Gesetzestext

 

Verzichtet ein Abkömmling oder ein Seitenverwandter des Erblassers auf das gesetzliche Erbrecht, so erstreckt sich die Wirkung des Verzichts auf seine Abkömmlinge, sofern nicht ein anderes bestimmt wird.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Die Regelung gilt für den Erbverzicht und den Pflichtteilsverzicht. Zum Zuwendungsverzicht, auf den diese Norm für Erbfälle seit dem 1.1.2010 auch anzuwenden ist, vgl. § 2352 Rdn 14–21.

B. Tatbestand

I. Abkömmling

 

Rz. 2

Der Begriff des Abkömmlings wird im BGB nicht definiert. Die Verwandtschaft wird in § 1589 BGB beschrieben, nach welcher eine Person von der anderen abstammt. Abkömmlinge sind also die Kinder, Enkel, Urenkel usw. des Erblassers bzw. des Verzichtenden. Die rechtliche Abstammung bestimmt sich nach dem jeweiligen Familienrecht (vgl. zudem § 1924 Rdn 4 ff.). Nichteheliche Kinder sind grundsätzlich auch erbberechtigte Abkömmlinge (zu der Problematik von vor dem 1.7.1949 geborenen nichtehelichen Kinder vgl. § 1924 Rdn 5).

II. Seitenverwandter

 

Rz. 3

Diese Verwandten definiert § 1586 S. 2 BGB: "Personen, die nicht in gerader Linie verwandt sind, aber von derselben dritten Person abstammen, sind in der Seitenlinie verwandt."

III. Andere Personen

 

Rz. 4

Bei anderen als den genannten Personen erstreckt sich der Verzicht nicht auf deren Abkömmlinge. Nach inzwischen allgemeiner Meinung kann eine solche Wirkung auch nicht vertraglich erzielt werden.[1] Solange der auf den Pflichtteil Verzichtende lebt, ist aber z.B. das Pflichtteilsrecht der Eltern ausgeschlossen, wenn der Verzichtende ein Kind des Erblassers ist, da er ja nicht weggefallen ist.[2]

[1] Regler, DNotZ 1970, 646; Haegele, BWNotZ 1971, 36, 41.
[2] Lange, ZEV 2015, 69.

C. Rechtsfolgen

I. Grundsatz

 

Rz. 5

Sinn des Erb- und Pflichtteilsverzichtes ist es, dem Erblasser seine vollständige Testierfreiheit wiederzugeben. Wenn Abkömmlinge des Verzichtenden weiter erb- und pflichtteilsberechtigt sein würden, könnte dieses Ziel nicht sicher erreicht werden. Abkömmlinge können erst später geboren werden oder deren Verzicht kann bei Minderjährigkeit problematisch sein. Außerdem würde unter Umständen der verzichtende Stamm bevorzugt, wenn eine Abfindung gezahlt wird.

Dieser Eingriff in das selbstständige Erbrecht eines Dritten wurde unabhängig davon zugelassen, ob eine Abfindung gezahlt wird oder nicht.

Der Verzicht gilt auch für Abkömmlinge, die erst später hinzutreten. Der Ausschluss der Abkömmlinge tritt auch dann ein, wenn der Verzichtende vor dem Erblasser stirbt.

II. Andere Bestimmung

 

Rz. 6

Durch einen entsprechenden Vorbehalt kann diese Rechtsfolge vermieden werden. Die Wirkungen können auch dahin gehend modifiziert werden, dass sich der Verzicht nur auf bestimmte Abkömmlinge erstreckt. Dagegen kann der Verzicht der Eltern oder Großeltern auf das gesetzliche Erbrecht nicht durch Vereinbarung auf deren Abkömmlinge erstreckt werden.[3]

[3] MüKo/Wegerhoff, § 2349 Rn 3.

III. Aufhebung des Verzichts

 

Rz. 7

Wird der Erbverzicht wirksam aufgehoben (§ 2351 BGB), lebt auch das Erbrecht der Abkömmlinge des Verzichtenden wieder auf.

D. Beweislast, Gestaltungshinweise für Zivil- und Steuerrecht

 

Rz. 8

Im Zweifel gilt der Verzicht auch für die Abkömmlinge des Verzichtenden. Etwas anderes muss in dem Verzicht ausdrücklich vereinbart werden. Im Zweifel ist von der Erstreckung gem. § 2349 BGB auszugehen.[4] Trotzdem ist es sinnvoll, in einem Verzicht klarzustellen, dass dieser "für mich und meine Abkömmlinge" gilt, um jegliche Zweifel zu beseitigen und auch durch die mit dem Hinweis verbundene Aufklärung Unstimmigkeiten und Anfechtungsbegehren vorzubeugen.

[4] OLG Koblenz – 10 U 150/11, BeckRS 2012, 9031.

Literaturtipps

Literatur

Baumgärtel, Die Wirkung des Erbverzichts auf Abkömmlinge, DNotZ 1959, 63;

Lange, Der Pflichtteilsanspruch entfernter Berechtigter bei Pflichtteilsverzicht näher Berechtigter, ZEV 2015, 69;

Regler, Erbverzicht von Vorfahren oder Ehegatten mit Wirkung für deren Abkömmlinge?, DNotZ 1970, 646.

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