Rz. 47

Der Erblasser geht davon aus, dass die bedachte Person, bei der es sich um einen Prinzen aus ehemals regierendem Hause handelt, nur eine ebenbürtige Ehe eingehen wird;[129] der Erblasser geht davon aus, dass sich der Bedachte als Vertragserbe vertragsgemäß verhalten werde;[130] der Erblasser hat die Vorstellung, dass die bedachte Person nicht die Ursache für die Ehezerrüttung geben wird;[131] die Erblasserin, die nationalsozialistisch eingestellt ist, ist nicht in der Lage, der politischen Haltung der übergangenen, gesetzlichen Erbin, zuzustimmen, da diese gegen den Nationalsozialismus eingestellt ist;[132] der Erblasser geht selbstverständlich davon aus, dass die Vermächtnisnehmerin nicht versuchen wird, der zur Erbin berufenen Person, welche mit dem Vermächtnis beschwert ist, das Leben zu nehmen;[133] der Erblasser hat die selbstverständliche Vorstellung, dass der Bedachte nicht durch grobe Fahrlässigkeit bei einer Trunkenheitsfahrt den Tod der Erblasserin verursachen wird;[134] der Erblasser geht wie selbstverständlich davon aus, dass sich die Währungs- und Wirtschaftsverhältnisse nicht grundlegend ändern würden;[135] der Erblasser geht unbewusst davon aus, dass der Bedachte nicht aufgrund einer Sektenzugehörigkeit den Nachlass einer vernünftigen Verwendung entziehen wird;[136] der Erblasser geht davon aus, seine Ehe werde harmonisch verlaufen,[137] es werde nicht zu einem Scheidungsverfahren kommen,[138] eine nichteheliche Lebensgemeinschaft werde auch in Zukunft fortbestehen,[139] künftige Unstimmigkeiten zwischen dem Erblasser und dem Bedachten würden ausbleiben,[140] der Erblasser hat nicht mit einer späteren Streitschlichtung gerechnet.[141] Das Vorliegen einer selbstverständlichen Vorstellung wurde angenommen, wenn der Erblasser davon ausgeht, dass nach Abschluss eines Erbvertrages zwischen den Parteien ein gewisses Maß an gegenseitiger Achtung und Rücksichtnahme gewahrt werden würde.[142]

[129] RG WarnR 1931 Nr. 50.
[130] BGHZ 4, 91, 94 f.; ähnlich BGH LM § 2078 Nr. 8 = NJW 1963, 246.
[131] BGH LM § 2078 Nr. 3.
[132] BGH LM § 2078 Nr. 4.
[133] BGH FamRZ 1962, 256.
[134] BGH WM 1971, 1153.
[135] RG LZ 1923, 603; anders aber, wenn der Erblasser schon mit einer solchen wesentlichen Änderung rechnete, AG Hohenwestedt SchlHA 1949, 121.
[136] OLG München NJW 1983, 2577.
[137] OLG Köln OLGZ 1970, 114, 116; BayObLG FamRZ 1983, 1275, 1277; BayObLGZ 2003, 210, 214 = FamRZ 2004, 1068 (im konkreten Fall verneint; allg. mit Recht für strenge Beweisanforderungen); verneinend auch OLG München NJW 2013, 3732, 3734 (weil Scheitern der Ehe vom Erblasser schon bei Errichtung der Verfügung für möglich gehalten und inhaltlich berücksichtigt wurde); OLG Karlsruhe ErbR 2014, 35 Rn 31 (weil Erblasser bei Trennung keine Scheidung beantragte und erst zehn Jahre danach die Erbeinsetzung des Ehegatten – formungültig – widerrief).
[138] OLG Hamm BeckRS 2004, 30342322.
[139] OLG Celle ZEV 2003, 328, 329 (Leipold) = NJW-RR 2003, 1304 (im konkreten Fall die Anfechtbarkeit verneinend).
[140] BGH LM § 2078 Nr. 8 = NJW 1963, 246; siehe auch BGH FamRZ 1983, 898 (Erwartung fortdauernder enger Verbundenheit); BayObLG FamRZ 2000, 1053 (Erwartung der Fortdauer des Vertrauensverhältnisses).
[141] OLG Köln FamRZ 1990, 1038.
[142] OLG Hamm ZEV 1994, 109.

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