Gesetzestext

 

Auf einen Vertrag, durch den ein Erbverzicht aufgehoben wird, findet die Vorschrift des § 2348 und in Ansehung des Erblassers auch die Vorschrift des § 2347 Abs. 2 Satz 1 erster Halbsatz, Satz 2 Anwendung.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Diese Norm regelt die vertragliche, also regelmäßig einvernehmliche Aufhebung des Erbverzichts, einschließlich des Pflichtteilsverzichts. Zu anderen Arten der Aufhebung vgl. § 2346 Rdn 44–49 (Anfechtung), Rdn 50–60 (Inhaltskontrolle), Rdn 63 (Rücktritt). Zur Anwendung beim Zuwendungsverzicht vgl. § 2352 Rdn 22.

B. Tatbestand

I. Vertragscharakter

 

Rz. 2

Die Aufhebung des Erbverzichts ist ebenfalls ein abstraktes erbrechtliches Verfügungsgeschäft.

II. Umfang

 

Rz. 3

Auch eine teilweise Aufhebung, bspw. der Wegfall der Beschränkung des Verzichts zugunsten eines Dritten (§ 2350 BGB), ist möglich.

III. Zeitpunkt

 

Rz. 4

Nach fast allgemeiner Ansicht ist die Aufhebung eines Erbverzichts nur bis zum Tod des Erblassers möglich.[1] Die Frage, ob dieser Ausschlussgrund auch für den Pflichtteilsverzicht gilt, wird bejaht, obgleich die Gründe insoweit weniger zwingend sind. Zwar kann ein Pflichtteilsverzicht von dem Erben und den Pflichtteilsberechtigten einvernehmlich ignoriert und dadurch tatsächlich "aufgehoben" werden, sodass eine Aufhebung nicht notwendig erscheint. Durch den Pflichtteilsverzicht werden aber Erbfolge und -quote nicht verändert, sodass dies nicht gegen die Möglichkeit der Aufhebung spricht. Da Schuldner des Pflichtteils der Erbe ist, sollte ihm die einvernehmliche Aufhebung des Verzichtsvertrags zusammen mit dem Pflichtteilsberechtigten möglich sein. Beim Vorversterben des Verzichtenden wird eine Aufhebung mit dessen Erben abgelehnt.[2]

[1] BGHZ 139, 116; BGH NJW 1999, 798; BGH NJW 1998, 3117.
[2] Weidlich, MittBayNot 2015, 193, 198 f.

IV. Gemeinschaftliche Testamente

 

Rz. 5

Fraglich ist, ob die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments auch eine spätere Aufhebung des Verzichts unwirksam werden lassen kann, wenn das Testament auch mit Rücksicht darauf errichtet wurde.[3] Dafür spricht das Schutzbedürfnis für den Erstverstorbenen. Allerdings müsste dazu die Aufhebung als letztwillige Verfügung qualifiziert werden, was dem Charakter des Erbverzichts widerspricht. Zu bevorzugen ist daher eine Lösung über § 2287 BGB.[4]

[3] So Schindler, DNotZ 2004, 824; ders., ZEV 2005, 299.
[4] J. Mayer, ZEV-Report Zivilrecht 2005, 175, 176 f.

C. Rechtsfolgen

I. Form, § 2348

 

Rz. 6

Gemäß dem Verweis auf § 2348 BGB bedarf der Aufhebungsvertrag (nach herrschender Meinung auch das schuldrechtliche Kausalgeschäft) der notariellen Beurkundungen (zu Einzelheiten vgl. § 2348 Rdn 6–9).

Ein erbrechtlicher Aufhebungsvertrag, welcher der durch §§ 2351, 2348 BGB vorgeschriebenen Form ermangelt, ist gem. § 125 BGB nichtig. Unter Umständen kann eine einseitige Aufhebung des Erbverzichts durch den Erblasser als testamentarische Erbeinsetzung des Verzichtenden aufrechterhalten werden.[5] Durch letztwillige Verfügung kann der Erblasser die Wirkungen des Verzichts zwar nicht beseitigen, der Verzichtende wird jedoch testamentarischer Erbe.

[5] Soergel/Damrau, § 2351 Rn 6.

II. Vertretung, § 2347

1. Erblasser

 

Rz. 7

Durch den Verweis auf § 2347 Abs. 2 S. 1 Hs. 1, S. 2 BGB werden von der grundsätzlichen Höchstpersönlichkeit für den Erblasser nur die auch dort erwähnten Ausnahmen gemacht (Vertretung durch den gesetzlichen Vertreter (Eltern, Vormund, Betreuer) bei Geschäftsunfähigen zulässig, vgl. § 2347 BGB).

 

Rz. 8

Auf § 2347 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 BGB, der beschränkt Geschäftsfähige betrifft, wird ausdrücklich nicht verwiesen. Anders als für den Abschluss des Erbverzichtsvertrags bedarf ein beschränkt geschäftsfähiger Erblasser für den Aufhebungsvertrag der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters (§ 107 BGB), weil das Geschäft für ihn nachteilig ist.

2. Verzichtender

 

Rz. 9

Der Verzichtende kann bei einem Vertrag, durch den ein Erbverzicht aufgehoben werden soll, ebenso vertreten werden wie beim Abschluss des Erbverzichtsvertrages und bei sonstigen Rechtsgeschäften unter Lebenden.

Zu beachten ist, dass die reine Aufhebung für den Verzichtenden rechtlich vorteilhaft ist. Handelt der gesetzliche Vertreter für ein geschäftsunfähiges Kind, bedarf er nicht der Zustimmung des Familiengerichts. Der Vertrag kann auch von dem gesetzlichen Vertreter oder einem beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen selbst geschlossen werden, weil er für den Minderjährigen rechtlich vorteilhaft ist (§ 107 BGB). Dies gilt jedenfalls, wenn keine Abfindung zurückgezahlt werden muss.

III. Wirkungen der Aufhebung

1. Auf den Verzicht

 

Rz. 10

Durch den Aufhebungsvertrag gilt der Verzicht als von Beginn an nicht erfolgt.[6] Der Verzichtende ist wieder erb- und pflichtteilsberechtigt.

[6] BGHZ 77 264, 269.

2. Abfindung

 

Rz. 11

Der Aufhebungsvertrag beseitigt grundsätzlich nur die Wirkungen des Erb- oder Pflichtteilsverzichts, nicht jedoch diejenigen des dem Verzicht zugrunde liegenden Kausalgeschäfts. Str. ist, ob eine gezahlte Abfindung gem. § 812 Abs. 1 S. 2 BGB kondiziert werden kann[7] oder eine Rückforderung ausscheidet.[8] Daher empfiehlt es sich, ggf. eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung ausdrücklich in den Aufhebungsvertrag mit aufzunehmen.

[7] So wohl die h.M., wenngleich in BGHZ 77, 264, 270 nicht ausd...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge