Gesetzestext

 

(1)Verzichtet jemand zugunsten eines anderen auf das gesetzliche Erbrecht, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Verzicht nur für den Fall gelten soll, dass der andere Erbe wird.

(2)Verzichtet ein Abkömmling des Erblassers auf das gesetzliche Erbrecht, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Verzicht nur zugunsten der anderen Abkömmlinge und des Ehegatten oder Lebenspartners des Erblassers gelten soll.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

§ 2350 BGB enthält lediglich Auslegungsregeln. Beim Pflichtteilsverzicht gelten diese Zweifelsregelungen nach der allgemeinen Meinung nicht. Die Norm ist also nur beim "echten" Erbverzicht einschlägig. Zur Anwendbarkeit beim Zuwendungsverzicht vgl. § 2352 Rdn 13.

§ 2350 BGB gibt in den beiden Absätzen zwei Regelungen vor, die getrennt voneinander gelten und betrachtet werden können.

B. Tatbestand

I. Abs. 1

1. Jemand

 

Rz. 2

Der Verzichtende muss zumindest potentiell gesetzlicher Erbe sein.

2. Verzicht auf gesetzliches Erbrecht

 

Rz. 3

Es muss sich um einen Verzicht gem. § 2346 BGB handeln und nicht um einen Verzicht auf eine Begünstigung durch letztwillige Verfügung (vgl. dazu § 2352 Rdn 12) und auch nicht um einen Pflichtteilsverzicht.

3. Zugunsten eines anderen

 

Rz. 4

Ist dem Verzichtenden nicht gleichgültig, wer an seiner Stelle Erbe wird, besteht die Möglichkeit, den Erbverzicht zugunsten einer bestimmten Person oder eines bestimmten Personenkreises zu erklären. Der Verzicht steht dann unter einer Bedingung. Der "andere" muss bestimmt oder bestimmbar, aber kein (potentieller) gesetzlicher Erbe sein.

4. Zweifel

 

Rz. 5

Die Auslegungsregeln sind nur anzuwenden, wenn sich aus Wortlaut oder sonstiger Auslegung kein anderer Wille ergibt.

II. Abs. 2

1. Abkömmling, Lebenspartner

 

Rz. 6

Abkömmlinge sind die Kinder, Enkel, Urenkel usw. des Erblassers (vgl. zudem § 2349 Rdn 2). Die Worte "oder Lebenspartner" nach "Ehegatten" wurden mit Wirkung zum 26.11.2015 eingefügt.[1]

[1] Art. 18 Gesetz zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner v. 20.11.2015, BGBl I, 2010.

2. Verzicht auf gesetzliches Erbrecht

 

Rz. 7

Es muss sich um einen Verzicht gem. § 2346 BGB handeln und nicht um einen Verzicht auf eine Begünstigung durch letztwillige Verfügung (vgl. dazu § 2352 Rdn 12) und auch nicht um einen Pflichtteilsverzicht.

3. Zweifel

 

Rz. 8

Im Gegensatz zu den Fällen des Abs. 1 hat sich der Verzichtende hier nicht ausdrücklich mit Begünstigungswillen geäußert. Die Auslegungsregeln sind nur anzuwenden, wenn sich aus Wortlaut oder sonstiger Auslegung der Wille des Verzichtenden nicht ergibt.

C. Rechtsfolgen

I. Abs. 1

1. Bedingungseintritt

 

Rz. 9

Die für den Eintritt der Bedingung erforderliche Erbfolge kann entweder kraft Gesetzes oder aufgrund einer vom Erblasser errichteten Verfügung von Todes wegen erfolgen. Dem Erbverzicht selbst kommt nach der zutreffenden herrschenden Meinung keine unmittelbar das Erbrecht auf den begünstigten Dritten übertragende Wirkung zu.[2]

[2] OLG Hamm MDR 1982, 320; OLG Oldenburg FamRZ 1992, 1226.

2. Gesetzliche Erbfolge

 

Rz. 10

Bleibt es im Übrigen bei der gesetzlichen Erbfolge (errichtet der Erblasser also keine letztwillige Verfügung), kann es zu unklaren Rechtsfolgen kommen: Es kann fraglich sein, an wen die Erbquote des Verzichtenden fällt. Sie kann entweder ungeschmälert dem Begünstigten zufallen, auch wenn diese höher ist, als seine Quote bei gesetzlicher Erbfolge unter Wegfall des Verzichtenden wäre. Bei drei Abkömmlingen würde der Begünstigte damit Erbe zu ⅔ und der Dritte zu ⅓.[3] Oder es wird der Begünstigte nur soweit bessergestellt, wie es bei einem Wegfall des Verzichtenden der Fall wäre. Im Übrigen bliebe der Verzicht wirkungslos. Bei drei Abkömmlingen würde der Begünstigte damit Erbe zu ½, der Dritte zu ⅓ und der Verzichtende zu 1/6.[4] Der zweiten Meinung ist beizutreten, da sie dem Verzicht nicht mehr Wirkung gibt, als er hat. Der Erbverzicht hat eine negative Folge (Wegfall), aber keine positive. Diese muss erst durch letztwillige Verfügung herbeigeführt werden.

[3] Staudinger/Schotten, § 2350 Rn 13; MüKo/Wegerhoff, § 2350 Rn 9; jeweils m.w.N.
[4] MüKo/Wegerhoff, § 2350 Rn 9 m.w.N.

3. Kein Bedingungseintritt

 

Rz. 11

Tritt die Bedingung nicht ein, ist der Verzicht unwirksam. Die Annahme des Verzichts zugunsten eines Dritten durch den Erblasser hat nicht die Wirkung einer bindenden vertraglichen Erbeinsetzung des Begünstigten. Allerdings kann in einem solchen Erbverzicht gem. § 311b Abs. 4 BGB zugleich eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Übertragung des künftigen Erbteils auf den Begünstigten (Vertrag zugunsten Dritter) liegen, wenn der Erblasser keine letztwillige Verfügung errichtet.[5]

[5] Soergel/Damrau, § 2350 Rn 4.

4. Pflichtteilsanspruch bei Unwirksamkeit

 

Rz. 12

Setzt der Erblasser einen Dritten als Erben ein und hat der Verzichtende eine Abfindung erhalten, soll die Geltendmachung des Pflichtteils des Verzichtenden aufgrund der Unwirksamkeit des Erbverzichts rechtsmissbräuchlich sein können. Zutreffend wird aber sein, im Wege der Auslegung ein Ergebnis zu finden. Eine relativ hohe Abfindung kann dafür sprechen, dass der Erblasser in seiner Verfügung frei sein sollte. Sonst bleibt es bei der hier festgelegten Zweifelsregelung.

5. Teilweiser Nichteintritt der Bedingung

 

Rz. 13

Wird die Bedingung nur teilweise erfüllt, ist auch der Verzicht nach zutreffender herrschender Meinung nur teilweise wirksam. Der Verzichtende bleibt also zu dem Teil Erbe, zu dem die Bedingung nicht ei...

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