Gesetzestext

 

(1)1Eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, ist unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tode des Erblassers aufgelöst worden ist. 2Der Auflösung der Ehe steht es gleich, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte. 3Das Gleiche gilt, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes berechtigt war, die Aufhebung der Ehe zu beantragen, und den Antrag gestellt hatte.

(2)Eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Verlobten bedacht hat, ist unwirksam, wenn das Verlöbnis vor dem Tod des Erblassers aufgelöst worden ist.

(3)Die Verfügung ist nicht unwirksam, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser sie auch für einen solchen Fall getroffen haben würde.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Dem Erblasser kommt es i.d.R. bei Abfassung seiner letztwilligen Verfügung auf die familienrechtliche Bindung an. Diesem Umstand trägt § 2077 BGB Rechnung. Hierbei handelt es sich nicht um eine so starre Regelung wie bei der gesetzlichen Erbfolge gem. § 1933 BGB. Sind dessen Voraussetzungen erfüllt, führt dies endgültig und ausnahmslos zum Wegfall des Ehegattenerbrechts.

Allerdings ist umstritten, wie die Regelung des § 2077 BGB zu qualifizieren ist. Nach h.A. handelt es sich um eine Auslegungsregel, und zwar um eine Regel der ergänzenden Testamentsauslegung. Dies wird dem Abs. 3 der Vorschrift entnommen.[1] Nach a.A. liegt ein "ergänzender"[2] oder "dispositiver" Rechtssatz vor.[3] Es gehe nämlich nicht um die Klarstellung einer mehrdeutigen Erklärung. Nach weiterer Ansicht handele es sich um einen Fall nachträglicher Mehrdeutigkeit, welcher dahingehend zu lösen sei, dass der sich nach Errichtung des Testaments gebildete Erblasserwille zu berücksichtigen sei.[4] Der h.M., wonach bei § 2077 BGB von einer Auslegungsregel auszugehen ist, ist zu folgen, da der Erblasser im allg. seinen Ehegatten nicht bedacht hätte, wenn er damit gerechnet hätte, dass die Ehe scheitert. Mit Abs. 3 wird eindeutig auf den Willen des Erblassers bei Testamentserrichtung abgestellt und nicht auf einen nachträglich, d.h. nach Scheidung oder Auflösung der Ehe, vom Erblasser gebildeten Willen.

Um Streitigkeiten im Nachhinein zu vermeiden, sollten daher im Testament oder Erbvertrag ausdrückliche Regelungen eine etwaige Ehescheidung betreffend getroffen werden.[5] Es besteht die Möglichkeit, in einem Erbvertrag zu vereinbaren, dass bereits bei Einreichung eines Scheidungsantrages und unabhängig von dessen Begründetheit die Zuwendungen durch den Ehegatten unwirksam werden.[6] Die Vorschrift des § 2077 BGB steht selbstständig neben einer Anfechtbarkeit gem. § 2078 Abs. 2 BGB. Handelt es sich um eine Ehekrise, bei der die Voraussetzungen von Abs. 1 S. 2 noch nicht vorgelegen haben bzw. nicht feststellbar sind, kommt eine Anfechtung in Betracht.[7]

§ 2077 BGB ist nur auf solche Verfügungen anwendbar, die nach der Eheschließung getroffen wurden, nicht hingegen auf solche vor Eheschließung. § 2077 BGB findet auch dann keine Anwendung, wenn Verfügungen in Erwartung einer künftigen Eheschließung getroffen worden sind.[8]

[2] v. Lübtow, Erbrecht I, S. 293.
[3] BayObLG FamRZ 1996, 760, 761; BayObLG NJW-RR 1997, 7, 8; Muscheler, DNotZ 1994, 733, 736.
[4] Foer, AcP 153, 492, 493 f.; MüKo/Leipold, § 2077 Rn 2 m.w.N.
[5] J. Mayer, ZEV 1997, 280 mit Formulierungsvorschlägen; Schramm, NZFam 2016, 455.
[6] OLG München BeckRS 2016, 07221 Rn 15.
[7] OLG Hamm BeckRS 2004, 30342322.
[8] MüKo/Leipold, § 2077 Rn 7; Staudinger/Otte, § 2077 Rn 11; Soergel/Loritz, § 2077 Rn 14; offengelassen von OLG Frankfurt BeckRS 2016, 06193 Rn 13; OLG Frankfurt BeckRS 2016, 09184 Rn 21; vgl. auch Gutachten DNotI-Report 2018, 57.

B. Tatbestand

I. Unwirksamkeit letztwilliger Verfügungen, die der Erblasser zugunsten seines Ehegatten verfügt hat

1. Ehe darf nicht mehr bestehen

 

Rz. 2

Die Wirksamkeit der letztwilligen Verfügungen zugunsten des Ehegatten ist davon abhängig, ob die Ehe im Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch besteht, es sei denn, der Erblasser hätte die Verfügung auch für den Fall des Nichtbestehens getroffen (Abs. 3). Der Ehegatte muss in der letztwilligen Verfügung nicht ausdrücklich als solcher bezeichnet sein. Unter Abs. 1 fallen auch solche Fälle, in denen der Erblasser ein Testament errichtet und Verfügungen zugunsten einer Person trifft, mit der er verlobt ist, die er jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt heiratet. War er jedoch bei Testamentserrichtung nicht einmal verlobt, gilt § 2077 BGB nicht, da die familienrechtliche Bindung im Vordergrund steht und dieser Zusammenhang in dem vorgenannten Fall fehlt.[9] Für den Fall, dass eine Verfügung von Todes wegen errichtet wurde, und zwar in Erwartung der späteren Eheschließung sowie des Fortbestandes der geschlossenen Ehe, kommt allenfalls eine Anfechtung gem. § 2078 Abs. 2 BGB in Betracht. Die Anwendbarkeit von § 2077 BGB scheidet aus.

 

Rz. 3

Die letztwillige Verfügung ist in allen Fällen des Nichtbestehens d...

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