Gesetzestext

 

Hat der Erblasser für den Fall, dass der zunächst Bedachte das Vermächtnis nicht erwirbt, den Gegenstand des Vermächtnisses einem anderen zugewendet, so finden die für die Einsetzung eines Ersatzerben geltenden Vorschriften der §§ 2097 bis 2099 entsprechende Anwendung.

A. Allgemeines

I. Sinn und Zweck der Vorschrift

 

Rz. 1

Durch die Anordnung eines Ersatzvermächtnisses kann der Erblasser eine Regelung für den Fall treffen, dass der zunächst Bedachte das Vermächtnis nicht erwirbt. Die Vorschrift ordnet die entsprechende Anwendung der für den Ersatzerben geltenden Vorschriften der §§ 20972099 BGB an.

II. Systematische Einordnung

 

Rz. 2

Die Bestimmung eines Ersatzvermächtnisnehmers ist von der eines Nachvermächtnisnehmers (§ 2191 BGB) abzugrenzen. Die Vorschrift des § 2191 BGB greift nur in den Fällen, in denen zunächst ein anderer Vermächtnisnehmer geworden war. Der Erblasser kann selbstverständlich aber auch für den Nachvermächtnisnehmer einen Ersatzvermächtnisnehmer bestimmen.

B. Tatbestand

I. Grundsätzliches

 

Rz. 3

Voraussetzung ist die Anordnung eines Ersatzvermächtnisses durch den Erblasser. Dies kann ausdrücklich erfolgen oder aber auch stillschweigend gem. § 2069 BGB.[1] Nach der Auslegungsregel des § 2069 BGB wird vermutet, dass, wenn der zunächst bedachte Abkömmling des Erblassers nach der Testamentserrichtung wegfällt, dessen Abkömmlinge zu Ersatzvermächtnisnehmern berufen sein sollen.[2] Fraglich ist, ob Ersatzerbenberufungen nach § 2069 BGB bindend i.S.v. § 2270 Abs. 2 BGB sein können. Der BGH hat entschieden, dass, fällt der in einem Ehegattentestament eingesetzte Schlusserbe weg, § 2270 Abs. 2 BGB auf den Ersatzerben nur anwendbar ist, wenn sich Anhaltspunkte für einen auf dessen Einsetzung gerichteten Willen der testierenden Eheleute feststellen lassen und die Erbeinsetzung nicht allein auf § 2069 BGB beruht. Es kommt insoweit nicht zu einer Ersatzberufung durch die kumulative Anwendung der Auslegungsregeln der §§ 2069 und 2270 Abs. 2 BGB.[3] Im Einzelfall kann aber auch über die Regel des § 2069 BGB hinaus durch Auslegung eine Berufung zum Ersatzvermächtnisnehmer anzunehmen sein.[4]

 

Rz. 4

Über die Bestimmung des § 2191 Abs. 2 BGB i.V.m. § 2102 Abs. 1 BGB stellt die Einsetzung eines Nachvermächtnisnehmers im Zweifel auch die Einsetzung eines Ersatzvermächtnisnehmers[5] dar.

 

Rz. 5

Die Vorschrift ist nur einschlägig, wenn der zunächst Bedachte das Vermächtnis nicht erwirbt, d.h. es ihm nicht anfällt. Dies ist in folgenden Fällen der Fall: Vorversterben des Bedachten (§ 2160 BGB), Vermächtnisunwürdigkeit (§ 2345 BGB), Ausschlagung durch den zunächst Bedachten (§ 2180 BGB) bspw. im Fall der Insolvenz nach § 83 Abs. 1 InsO, Verzicht (§ 2352 BGB), Nichterleben einer aufschiebenden Bedingung (§ 2074 BGB), Ausfall einer aufschiebenden Bedingung, Nichtigkeit der Vermächtnisanordnung, Anfechtung des Testaments (§ 2078 BGB), Eintritt einer auflösenden Bedingung oder eines Endtermins, Nichtigkeit des Vermächtnisses.

[1] BGH v. 23.10.1957 – IV ZR 193/57, NJW 1958, 22–23.
[2] Staudinger/Otte, § 2190 Rn 5.
[5] Staudinger/Otte, § 2190 Rn 5.

II. Anfall des Ersatzvermächtnisses

 

Rz. 6

Auch für den Anfall des Ersatzvermächtnisses gelten die allg. Bestimmungen für den Anfall eines Vermächtnisses. Das bedeutet, der Ersatzvermächtnisnehmer darf nicht vorverstorben sein. Andererseits ist es nicht erforderlich, dass der Ersatzvermächtnisnehmer bereits lebt oder gezeugt ist (§ 2178 BGB).[6] Grundsätzlich ist es nicht erforderlich, dass der Ersatzvermächtnisnehmer den Zeitpunkt erlebt, in dem das Vermächtnis dem zunächst Bedachten anfällt. Wurde allerdings das Vermächtnis unter derselben aufschiebenden Bedingung dem Vermächtnisnehmer bzw. Ersatzvermächtnisnehmer zugewendet, ist die Ersatzberufung unwirksam, wenn der Ersatzvermächtnisnehmer vor dem Zeitpunkt verstorben ist und die Anwartschaft auf das Vermächtnis nicht vererblich war.[7] Da das Ersatzvermächtnis im Falle des Wegfalls des zunächst Bedachten nicht mit dem Erbfall anfallen muss, fällt es – wenn der zunächst Bedachte unter einer aufschiebenden Bedingung eingesetzt war und diese ausfällt – auch bei dem Ersatzvermächtnisnehmer unter der aufschiebenden Bedingung an; d.h., es fällt durch den Ausfall der Bedingung für den ersten Vermächtnisnehmer an.[8]

[6] Staudinger/Otte, § 2190 Rn 3.
[7] Staudinger/Otte, § 2190 Rn 4, § 2180 Rn 5, § 2179 Rn 7 f.
[8] Staudinger/Otte, § 2190 Rn 4.

III. Bestimmung des Ersatzvermächtnisnehmers

 

Rz. 7

Der Ersatzvermächtnisnehmer ist durch den Erblasser zu bestimmen. Jede Person – auch die noch nicht gezeugte oder juristische Person (§ 2178 BGB) – kann zum Ersatzvermächtnisnehmer berufen werden. Dabei muss der zum Ersatzvermächtnisnehmer Berufene nur den Erbfall erleben, nicht aber auch den Wegfall des zunächst bedachten Vermächtnisnehmers (§ 2160 BGB).[9] Fehlt eine eindeutige Bestimmung des Ersatzvermächtnisnehmers, sind die gesetzlichen Auslegungs- und Ergänzungsregeln zu beachten: Nach § 2069 BGB können im Zweifel die Abkömmlinge des zunäch...

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