Entscheidungsstichwort (Thema)

Testamentsauslegung

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei der Vorschrift des § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Senats und der herrschenden Meinung um eine dispositive Auslegungsregel, so daß bei Fehlen einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung im Hinblick auf § 2077 Abs. 3 BGB durch Auslegung zu ermitteln ist, ob die Verfügung auch für den Fall einer späteren Scheidung Gültigkeit behalten sollte.

 

Normenkette

BGB § 2077 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Traunstein (Beschluss vom 17.01.1996; Aktenzeichen 4 T 2525/95)

AG Altötting (Aktenzeichen VI 77/95)

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des Landgerichts Traunstein vom 17. Januar 1996 aufgehoben, soweit die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen die Ablehnung seines Erbscheinsantrags zurückgewiesen und über die Verfahrenskosten entschieden worden ist.

 

Tatbestand

I.

Der Erblasser war einmal verheiratet. Die Ehe ist geschieden. Aus ihr stammt der Beteiligte zu 1, weitere Abkömmlinge des Erblassers sind nicht vorhanden. Die Beteiligte zu 2 ist die voreheliche Tochter der Ehefrau aus einer anderen Beziehung. Das Ehepaar hat ihr seinen Ehenamen erteilt.

Der Erblasser hatte von seinen Eltern ein landwirtschaftliches Anwesen übernommen. Daraufhin schlossen die Eheleute am 29.2.1980 einen Ehe- und Erbvertrag. In Nr. 2 des Vertrages haben sie Gütergemeinschaft vereinbart und ihr gesamtes Vermögen zum Gesamtgut erklärt. In Nr. 3 des Vertrages haben sie folgendes bestimmt:

3. Im Wege des Erbvertrages vereinbaren wir:

3.1 Stirbt eines von uns, so soll der überlebende Ehegatte der alleinige und ausschließliche Erbe des Erstverstorbenen sein.

3.2 Zu Erben des Längerlebenden von uns beiden bestimmen wir unsere gemeinschaftlichen ehelichen Kinder und das nichteheliche Kind der Ehefrau … (Beteiligte zu 2) zu gleichen Teilen. …

Falls … (Beteiligte zu 2) aufgrund dieser Bestimmung Erbin oder Miterbin würde und das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist sie nur Vorerbin. …

3.3 Vorstehende Verfügungen nehmen wir gegenseitig an. Der Überlebende von uns beiden ist jedoch befugt, die Bestimmung nach Ziffer 3.2 beliebig abzuändern oder aufzuheben. …

Nr. 5 des Vertrages enthält eine Regelung für die Gesamtgutsauseinandersetzung im Fall der Scheidung. Darin wird für den Ehegatten, der durch sein Verhalten allein oder überwiegend das Scheitern der Ehe verursacht hat, das Verlangen auf Wertersatz gemäß § 1478 BGB ausgeschlossen. Für alle anderen Fälle wird der Ehefrau zusätzlich zum Wertersatz für ihr eingebrachtes Vermögen ein nach der Zeitdauer der Ehe und der Mitarbeit der Ehefrau gestufter, auf die Hälfte des Wertes des Gesamtguts beschränkter Geldbetrag zuerkannt, wenn der Ehemann für das von ihm eingebrachte landwirtschaftliche Anwesen Wertersatz verlangen sollte. Der Anspruch der Ehefrau ist gemindert oder ausgeschlossen, wenn die Erfüllung im Hinblick auf ihr Verhalten oder das durch sie verursachte Scheitern der Ehe grob unbillig wäre.

Die Ehe ist am 8.1.1992 geschieden worden. Nach Angaben des Beteiligten zu 1 im Rechtsbeschwerdeverfahren hat der Erblasser an die Ehefrau zur Abgeltung der Ausgleichsansprüche einen Betrag von 50 000 DM bezahlt.

Das Nachlaßgericht hat auf Antrag beider Beteiligten am 7.4.1995 einen Erbschein bewilligt, wonach der Erblasser von diesen je zur Hälfte beerbt worden und hinsichtlich des Erbteils der Beteiligten zu 2 Nacherbfolge entsprechend dem Erbvertrag angeordnet ist. Mit Schriftsatz vom 24.4.1995 hat der Beteiligte zu 1 beantragt, diesen Erbschein einzuziehen und ihm einen Erbschein als Alleinerbe zu erteilen. Er ist der Auffassung, daß die letztwilligen Verfügungen in dem Erbvertrag mit der Scheidung unwirksam geworden seien, so daß gesetzliche Erbfolge eingetreten sei. Demgegenüber ist die Beteiligte zu 2 der Auffassung, daß die Verfügungen wirksam geblieben seien. Der erteilte Erbschein begegne allenfalls deshalb Bedenken, weil nicht die geschiedene Ehefrau als Alleinerbin ausgewiesen sei.

Das Nachlaßgericht hat die Anträge des Beteiligten zu 1 mit Beschluß vom 19.6.1995 abgelehnt und angeordnet, daß der Beteiligte zu 1 die der Beteiligten zu 2 entstandenen Kosten zu erstatten habe. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Landgericht die Entscheidung aufgehoben, soweit der Einziehungsantrag zurückgewiesen wurde, und das Nachlaßgericht angewiesen, den erteilten Erbschein als unrichtig einzuziehen. Im übrigen hat es die Beschwerde zurückgewiesen. Ferner hat es ausgesprochen, daß in beiden Instanzen eine Kostenerstattung nicht stattfinde. Mit der weiteren Beschwerde wendet sich der Beteiligte zu 1 gegen die Zurückweisung seiner Beschwerde und damit die Ablehnung seines Erbscheinsantrags. Die Beteiligte zu 2 hat sich dem Rechtsmittel hinsichtlich der Kostenentscheidung des Beschwerdegerichts angeschlossen. Sie erstrebt eine Anordnung dahin, daß der Beteiligte zu 1 die ihr in der Beschwerdeinstanz entstandenen Kosten zu erstatten habe.

 

Entscheidu...

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