Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren. Pflichtteilsanspruch. Pflichtteilsergänzungsanspruch. Verjährung. Verwirkung. Mutwilligkeit. Klageerweiterung. Auskunftsanspruch. Nachlassverzeichnis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Erbe ist zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses gem. § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB in der Regel auch dann noch verpflichtet, wenn er auf Verlangen des Pflichtteilsberechtigten bereits ein privatschriftliches Verzeichnis erstellt hat.

2. Auch das notarielle Nachlassverzeichnis muss Angaben zum fiktiven Nachlassbestand (ausgleichungspflichtige Zuwendungen des Erblassers und Schenkungen in den letzten 10 Lebensjahren) enthalten.

3. Der Erbe muss ein Nachlassverzeichnis unter Umständen auch dann noch erstellen, wenn der Pflichtteilsanspruch (§ 2303 Abs. 1 BGB) bereits verjährt ist. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Auskunftsanspruch ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der Pflichtteilsberechtigte gegen seinen früheren Rechtsanwalt vorgehen möchte, der bei den Ansprüchen gegen den Erben nicht für eine rechtzeitige Unterbrechung bzw. Hemmung der Verjährung gesorgt hat.

4. Die für den Verjährungsbeginn maßgebliche "beeinträchtigende Verfügung" i.S.v. § 2332 Abs. 1 BGB ist bei einem Pflichtteilsanspruch aus § 2303 Abs. 1 BGB allein die enterbende letztwillige Verfügung (z.B. in einem Erbvertrag). Auch bei einem ausgleichungspflichtigen Vorempfang (§ 2316 Abs. 1 BGB) kommt es für den Beginn der Verjährung daher nicht darauf an, wann der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis von der Ausstattung für den Erben erhalten hat (anders als bei einer Schenkung im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gem. § 2325 Abs. 1 BGB).

 

Normenkette

BGB §§ 242, 2303 Abs. 1, § 2325 Abs. 1, § 2314 Abs. 1, § 2332 Abs. 1; ZPO § 114 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Beschluss vom 25.01.2006; Aktenzeichen 2 O 320/02)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des LG Karlsruhe vom 25.1.2006 - 2 O 320/02 - wie folgt abgeändert:

Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt unter Beiordnung von Rechtsanwalt zu den Bedingungen eines in Karlsruhe ansässigen Rechtsanwalts.

Die Klägerin hat auf die Prozesskostenhilfe keine Raten zu zahlen.

Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erstreckt sich auf die folgenden beabsichtigten Anträge der Klägerin:

1. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein notarielles Verzeichnis über den Nachlass der am 12.4.1999 verstorbenen E. vorzulegen, wobei das Nachlassverzeichnis neben dem realen Nachlass auch den fiktiven Nachlass in Form von ausgleichungspflichtigen Zuwendungen und ergänzungspflichtigen Schenkungen umfassen muss.

2. Für den Fall, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt errichtet worden sein sollte, wird der Beklagte verurteilt, zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er den Bestand des Nachlasses so vollständig und richtig angegeben hat, als er dazu in der Lage ist.

3. Der Beklagte wird verurteilt, den sich nach Auskunftserteilung ergebenden Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe einer Pflichtteilsquote von 1/6 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung dieses Antrags zu zahlen.

Der weitergehende Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin wird zurückgewiesen.

II. Die weitergehende Beschwerde der Klägerin wird zurückgewiesen.

III. Eine Gerichtsgebühr wird im Beschwerdeverfahren nicht erhoben.

 

Gründe

I. Die Parteien sind Geschwister. Die Mutter der Parteien, E., ist am 12.4.1999 verstorben. Der Beklagte ist aufgrund eines Erbvertrages vom 21.1.1999 Alleinerbe der Mutter. Die Klägerin macht Pflichtteilsansprüche gegen den Beklagten geltend.

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 20.10.2000 hat die Klägerin Klage zum LG Karlsruhe erhoben. Zur Durchsetzung ihrer Ansprüche hat sie zunächst von dem Beklagten die Vorlage eines Nachlassverzeichnisses verlangt und - im Wege einer Stufenklage - eine eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit des noch zu erstellenden Nachlassverzeichnisses. Mit Teil-Anerkenntnisurteil vom 23.1.2001 hat das LG Karlsruhe dem Auskunftsantrag der Klägerin entsprochen. Über den angekündigten Antrag auf eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit des Verzeichnisses ist bisher vor dem LG Karlsruhe nicht verhandelt worden. Am 19.9.2002 hat der Beklagte eine schriftliche Auskunft über den Nachlass erteilt und dieser Auskunft verschiedene Unterlagen beigefügt (vgl. die Anlagen, Sonderband).

Die Klägerin hat in der Folgezeit die ursprünglich angekündigten Anträge mehrfach schriftsätzlich geändert. Eine weitergehende Entscheidung ist im Verfahren des LG Karlsruhe jedoch bisher nicht ergangen. Hierbei hat eine Rolle gespielt, dass die Parteien und ihre Prozessbevollmächtigten während des beim LG Karlsruhe anhängigen Verfahrens mehrfach verursacht haben, behauptete oder tatsächliche Lücken und Unklarheiten in den Auskünften des Beklagten außergerichtlich zu klären.

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 9.11.2005 hat die Klägerin zum einen erkl...

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