Gesetzestext

 

Ein Vermächtnis ist unwirksam, wenn der Bedachte zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebt.

A. Tatbestand

I. Unwirksamkeit

 

Rz. 1

Für die Wirksamkeit eines Vermächtnisses ist es nicht erforderlich, dass der Bedachte beim Erbfall bereits lebt (anders beim Erben: § 1923 Abs. 2 BGB Erbfähigkeit), gezeugt oder sonst irgendwie bestimmt ist (§ 2178 BGB). Der Bedachte darf andererseits aber nicht bereits verstorben sein.[1] Da der Vermächtnisanfall (§ 2176 BGB) nicht immer mit dem Erbfall zusammenfällt, findet § 2160 BGB insbesondere dann Anwendung, wenn das Vermächtnis erst später, etwa bei einem Berliner Testament erst beim Tod des längstlebenden Ehegatten, anfällt.[2]

 

Rz. 2

Grundsätzlich entfällt somit nach § 2160 BGB das Vermächtnis, wenn der Bedachte vorverstorben ist. Keine Anwendung findet § 2160 BGB, wenn ein Ersatzvermächtnisnehmer nach § 2190 oder § 2069 BGB durch den Erblasser berufen ist oder es zu einer Anwachsung (§ 2158 BGB) kommt. Eine ausdrückliche Berufung zum Ersatzvermächtnisnehmer ist nicht erforderlich. Eine Ersatzberufung kann sich auch durch eine ergänzende Testamentsauslegung ergeben.[3] Lebt bspw. ein Verwandter zzt. des Erbfalls nicht mehr, kann sich durch Auslegung ergeben, dass dessen Kinder bedacht sind.[4] Ein Nachvermächtnisnehmer erwirbt das Vermächtnis mit dem Tod des ihm vorgehenden Vermächtnisnehmers. Erlebt der Nachvermächtnisnehmer diesen Erbfall nicht, ist das Nachvermächtnis unwirksam.[5]

 

Rz. 3

Im Fall des Vermächtnisses zugunsten einer juristischen Person gilt § 2160 BGB in entsprechender Anwendung.[6] Besteht die bedachte juristische Person im Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr, ist das Vermächtnis unwirksam. Steht allerdings die Förderung eines Zwecks im Vordergrund der Zuwendung – wovon bei der Zuwendung an eine juristische Person i.d.R. auszugehen ist –, ist durch ergänzende Auslegung eine Ersatzberufung in Erwägung zu ziehen.[7]

[1] MüKo/Rudy, § 2160 Rn 1; Staudinger/Otte, § 2160 Rn 1.
[2] MüKo/Rudy, § 2160 Rn 1.
[3] Palandt/Weidlich, § 2084 Rn 8.
[6] MüKo/Rudy, § 2160 Rn 1.
[7] Staudinger/Otte, § 2160 Rn 4; Palandt/Weidlich, § 2160 Rn 1.

II. Weitere Unwirksamkeitsgründe

 

Rz. 4

Neben § 2160 BGB ist ein Vermächtnis unwirksam im Fall des § 2353 BGB (Verzicht auf Zuwendungen), § 2077 BGB (Unwirksamkeit letztwilliger Verfügungen bei Auflösung der Ehe oder Verlobung), §§ 2162, 2163 BGB (dreißigjährige Frist für aufgeschobenes Vermächtnis u. seine Ausnahmen), § 2180 BGB (Ausschlagung), §§ 2078 ff., 2345 BGB (Anfechtung), § 2074 BGB (Tod vor Eintritt einer Bedingung) oder §§ 2171, 2172 BGB (Unmöglichkeit).

B. Rechtsfolgen

 

Rz. 5

Die Unwirksamkeit des Vermächtnisses kommt nicht den gesetzlichen Erben, sondern dem Beschwerten (§ 2147 BGB) zugute.[8] Fällt ein Hauptvermächtnis weg, hat dies nicht auch die Unwirksamkeit des Untervermächtnisses zur Folge. Mit dem Untervermächtnis bleibt nach § 2161 BGB der Erbe beschwert.[9] Fällt ein Untervermächtnis nach § 2160 BGB weg, kommt dies dem Hauptvermächtnisnehmer zugute (§ 2186 BGB).

[8] Staudinger/Otte, § 2160 Rn 3.
[9] MüKo/Rudy, § 2160 Rn 2.

C. Verfahrensfragen und Prozesstaktik

 

Rz. 6

Nur wer den Erblasser überlebt oder erst nach dessen Tode geboren wird, kann Vermächtnisnehmer sein. Sollte auch der Bedachte verstorben sein, tragen dessen Erben die Beweislast dafür, dass der Bedachte im Zeitpunkt des Erbfalls gelebt hat oder erst danach geboren worden ist.[10]

 

Rz. 7

Diese Beweislastverteilung folgt daraus, dass es sich bei dem Überleben oder der nachfolgenden Geburt um Tatsachen handelt, die Wirksamkeitsvoraussetzung für die Vermächtnisanordnung sind. Grundsätzlich sind jedoch die Wirksamkeitsvoraussetzungen von demjenigen zu beweisen, der aus dem Rechtsgeschäft Rechte herleitet.

[10] Baumgärtel/Schmitz, § 2160 Rn 1.

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