Gesetzestext

 

(1) Der einjährige Betrag der Nutzung einer Geldsumme ist, wenn kein anderer Wert feststeht, zu 5,5 Prozent anzunehmen.

(2) Nutzungen oder Leistungen, die nicht in Geld bestehen (Wohnung, Kost, Waren und sonstige Sachbezüge), sind mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsorts anzusetzen.

(3) Bei Nutzungen oder Leistungen, die in ihrem Betrag ungewiß sind oder schwanken, ist als Jahreswert der Betrag zugrunde zu legen, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden wird.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Bewertungsfragen stellen sich vornehmlich bei wiederkehrenden Sachleistungen oder Sachbezügen, so bei Altenteilen und Deputaten. Wenn Nutzungen in Geld bestehen, stellen sich keine Bewertungsfragen.

 

Rz. 2

Die Begriffe "Nutzung" und "Leistung" sind in § 13 BewG Rdn 8 ff. erläutert.

 

Rz. 3

Nutzungen und Leistungen sind Bruttogrößen. Die Gewinnungskosten (vgl. § 102 BGB) sind gesondert zu berücksichtigen. Aus Vereinfachungsgründen kann der Saldo, also der Reinertrag, bewertet werden. Maßgebend ist sein gemeiner Wert (§ 9 BewG). Dass Nutzungen und Leistungen einerseits und Aufwendungen und Kosten andererseits zeitlich verteilt anfallen, wird bei der Bestimmung des Jahreswerts üblicherweise vernachlässigt.

Konsequenterweise ist die Nettogröße auch dann anzusetzen, wenn sie negativ ist, weil die Aufwendungen die Erträge übersteigen. Würde man hier den Jahreswert mit 0 EUR ansetzen,[1] bliebe ein Teil der Aufwendungen außer Betracht, was bei der grundsätzlich gebotenen Bruttobetrachtung nicht der Fall wäre. Zudem würde der gemeine Wert verfehlt. Denn ein gedachter Erwerber würde den Saldo nur dann für null übernehmen, wenn er den Veräußerer beschenken will. Sonst würde er darauf bestehen, dass jener das Defizit weiterhin trägt und einen Ausgleich zahlt.

[1] So Eisele, in: Rössler/Troll, BewG, § 15 Rn 10.

B. Tatbestand

I. Jahreswert

 

Rz. 4

Jahreswert ist der in Geldeinheiten ausgedrückte Wert der Nutzungen und Leistungen, die für die Dauer eines Jahres anfallen. Wann sie anfallen, ob zu Beginn oder erst am Ende oder während des Jahres, ist unerheblich. Auch Nutzungen und Leistungen mit unterjähriger Laufzeit haben einen Jahreswert;[2] die verkürzte Laufzeit wird bei der Kapitalisierung berücksichtigt.

II. Nutzung einer Geldsumme

 

Rz. 5

Nach § 15 Abs. 1 BewG entspricht der Jahreswert der Nutzung einem fiktiven Zinsertrag. Er wird mit einem Zinssatz von 5,5 % berechnet, wenn kein anderer Wert feststeht. Der Zinssatz wird damit gerechtfertigt, er habe sich als mittlerer Wert bewährt und berücksichtige die üblichen Schwankungen des Zinsniveaus am Kapitalmarkt.[3] Dass er trotz der langjährigen Niedrigzinsphase noch verfassungsmäßig ist, wird von den Finanzgerichten bislang bejaht.[4]

 

Rz. 6

Der Jahreswert beruht auf einer einfachen Verzinsung der Geldsumme. Maßgebend sind die Höhe der Geldsumme und der Gesamtzeitraum der Nutzung.

 

Beispiel

A leiht seinem Freund 20.000 EUR auf vier Jahre. Der Jahreswert wird für jedes Jahr mit 5,5 % von 20.000 EUR gleich 1.100 EUR angenommen.

 

Rz. 7

Diese Berechnung beruht auf der Annahme, dass die Geldsumme am Ende der Laufzeit in einem Betrag zurückgezahlt werden muss. Wird sie in Raten getilgt, muss der Wert für jedes Jahr nach dem Restkapital zu Beginn einer jeden Zinsperiode berechnet werden.

 

Beispiel

Das Darlehen von 20.000 EUR wird in Teilbeträgen von je 5.000 EUR, fällig zum Ende eines jeden Jahres, getilgt. Der erste Jahreswert beträgt 1.100 EUR, der zweite 825 EUR, der dritte 550 EUR und der vierte 275 EUR.

 

Rz. 8

Der Zinssatz von 5,5 % ist für die Bewertung der Nutzung nicht zwingend vorgegeben. Steht ein anderer Wert fest, ist er der Kapitalisierung zugrunde zu legen, wobei es nicht darauf ankommt, ob er nach oben oder nach unten abweicht. Letztendlich entscheidend ist also der gemeine Wert (§ 9 BewG) der Nutzung.

 

Rz. 9

Vergleichsmaßstab ist nicht der von den Parteien vereinbarte, sondern der marktübliche Zinssatz, der bei der Gewährung oder Aufnahme eines Darlehens zu – abgesehen von der Zinslosigkeit – vergleichbaren Bedingungen zu entrichten gewesen wäre.[5] Auch die Finanzverwaltung[6] geht davon aus, dass der marktübliche Zinssatz für ein bei einem Kreditinstitut aufgenommenes und nach Höhe, Besicherung, Laufzeit und Kündbarkeit gleichartiges Darlehen den Vergleichsmaßstab bildet. Bei einem unverzinslichen Darlehen wird der Wert der Nutzung nach dem Zinssatz berechnet, der der Differenz zwischen dem gesetzlichen Zinssatz von 5,5 % und dem Marktzinssatz entspricht. Bei einem niedrig verzinslichen Darlehen wird die Differenz zwischen dem marktüblichen und dem vereinbarten Zinssatz genommen;[7] unterschreitet der vereinbarte Zins den marktüblichen Zins nur unwesentlich, liegt ein steuerbarer Nutzungsvorteil nicht vor.[8]

[4] FG München v. 25.2.2016 – 4 K 1984/14, EFG 2016, 728 m. Anm. Welzel für das Jahr 2008. Ebenso FG Köln v. 29.9.2020 – 7 K 2593/19, juris (für das Jahr 2018), u.a. mit der Erwägu...

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