Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung des kapitalisierten Nutzungsvorteils mit einem Zinssatz i.H.v. 5,5 % aufgrund eines unverzinslichen Darlehens

 

Leitsatz (redaktionell)

1. In der Gewährung eines zinslosen oder (zu) niedrig verzinslichen Darlehens liegt bei Fehlen einer sonstigen Gegenleistung eine freigebige Zuwendung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Der schenkungsteuerrechtliche Wert dieser Zuwendung bestimmt sich durch den kapitalisierten Nutzungsvorteil (Anschluss an BFH-Rechtsprechung).

2. Der Jahreswert der Nutzung einer Geldsumme ist gemäß § 12 Abs. 1 ErbStG I.V.m. § 15 Abs. 1 BewG mit einem Anteil von 5,5 % des Geldbetrages anzunehmen, soweit kein anderer Wert feststeht. Gegen diesen gesetzlichen Regelzinssatz bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass gegen die Höhe des Zinssatzes von 6 % gemäß § 238 AO schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, denn anders als im Rahmen von § 238 Abs. 1 AO hat der Steuerpflichtige bei Anwendung von § 15 Abs. 1 BewG immer die Möglichkeit, einen niedrigeren Zins nachzuweisen.

 

Normenkette

ErbStG § 12 Abs. 1; BewG § 15 Abs. 1; AO § 238 Abs. 1; ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob bzw. in welcher Höhe der Kläger eine unentgeltliche Zuwendung zu versteuern hat, weil ihm ein unverzinsliches Darlehen gewährt wurde. Streitig ist insbesondere, welcher Zinssatz bei der Ermittlung eines etwaigen Zinsvorteils zu berücksichtigen ist.

Dem Kläger wurde mit Notarvertrag vom 01.03.2018 (Urkundsnummer …/2018, Notar A) von Herrn B ein unverzinsliches Darlehen i.H.v. 300.000 € zur Verfügung gestellt. Das Darlehen war tilgungsfrei. Die Rückzahlung sollte nach Ablauf der Laufzeit von vier Jahren in einer Summe erfolgen (§ 2 des Vertrages). Der Darlehensgeber verzichtete ausdrücklich auf die Stellung jeglicher Sicherheiten (§ 4 Nr. 4 des Vertrages). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Darlehensvertrages verwiesen, der sich in der Akte des Beklagten befindet. Der Kläger und der Darlehensgeber sind nicht miteinander verwandt.

Mit Schenkungsteuerbescheid vom 17.07.2018 auf den 01.03.2018 setzte der Beklagte für eine unentgeltliche Zuwendung in Form eines Zinsvorteils Schenkungsteuer i.H.v. 11.370 € fest. Dabei ermittelte er einen Zinsvorteil i.H.v. 57.900 €. Nach Abzug des persönlichen Freibetrages i.H.v. 20.000 € (§ 16 Abs. 1 ErbStG) verblieb ein steuerpflichtiger Erwerb i.H.v. 37.900 €. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO).

Gegen den Schenkungsteuerbescheid vom 17.07.2018 legte der Kläger mit Schreiben vom 08.08.2018 Einspruch ein. Er machte geltend, dass der bei der Ermittlung des Zinsvorteils angewandte Zinssatz in Höhe von 5,5 % (§ 12 Abs. 3 des Vertrags) den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität erheblich überschreite. Spätestens seit 2015 habe sich ein wesentlich niedrigeres Marktzinsniveau strukturell und nachhaltig verfestigt. (Hinweis auf BFH-Beschluss vom 25.04.2018 IX B 21/18, BStBl II 2018, 415, zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Höhe der Nachzahlungszinsen gemäß § 238 Abs. 1 AO in den Jahren ab 2015 ff.).

Am 05.06.2019 erließ der Beklagte im Rahmen des Einspruchsverfahrens einen geänderten Schenkungsteuerbescheid, in dem er den Zinsvorteil auf 53.262 € herabsetzte. Die festgesetzte Schenkungsteuer betrug nach Berücksichtigung des Freibetrages i.H.v. 20.000 € nunmehr 9.960 €. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde in dem Änderungsbescheid vom 05.06.2019 aufgehoben.

Darüber hinaus hatte der Einspruch des Klägers keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 24.09.2019). Der Beklagte vertrat die Auffassung, dass die verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Nachzahlungszinsen des § 238 Abs. 1 AO auf die Berechnung des Zinsvorteils gemäß § 12 Abs. 3 BewG nicht übertragbar seien.

Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger geltend, dass entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten auch der in § 12 Abs. 3 BewG festgelegte Zinssatz von 5,5 % p.a. wegen Überschreitung des zwischenzeitlich wesentlich geringeren Marktzinsniveaus gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Sinn und Zweck des Bewertungsgesetzes sei die einheitliche Bewertung von Vermögenswerten, die am sogenannten gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel auszurichten sei. Nach der Legaldefinition des § 9 BewG werde der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei seien – außer ungewöhnlichen und persönlichen Verhältnissen – alle Umstände zu berücksichtigen, die den Preis beeinflussten. Diese grundsätzlichen Erwägungen müssten auch für die Bewertung wirtschaftlicher Vorteile gelten, wie sie z.B. einem zinslosen Darlehen innewohnten. Demzufolge sei dieser Vorteil mit seinem „gemeinen Wert” an dem ersparten Zinsaufwand für ein durchschnittlich verzinsliches Darlehen auf dem freien Kapitalmarkt zu ermi...

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