Gesetzestext

 

(1)Verkauft ein Miterbe seinen Anteil an einen Dritten, so sind die übrigen Miterben zum Vorkauf berechtigt.

(2)1Die Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts beträgt zwei Monate. 2Das Vorkaufsrecht ist vererblich.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Das Vorkaufsrecht nach Abs. 1 soll den Miterben die Möglichkeit eröffnen, den Eintritt Außenstehender in die Gemeinschaft zu verhindern, um die Zuordnung des Nachlasses an die Erbengemeinschaft zu erhalten und Auseinandersetzung oder Fortbestehen der Gemeinschaft zu erleichtern oder zu sichern, auf die der Anteilserwerber Einfluss nehmen könnte.[1] Neben § 577 BGB ist dies das einzige gesetzliche Vorkaufsrecht des BGB. Ergänzend zu § 2034 BGB sind die §§ 463 ff. BGB heranzuziehen. § 2034 BGB bietet keinen umfassenden Schutz, da lediglich der Verkauf des Miterbenanteils erfasst wird. Die Ausübung des Vorkaufsrechts steht den Miterben gemeinschaftlich zu. Die Haftung des Erbteilskäufers für Nachlassverbindlichkeiten ist in § 2036 BGB geregelt (zur Haftung für die Erbschaftsteuer siehe § 2033 Rdn 23).

B. Tatbestand

I. Abs. 1

1. Verkauf

 

Rz. 2

§ 2034 BGB bezieht sich abschließend und ausschließlich auf den freiwilligen Verkauf eines Miterbenanteils. Auf andere Verträge wird § 2034 BGB nach der ganz h.M. nicht entsprechend angewendet, gleich ob Schenkung,[2] gemischte Schenkung,[3] Sicherungsabrede,[4] Tausch,[5] Vergleich, Zwangsvollstreckung (§ 471 BGB)[6] oder Teilungsversteigerung gem. § 180 ZVG (kein Vorkaufsrecht der Miterben gegenüber dem Meistbietenden) vorliegt. Der Wortlaut des § 2034 BGB ist insoweit eindeutig und stellt gerade nicht lediglich auf "Verfügung" ab.[7] Daher sind Übertragungen aufgrund der Erfüllung eines Vermächtnisses u.Ä. ebenfalls kein Fall des § 2034 BGB.

 

Rz. 3

Soweit versucht wird, über ein "Umgehungsgeschäft" den Eintritt des Vorkaufsfalls zu vermeiden, ist die Anwendung von § 2034 BGB auszudehnen. Ein Umgehungsgeschäft liegt bei Verträgen vor, die einem Kaufvertrag nahezu gleichkommen und in die der Vorkaufsberechtigte zur Wahrung seiner Erwerbs- und Abwehrinteressen "eintreten" kann, ohne die vom Verpflichteten ausgehandelten Konditionen des Veräußerers zu beeinträchtigen.[8]

[2] BGH WM 1957, 1162, 1164 mit Bezug auf RGZ 101, 99, 101.
[3] RGZ 101, 99, 101.
[4] BGH NJW 1957, 1515, 1516.
[5] BGH NJW 1964, 540, 541: Der Vorkaufsberechtigte hätte bei Ausübung des Vorkaufsrechts nicht die Möglichkeit, den Tauschgegenstand anstelle des ursprünglichen Vertragspartners zu übereignen.
[6] BGH NJW 1977, 37, 38.
[7] Merksatz: "Ohne Verkauf kein Vorkauf" (Cohn, Das neue deutsche bürgerliche Recht in Sprüchen, Bd. 4: Erbrecht, 1900, § 2034).
[8] BGH NJW 1992, 236, 237.

2. Miterbe

 

Rz. 4

Differenziert sind die Fälle zu betrachten, in denen der Miterbe seinerseits verstorben ist und seinen Miterbenanteil – zusammen mit seinem Eigenvermögen – weitervererbt hat. Es kommt hierbei darauf an, über welchen Gegenstand verfügt wird und ob eine weitere Erbengemeinschaft entstanden ist (vgl. zum Begriff auch § 2033 Rdn 2):

Der verstorbene Miterbe wird von einer Person beerbt und dieser Erbeserbe verkauft den gesamten Nachlass (nicht lediglich den weitervererbten Anteil an der Erbengemeinschaft des "ersten" Erbfalls) an einen Dritten (zum Begriff des Dritten siehe Rdn 8). Dies ist kein Fall des § 2034 BGB, denn die Miterben des "ersten" Erbfalls sind nicht Miterben im zweiten Erbfall; hier wurde der Miterbe von einem (Allein-)Erben beerbt. Da Verfügungsgegenstand der gesamte Nachlass des verstorbenen Miterben ist, wird nicht lediglich über den Anteil (siehe hierzu § 2033 Rdn 3) an der Erbengemeinschaft verfügt, sondern über den gesamten Nachlass des Miterben.

 

Rz. 5

Außenstehende können so gegen den Willen der Miterben in die Gemeinschaft eintreten. Gleichwohl führt dies nicht dazu, § 2034 BGB womöglich entsprechend anzuwenden – hierfür fehlt es an einer Regelungslücke. Denn § 2034 BGB soll gerade nicht jede irgendwie denkbare Möglichkeit des Eintritts Außenstehender in die Erbengemeinschaft verhindern. Der Wortlaut des § 2034 BGB grenzt die Anwendung ein (siehe hierzu Rdn 1 f.). Die Verfügung über den Nachlass des Miterben kann nicht in zwei getrennte Verfügungen aufgespalten werden, von denen eine den Miterbenanteil des "ersten" Erbfalls umfasst und die andere hingegen den übrigen Nachlass betrifft. Eine Aufspaltung der durch § 2033 BGB zugelassenen, einheitlich getroffenen Verfügung über einen Nachlass würde zu Unklarheiten und Verwicklungen führen, die mit dem sich aus dem Gesetz ergebenden klaren und eindeutigen Haftungsprinzip gem. § 2382 BGB nicht vereinbar sind.[9]

 

Rz. 6

Etwas anderes soll dann gelten, wenn der Nachlass des Miterben nur aus dem Anteil des ersten Erbfalls besteht. Dann soll ausgehend von dem beabsichtigten Erfolg des Rechtsgeschäfts ein Vorkaufsrecht entstehen.[10] Dies erscheint fraglich, da sich hier kaum lösbare Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben, wann wirklich – entgegen dem vertraglichen Wortlaut – lediglich ein Miterbenanteil übertragen wird. Außerdem stellt sich dann das weitere Problem, ob die et...

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