der Ehegatten; einen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten kennt das geltende Recht nicht.

Demgegenüber darf aber der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen nicht beliebig unterlaufen werden, was etwa dann der Fall wäre, wenn durch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der Lebensverhältnisse der Parteien nicht gerechtfertigte Lastenverteilung eine unzumutbare Belastung für einen Ehegatten entstände. Ob das der Fall ist, hat das Gericht in einer zweistufigen Prüfung festzustellen, und zwar zunächst im Rahmen einer Wirksamkeitskontrolle dahingehend, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer evident einseitigen Lastenverteilung im Scheidungsfail führt.

Das ist jedoch nicht der Fall. Die Parteien haben nämlich zum einen, was das AG nicht ausreichend gewürdigt hat, den Versorgungsausgleich nicht unbedingt vollständig ausgeschlossen. Wenn auch diese Formulierung in Abschnitt II des notariellen Vertrages ausdrücklich gebraucht wird, ergibt sich doch aus Ziff. 4 der den nachehelichen Unterhalt betreffenden Regelung (Abschnitt III), dass im Falle der dortigen Ziff. 3 (Betreuung eines Kindes nach der Scheidung) der erwerbstätige Ehegatte - hier: der Antragsteller - verpflichtet sein sollte, dem das Kind betreuenden Ehegatten - hier: der Antragsgegnerin - "durch Einzahlung bei der Bundesversicherungsanstalt ... einen Ausgleich für die ... entgehenden Rentenanwartschaften zu schaffen." Ob man in dieser R...

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