Rz. 3

Die Bewirtschaftungskosten sind nach dem Gesetzeswortlaut pauschal mit Erfahrungssätzen anzusetzen. Nach der Auffassung der Verwaltung (R B 187 Abs. 2 ErbStR 2019) sind die Erfahrungssätze am Markt gemeint. Eine Berücksichtigung die tatsächlich entstandenen Kosten kommt nicht in Betracht. Liegt einem Steuerpflichtigen z.B. eine betriebswirtschaftliche Kalkulation der Miete vor, sind die daraus gewonnenen Erfahrungssätze nach Verwaltungsauffassung nicht relevant, was bedenklich ist. Liegen weder marktbekannte noch vom Gutachterausschuss ermittelte Erfahrungssätze vor, ist von den pauschalierten Bewirtschaftungskosten nach Anlage 23 BewG auszugehen. Entstehen dem Steuerpflichtigen tatsächlich höhere Bewirtschaftungskosten, ist er auf den Nachweis des niedrigeren Verkehrswerts auf seine Kosten für das Gesamtobjekt gem. § 198 BewG angewiesen.

 

Rz. 4

Die neue Fassung des § 187 BewG war aufgrund des BFH-Urteils II R 13/16[2] ergangen, welches sich inhaltlich mit der Anwendung der Liegenschaftszinssätze auseinandersetzt. Beantwortet wird in der neuen Version die Frage, wann die sonstigen für die Wertermittlung erforderlichen Daten der Gutachterausschüsse heranzuziehen sind, m.a.W. für welche Stichtage.

In gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 23.9.2020[3] waren und sind die Urteilsgründe des o.g. Urteils nach Auffassung der Finanzverwaltung über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anwendbar ("Nichtanwendungserlass"). Begründend wird hier angeführt, dass sich aus Sicht der Verwaltung in der Praxis folgendes Problem bezüglich der Aktualität der Daten ergibt. Denn die Daten der Gutachterausschüsse werden zunächst über mehrere Jahre erhoben und gesammelt, dann erst periodisch ausgewertet und schließlich veröffentlicht. Es kann sich bei einer derartigen Vorgehensweise bis zum letzten Schritt der Ermittlung und Veröffentlichung, bei denen der maßgebende Bewertungsstichtag (§§ 11, 9 ErbStG) innerhalb des Zeitraums der ausgewerteten Kauffälle des Gutachterausschusses liegt, u.U. um eine zeitliche Verzögerung von mehreren Jahren handeln. Des Weiteren können sich unterschiedliche Wertansätze ergeben, wenn sich die Auswertungszeiträume der Gutachterausschüsse zeitlich überlappen. Darüber hinaus ist es mit dem Grundsatz der retrograden Wertermittlung unvereinbar, Erkenntnisse aus Daten nach dem Bewertungsstichtag in die Bewertung einzubeziehen.

Die gesetzliche Neuregelung stellt klar, dass die Erfahrungssätze anzusetzen sind, die von den Gutachterausschüssen für den letzten Auswertungszeitraum abgeleitet werden, der vor dem Kalenderjahr endet, in dem der Bewertungsstichtag liegt. Diese haben aber – nach wie vor – Priorität vor den pauschalierten Bewirtschaftungskosten der Anlage 23.

 

Rz. 5

In der in Anlage 23 zum BewG vorhandenen Tabelle werden die pauschalierten Bewirtschaftungskosten in Abhängigkeit von der Grundstücksart und der Restnutzungsdauer angegeben. Fraglich ist, ob die Restnutzungsdauer für die Ermittlung der Bewirtschaftungskosten ebenfalls auf 30 % der wirtschaftlichen Gesamtlebensdauer begrenzt ist oder nicht. Nach den Erbschaftsteuerrichtlinien wäre dies zu bejahen. Nach dem Gesetzeswortlaut wäre auch eine andere Interpretation denkbar.

[3] BStBl I 2020, 120; z.B. Der Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen, 23.9.2020 – S 3304–1/2014–1/2016–13–5, FMNR5b2200020.

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