Das Wichtigste in Kürze:

1. Mit Zustimmung des Vorsitzenden kann der Verteidiger jederzeit in der HV – ohne Bindung an bestimmte Prozesssituationen – Erklärungen abgeben.
2. Nach § 257 Abs. 2 steht dem Verteidiger für die Beweiserhebung ausdrücklich ein Erklärungsrecht zu.
3. Der Umfang des Erklärungsrechts aus § 257 Abs. 2 ist begrenzt. Die Erklärung muss sich inhaltlich auf die vorhergehende Beweiserhebung beziehen.
4. Überschreitet der Verteidiger die Grenzen, kann ihm sein Erklärungsrecht ggf. entzogen werden.
5. Gegen Anordnungen des Vorsitzenden im Rahmen des § 257 ist die Anrufung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 zulässig.
6. § 257a gilt nicht für Erklärungen des Verteidigers nach § 25.
 

Rdn 1808

 

Literaturhinweise:

Burkhard, Erklärungsrecht des Verteidigers, § 257 Abs. 2 StPO, StV 2004, 390

El-Ghazi/Merold, Der Widerspruch zur rechten Zeit, HRRS 2013, 412

Fahl, Rechtsmißbrauch im Strafprozeß, 2004

Hammerstein, Die Grenzen des Erklärungsrechts nach § 257 StPO, in: Festschrift für Kurt Rebmann, 1989, S. 233

Hohmann, Das Erklärungsrecht von Angeklagtem und Verteidiger nach § 257 StPO, StraFo 1999, 153

König, Offene Kommunikation in der Hauptverhandlung, AnwBl. 1997, 541

ders., Pazifische Phantasien – Ist das Gericht berechtigt, möglicherweise sogar verpflichtet, seine Sicht vom bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung offenzulegen?, in: Festgabe für Heino Friebertshäuser, 1997, S. 211

Leipold, Form und Umfang des Erklärungsrechts nach § 257 StPO und seine Auswirkungen auf die Widerspruchslösung des Bundesgerichtshofes, StraFo 2001, 300

Tondorf/Tondorf, Die Erklärungsrechte und das Fragerecht des Verteidigers nebst Vernehmungstechnik und Vorhalte, in: Beck-Tondorf/Tondorf, S. 436 ff.

Wesemann, Beanstandungs- und Erklärungsrechte zur Schaffung von Freiräumen der Verteidigung, StraFo 2001, 293

Witting, Präsentation von Beweisinhalten durch die Verteidigung, StraFo 2010, 133

s.a. die Hinw. bei → Verteidiger, Verteidigerhandeln und Strafrecht, Teil V Rdn 3799.

 

Rdn 1809

1. Mit Zustimmung des Vorsitzenden kann der Verteidiger jederzeit in der HV – ohne Bindung an bestimmte Prozesssituationen – Erklärungen abgeben (Dahs, Rn 526; Burkhard StV 2004, 390; → Erklä­rungsrecht des Verteidigers, Teil E Rdn 1807; zum sog. Opening Statement → Erklärungen des Verteidigers, Opening Statement, Teil E Rdn 1778).

 

☆ Spätestens im Rahmen einer Erklärung nach § 257 muss der Verteidiger nach der vom BGH vertretenen Widerspruchslösung gegen die nach seiner Auffassung unzulässige Verwertung eines ­ Beweises Widerspruch erheben (u.a. BGHSt 38, 214, 226; 42, 86, 90; abl. El-Ghazi/Merold HRRS 2013, 412; →  Widerspruchslösung , Teil W Rdn  4012  ff.; zum verzögerten Einverständnis mit der Entlassung von Zeugen →  Zeugen, Vernehmung , Entlassung , Teil Z Rdn  4159 ). im Rahmen einer Erklärung nach § 257 muss der Verteidiger nach der vom BGH vertretenen "Widerspruchslösung" gegen die nach seiner Auffassung unzulässige Verwertung eines ­Beweises Widerspruch erheben (u.a. BGHSt 38, 214, 226; 42, 86, 90; abl. El-Ghazi/Merold HRRS 2013, 412; → Widerspruchslösung, Teil W Rdn 4012 ff.; zum "verzögerten" Einverständnis mit der Entlassung von Zeugen → Zeugen, Vernehmung, Entlassung, Teil Z Rdn 4159).

 

Rdn 1810

2. § 257 Abs. 2 räumt dem Verteidiger darüber hinaus für die Beweiserhebung ausdrücklich ein Erklärungsrecht ein, das ihm die Möglichkeit gibt, unmittelbar auf ein Beweisergebnis zu reagieren, so z.B. wenn Zusammenhänge verdeutlicht oder auf zu erwartendes entlastendes Material verwiesen werden soll. Dadurch kann der Verteidiger verhindern, dass sich bei den Laienrichtern zu früh eine feste Meinung bildet (zur Frage, inwieweit der Verteidiger bei Abgabe einer Erklärung auf technische Hilfsmittel zurückgreifen darf, um durch Visualisierungen seine Erklärung zu unterstützen, Witting StraFo 2010, 133, 136). In der Praxis wird von diesem Erklärungsrecht allerdings meist nur wenig Gebrauch gemacht, obwohl es dem Verteidiger gute Möglichkeiten bietet, den Sachverhalt i.S.d. Mandanten weiter aufzuklären und auf das Entscheidungsverfahren Einfluss zu nehmen. Hohmann (StraFo 1999, 153 ff.) plädiert daher für einen "gleichberechtigten Eingang in das Verteidigerrepertoire". Auch Wesemann (StraFo 2001, 297) spricht sich für einen verstärkten Gebrauch des Erklärungsrechts aus.

 

☆ Das Erklärungsrecht wird dem Verteidiger nur auf Verlangen/Antrag gewährt (BGH NStZ 2007, 234). Er muss es also in der HV geltend machen. Der Vorsitzende ist nicht verpflichtet, den Verteidiger über dieses Recht zu belehren (so wohl a. Burkhard StV 2004, 391).Verlangen/Antrag gewährt (BGH NStZ 2007, 234). Er muss es also in der HV geltend machen. Der Vorsitzende ist nicht verpflichtet, den Verteidiger über dieses Recht zu belehren (so wohl a. Burkhard StV 2004, 391).

 

Rdn 1811

3.a) Der Umfang des Erklärungsrechts aus § 257 Abs. 2 ist begrenzt. Der Verteidiger darf nur zur vorhergehenden, abgeschlossenen Vernehmung eines Angeklagten oder einer Beweisperson oder einem sons...

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