Gesetzestext

 

1Der Vorerbe hat im Verhältnis zu dem Nacherben nicht die außerordentlichen Lasten zu tragen, die als auf den Stammwert der Erbschaftsgegenstände gelegt anzusehen sind. 2Auf diese Lasten findet die Vorschrift des § 2124 Abs. 2 Anwendung.

A. Zweck und Anwendungsbereich

 

Rz. 1

Die Vorschrift präzisiert die in § 2124 Abs. 1 BGB vorgegebene Lastenverteilung zwischen Vor- und Nacherben. Da dem Vorerben die Nutzungen des Nachlasses gebühren, hat er auch die gewöhnlichen Kosten und Lasten zu tragen, während die außerordentlichen Lasten, soweit sie "als auf den Stammwert der Erbschaftsgegenstände gelegt anzusehen sind", den Nacherben treffen, dem letztlich die Substanz der Erbschaft zufällt. Außerordentliche Lasten sind diejenigen Leistungspflichten, die den Eigentümer, Besitzer oder Rechtsinhaber als solchen treffen.[1] Charakteristikum derartiger Lasten ist, dass sie grundsätzlich einmalig anfallen.[2] Auf den Stammwert gelegt ist eine Last, wenn sie nicht aus den Erträgen, sondern aus der Substanz zu leisten ist.[3] Die Vorschrift ist auch dann anzuwenden, wenn der Vorerbe befreit ist, und zwar unabhängig davon, ob der Vorerbe den Nachlass ungeschmälert an den Nacherben weitergegeben oder diesen – teilweise – für sich verbraucht hat.[4]

[2] BGH NJW 1956, 1070; BGH NJW 1980, 2465.
[3] BGH ZEV 2005, 425, 426.

B. Einzelfälle

I. Privatrechtliche Lasten

 

Rz. 2

Außerordentliche Lasten können privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur sein. Zu den privatrechtlichen Lasten zählen: (1) die meisten Nachlassverbindlichkeiten, darunter vor allem Erblasserschulden; (2) Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen und Auflagen – soweit sich nicht aus der letztwilligen Verfügung ergibt, dass allein der Vorerbe belastet sein soll;[5] (3) Pflichtteilsansprüche; (4) die aus den gesetzlichen Vermächtnissen der §§ 1963, 1969 BGB folgenden Verpflichtungen; (5) die Beerdigungskosten,[6] Kosten der Todeserklärung, der Testamentseröffnung und der gerichtlichen Nachlassfürsorge; (6) die nach § 1371 Abs. 4 BGB zu gewährenden Mittel für eine angemessene Ausbildung; (7) die Gebühren eines Nachlasspflegers oder Testamentsvollstreckers. Weitere auf den Stammwert von Nachlassgegenständen gelegte privatrechtliche Lasten sind die während der Vorerbschaft fällig werdenden Kapitalien oder Kapitalwerte von Hypotheken, Grundschulden und Reallasten; deren Rückzahlung oder Ablösung kann aus der Substanz bestritten werden, anfallende Zinsen oder die einzelnen Leistungen aus einer Rentenschuld (§ 1199 BGB) sind jedoch gem. § 2124 Abs. 1 BGB vom Vorerben zu tragen.[7] (Zu den Besonderheiten bei einer Tilgungshypothek siehe § 2124 Rdn 4).

[5] Vgl. RG Recht 1909 Nr. 694.
[6] Hierzu näher Woitkewitsch, MDR 2010, 57.
[7] MüKo/Grunsky, § 2126 Rn 3.

II. Öffentlich-rechtliche Lasten

 

Rz. 3

Öffentlich-rechtliche Lasten sind z.B. Erschließungsbeiträge oder Straßenanliegerbeiträge, auch wenn für sie Ratenzahlung vorgesehen ist. Ferner gehören dazu kraft ausdrücklicher Regelung in § 20 Abs. 4 ErbStG die Erbschaftsteuer[8] sowie – im Hinblick auf die Bemessung nach dem Wert der Sache und nicht der Nutzungen – die nach den §§ 16, 17 EStG auf die Veräußerung von Gewerbebetrieben bzw. Mitunternehmeranteilen und wesentlichen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften anfallenden Einkommensteuern.[9] Laufende Steuern, wie die Grundsteuer, die Kfz-Steuer oder die Gewerbesteuer, sind indessen als gewöhnliche Lasten vom Vorerben zu tragen.[10]

[8] Wird sie erst nach Eintritt des Nacherbfalls festgesetzt, hat der Nacherbe den Vorerben (bzw. dessen Erben) freizustellen, LG Bonn ZEV 2012, 321.
[9] BGH MDR 1968, 566; BGH NJW 1980, 2465.
[10] MüKo/Grunsky, § 2126 Rn 5.

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