Entscheidungsstichwort (Thema)

Testamentsanfechtung

 

Leitsatz (amtlich)

Es können auch allgemeine Vorstellungen oder Erwartungen über die künftige Entwicklung, die der Erblasser seiner Verfügung als selbstverständlich zugrunde gelegt hat, einen Umstand darstellen, dessen irrige Annahme zur Anfechtung gem. § 2078 Abs. 2 BGB berechtigen kann.

 

Normenkette

BGB § 2078 Abs. 2, § 2281 Abs. 1, § 2282 Abs. 3, § 2283 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 13.09.1999; Aktenzeichen 16 T 7813/97)

AG München (Aktenzeichen 64 VI 7525/96)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 13. September 1999 wird zurückgewiesen.

II. Der Beteiligte zu 2 hat dem Beteiligten zu 1 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 160.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die 1996 im Alter von 97 Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet. Der Beteiligte zu 1 ist ihr einziges, 1917 geborenes Kind. Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus Bankguthaben im Wert von ca. 50.000 DM, beweglicher Habe im Wert von ca. 20.000 DM und Forderungen über zusammen ca. 270.000 DM.

Nach dem Tod ihres Lebensgefährten am 4.4.1980 wurde die Erblasserin von dem Beteiligten zu 2, ihrem Hausarzt, betreut. Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob und inwieweit dies auf ihren Wunsch geschah. Unter anderem war der Beteiligte zu 2 der Erblasserin behilflich, im Juni 1980 deren Hausgrundstück zu veräußern und durch Vertrag vom 7.10.1980 eine Eigentumswohnung zu erwerben, die die Erblasserin ab Anfang 1981 bis zu ihrem Tod bewohnte. Diese Wohnung liegt in einem Haus, das der Beteiligte zu 2 Anfang der 70-iger Jahre selbst hatte errichten lassen. Er bewohnt darin zusammen mit seiner Ehefrau eine Eigentumswohnung im Dachgeschoß, die nunmehr seiner Ehefrau gehört.

Am 5.9.1980 schloß die damals fast 82 Jahre alte Erblasserin mit dem Beteiligten zu 2 einen Erbvertrag, in dem sie den Beteiligten zu 2, ersatzweise dessen Ehefrau vertragsmäßig bindend zu ihren Erben einsetzte. Außerdem ordnete sie verschiedene Vermächtnisse an.

1987 kam es zwischen der Erblasserin und der Hausverwaltung zu Unstimmigkeiten, die darin gründeten, daß die Erblasserin als Wohnungseigentümerin an die Eigentümergemeinschaft einen Beitrag zu einer Dachsanierung bezahlen sollte, den ihrer Auffassung nach der Beteiligte zu 2 hätte tragen müssen. Dies führte auch zu Mißstimmungen im Verhältnis der Erblasserin zu dem Beteiligten zu 2. Ende 1988 teilte der Beteiligte zu 2 den übrigen Wohnungseigentümern mit, daß er ab Anfang Januar 1989 seine bis dahin in einem anderen Haus befindliche Arztpraxis in der Eigentumswohnung seiner Ehefrau weiterbetreiben werde. Die Erblasserin widersprach dem Praxisbetrieb und leitete zusammen mit anderen Wohnungseigentümern im Februar 1989 beim Amtsgericht gegen die Ehefrau des Beteiligten zu 2 ein Verfahren auf Unterlassung der Nutzung als Praxis ein, das in der Beschwerdeinstanz durch einen Vergleich beendet wurde. In der Folgezeit waren wegen dieser Praxisnutzung verschiedene weitere Gerichtsverfahren anhängig. Im Jahr 1990 übertrug die Erblasserin ihre Eigentumswohnung auf den Beteiligten zu 1.

Nachdem es zu den Auseinandersetzungen mit dem Beteiligten zu 2 gekommen war, erklärte die Erblasserin zu notarieller Urkunde vom 24.7.1989, sie habe dem Beteiligten zu 2 im Jahr 1980 in einem privatschriftlichen Testament einen Geldbetrag von 100.000 DM zugewandt gegen das Versprechen, daß dieser sie bis an ihr Lebensende unentgeltlich behandeln werde. Später sei es aus ihr nicht mehr erinnerlichen Umständen zum Abschluß des Erbvertrags vom 5.9.1980 gekommen. Sie halte die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 2 und die Ersatzerbeinsetzung von dessen Ehefrau in diesem Vertrag für einen Verstoß gegen die guten Sitten und für nichtig. Vorsorglich trete sie gemäß § 2295 BGB vom Vertrag zurück. Nochmals vorsorglich fechte sie die Erbeinsetzung in diesem Vertrag „gemäß § 2281 i.V.m. § 2078 BGB in vollem Umfang an”, da sie „zu der Verfügung durch die irrige Annahme und Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts bestimmter Umstände (Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Beteiligten zu 2 und mir) bestimmt worden” sei. Eine Ausfertigung dieser Urkunde wurde dem Beteiligten zu 2 am 27.7.1989 zugestellt. Bereits am 24.7.1989 hatte die Erblasserin ein notarielles Testament errichtet, in dem sie alle von ihr bis dahin getroffenen Verfügungen von Todes wegen aufhob, den Beteiligten zu 1 zum Alleinerben einsetzte, verschiedene Vermächtnisse sowie Testamentsvollstreckung anordnete und einen Bekannten zum Testamentsvollstrecker berief. Dieser hat das Amt angenommen. Ein Testamentsvollstreckerzeugnis liegt nicht vor.

Der Beteiligte zu 1 hält die Verfügungen zugunsten des Beteiligten zu 2 in dem Erbvertrag vom 5.9.1980 für sittenwidrig, hilfsweise wegen Rücktritts oder Anfechtung für unwirksam. Er hat daher einen Erbschein als Allei...

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