Gesetzestext

 

(1)1Ein Erbvertrag sowie eine einzelne vertragsmäßige Verfügung kann durch Vertrag von den Personen aufgehoben werden, die den Erbvertrag geschlossen haben. 2Nach dem Tode einer dieser Personen kann die Aufhebung nicht mehr erfolgen.

(2)Der Erblasser kann den Vertrag nur persönlich schließen.

(3)Ist für den anderen Teil ein Betreuer bestellt und wird die Aufhebung vom Aufgabenkreis des Betreuers erfasst, ist die Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich.

(4)Der Vertrag bedarf der in § 2276 für den Erbvertrag vorgeschriebenen Form.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Durch den Erbvertrag sind die Vertragschließenden hinsichtlich ihrer vertragsmäßigen Verfügungen (erbrechtlich) gebunden; möchten sie sich hiervon lösen, um z.B. eine anderweitige Verfügung von Todes wegen treffen zu können, dann können sie den Erbvertrag anfechten, zurücktreten oder eine (auch teilweise) Aufhebung des Erbvertrages vereinbaren.

B. Tatbestand

I. Aufhebungsvertrag

 

Rz. 2

Durch den Aufhebungsvertrag kann der gesamte Erbvertrag, aber auch nur einzelne vertragsmäßige Verfügungen[1] aufgehoben werden, Abs. 1. Der Aufhebungsvertrag kann ausdrücklich als solcher geschlossen werden, er kann aber auch konkludent in dem Abschluss eines neuen Erbvertrages zwischen denselben Vertragsschließenden enthalten sein;[2] der Erbvertrag unter Ehegatten kann auch durch gemeinschaftliches Testament aufgehoben werden, § 2292 BGB. Betrifft die vertragsmäßige Verfügung ein Vermächtnis, eine Auflage oder eine Rechtswahl, dann kann die Aufhebung der entsprechenden Verfügung unter den Voraussetzungen des § 2291 BGB durch Testament aufgehoben werden. Soll die vertragsmäßige Verfügung wiederhergestellt werden, damit eine zwischenzeitliche Verfügung von Todes wegen zugunsten eines Dritten nach § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam bleibt, dann kann der Aufhebungsvertrag wieder aufgehoben werden. Für diese Aufhebung gelten dann aber die (strengeren) §§ 2274 ff. BGB, nicht § 2290 BGB, weil die Aufhebung des Aufhebungsvertrages die erbrechtliche Bindung wiederherstellt und damit wie der Abschluss eines neuen, inhaltsgleichen Erbvertrages wirkt.[3] Der Aufhebungsvertrag lässt die Bindungswirkung auch dann nicht entfallen, wenn er nichtig ist oder wirksam angefochten worden ist.[4] Eine Nichtigkeit nach § 138 BGB ist jedoch nicht schon dann anzunehmen, wenn der Erbvertrag aufgehoben wird, um den Erbteil den Gläubigern des Vertragserben zu entziehen[5] – vgl. § 2338 BGB – oder um die Erbschaft einem Dritten zukommen zu lassen, weil der vertragsmäßig Bedachte vor dem Erbfall keinen Rechtsanspruch auf die Zuwendung hat. Die Anfechtung richtet sich für den Erblasser nach §§ 2281 ff., für den Nächstberufenen nach §§ 2078 ff. BGB.[6] Die entsprechende Anwendung ist wegen der Ähnlichkeit der Rechtslage geboten.[7]

[1] Keller, ZEV 2004, 93 f.; Lehmann, ZErb 2009, 351; MüKo/Musielak, § 2290 Rn 2 m.w.N.
[2] BayObLG FamRZ 1994, 190; OLG Hamm ZEV 2012, 266, 267 m. Anm. Gockel.
[3] Soergel/Wolf, § 2290 Rn 10; Staudinger/Kanzleiter, § 2290 Rn 19.
[4] Zu einer treuwidrigen Berufung auf eine nichtige Erbvertragsaufhebung vgl. OLG Schleswig NJW-RR 2006, 1665.
[5] RG LZ 1919, 435, 436.
[6] Palandt/Weidlich, § 2290 Rn 4; Staudinger/Kanzleiter, § 2290 Rn 20; MüKo/Musielak, § 2290 Rn 9; a.A. Soergel/Wolf, § 2290 Rn 10: auch soweit der Erblasser anficht nach §§ 119 ff. BGB.
[7] Vgl. auch MüKo/Musielak, § 2290 Rn 9.

II. Vertragsparteien

 

Rz. 3

Der Erbvertrag bzw. einzelne vertragsmäßige Verfügungen können nur bei Mitwirkung der Vertragsschließenden aufgehoben werden; ein entsprechender Vertrag mit den Erben eines verstorbenen Vertragspartners ist unzulässig, Abs. 1 S. 1 und 2. Die Mitwirkung eines bedachten Dritten ist nicht erforderlich, da er vor dem Erbfall keine rechtlich gesicherte Anwartschaft hat.[8] Außerdem kann der Erblasser den Aufhebungsvertrag nur persönlich schließen (Abs. 2), auch wenn er unter Betreuung steht (§ 1903 Abs. 2 Nr. 2–4 BGB), nicht dagegen, wenn er geschäftsunfähig ist.[9] Der bloß annehmende Vertragspartner kann sich vertreten lassen; er bedarf jedoch der Zustimmung des Betreuers und der Genehmigung des BetreuungsG, wenn er insoweit unter Betreuung steht. Fehlt die Genehmigung durch das BetreuungsG, dann kann der Vertragspartner, wenn er geschäftsfähig wird, die Zustimmung (§ 108 Abs. 3 BGB) und Genehmigung (§§ 1829 Abs. 3, 1908 BGB) selbst erteilen.

[8] BGHZ 37, 319; mit ihm kommt aber ggf. dennoch ein Verzichtsvertrag in Betracht, vgl. OLG Hamm FGPrax 2012, 69, 70; MüKo/Musielak, § 2290 Rn 5 m.w.N.
[9] Soergel/Wolf, § 2290 Rn 6.

III. Rechtsstellung des Dritten

 

Rz. 4

Die Mitwirkung eines bedachten Dritten ist nicht erforderlich, da er vor dem Erbfall keine rechtlich gesicherte Anwartschaft hat.[10] Mit ihm kann der Erblasser aber einen Erbverzichtsvertrag schließen,[11] § 2352 S. 2 BGB; im Umkehrschluss bedeutet das, dass, wenn der Bedachte der (einzige) Vertragspartner, also "Nicht-Dritter" ist, der Erbverzichtsvertrag wegen Umgehung der strengeren Formvorschriften nicht möglich sein soll.[12] Dritter ist dabei nicht zwangsläufig der am Erbvertrag Unbeteiligte (vgl. auch die Ausführungen zu

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