Leitsatz

Ist der Pflichtteilsanspruch, nicht aber der Pflichtteilsergänzungsanspruch verjährt, kann der Pflichtteilsberechtigte auch nach vorheriger Vorlage eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses vom Erben die Vorlage eines notariellen Verzeichnisses mit Angaben zum durch ausgleichungspflichtige Zuwendungen des Erblassers und Schenkungen in den letzten 10 Jahren fiktiven Nachlassbestand verlangen.

 

Sachverhalt

Die Klägerin macht Pflichtteilsansprüche gegen ihren Bruder geltend. Im Rahmen einer Stufenklage wurde dieser durch Teil-Anerkenntnisurteil zur Auskunft verurteilt. In der Folgezeit änderte die Kl. ihre ursprünglich angekündigten Anträge mehrfach schriftsätzlich, weil die Parteien behauptete oder tatsächliche Lücken außergerichtlich klären konnten. Nunmehr beantragt die Kl. klageerweiternd die Verurteilung zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses und begehrt hierfür PKH. Den Antrag hat das LG wegen Mutwilligkeit zurückgewiesen.

 

Entscheidung

Die sofortige Beschwerde im PKH-Bewilligungsverfahren ist zulässig und teilweise begründet. Das OLG hält es für hinreichend wahrscheinlich, dass die Kl. von dem Bekl. ein notarielles Nachlassverzeichnis verlangen kann. Das zuvor privatschriftlich erstellte Verzeichnis steht dem Anspruch aus § 2314 Abs. 1 BGB nicht entgegen. Der Notar übernimmt nämlich Verantwortung für den Inhalt des Verzeichnisses, auch wenn er die erforderlichen Angaben vom Erben erhält. Das schließt den von dem Bekl. erhobenen Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit wegen des bereits existierenden privatschriftlichen Verzeichnisses jedenfalls dann aus, wenn die Kl. aus subjektiver Sicht Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der bereits erteilten Auskunft hat.

Da die 3-jährige Verjährungsfrist für Pflichtteilsansprüche (§ 2332 Abs. 1 BGB) nur für Zahlungsansprüche gilt, ist der Auskunftsanspruch der Kl. auch nicht verjährt. Hier gilt die 30-jährige Verjährungsfrist des § 2314 Abs. 1 BGB. Zwar können Pflichtteilsansprüche bereits verjährt sein. Nicht jedoch ist der noch unbezifferte und von der begehrten Verurteilung abhängige Pflichtteilsergänzungsanspruch verjährt, da eine entsprechende Kenntnis der Kl. noch nicht vorliegt.

Die bereits teilweise erfolgte Verteilung von Nachlassgegenständen steht der Errichtung des notariellen Verzeichnisses nicht entgegen, so dass auch der Einwand der Verwirkung nicht greift.

Der Senat äußerte lediglich Zweifel im Hinblick auf die Vollstreckungsfähigkeit von Anträgen betreffend die Zurechnung fiktiven Nachlasses.

 

Hinweis

Der auf Angabe fiktiven Nachlasses gerichtete Antrag auf Angabe "von ausgleichungspflichtigen Zuwendungen und ergänzungspflichtigen Schenkungen" dürfte nicht vollstreckungsfähig sein. Die Formulierung sollte daher lauten: "Schenkungen oder andere unentgeltliche Zuwendungen des Erblassers in der Zeit vom …. bis zum …."

 

Link zur Entscheidung

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.08.2006, 15 W 23/06

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