Gesetzestext

 

Der Erbe kann die Erbschaft nicht mehr ausschlagen, wenn er sie angenommen hat oder wenn die für die Ausschlagung vorgeschriebene Frist verstrichen ist; mit dem Ablauf der Frist gilt die Erbschaft als angenommen.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Die Annahme führt zum Verlust des Ausschlagungsrechts und beendet damit zugleich die Schwebephase zwischen Anfall und endgültiger Zuordnung der Erbschaft zum Vermögen des Bedachten, also den Zeitraum der sog. vorläufigen Erbenstellung (vgl. § 1942 Rdn 2–4). Die Annahme ist nicht legal definiert. § 1943 BGB ist nur zu entnehmen, dass zwischen der tatsächlichen Annahmeerklärung und einer Annahmefiktion zu unterscheiden ist.

B. Tatbestand

I. Annahmeerklärung

 

Rz. 2

Die Annahmeerklärung ist eine formfreie Willenserklärung des vorläufigen Erben, mit der er zum Ausdruck bringt, endgültiger Erbe sein zu wollen.[1] Die Annahme kann deswegen ausdrücklich oder stillschweigend (konkludent) erfolgen. Die Annahmeerklärung kann an irgendeine Person gerichtet sein und ist nicht empfangsbedürftig. Eine Erklärung gegenüber Beteiligten – etwa Gläubigern, Miterben oder irgendein Nachlassgericht – wird bei stillschweigenden Annahmeerklärungen jedoch mit größerer Sicherheit auf den Annahmewillen schließen lassen können.[2]

[1] Erman/J. Schmidt, § 1943 Rn 2; MüKo/Leipold, § 1943 Rn 3; z.T. abw. Lange/Kuchinke, § 8 II 2.
[2] Erman/J. Schmidt, § 1943 Rn 2; Palandt/Weidlich, § 1943 Rn 2; Soergel/Stein, § 1943 Rn 3; enger MüKo/Leipold, § 1943 Rn 3, der aus teleologischen Gründen eine Erklärung gegenüber einem Nachlassbeteiligten fordert; OLG Hamm BeckRS 2015, 17604.

II. Konkludente Annahmeerklärung

 

Rz. 3

Bei der konkludenten Annahme muss nach allg. Auslegungsgrundsätzen und unter Zugrundelegung eines verobjektivierten Empfängerhorizontes auf das Vorliegen eines Annahmewillens bei dem Erben geschlossen werden können.[3] Der vorläufige Erbe nimmt die Erbschaft an, wenn sein Verhalten zum Ausdruck bringt, dass er endgültig Erbe ist und bleiben will ("pro herede gestio"). Dagegen können bloße Fürsorgehandlungen, die in der Schwebezeit geboten sind, nicht als Annahmeerklärung aufgefasst werden.[4] Im Einzelfall kann hier eine Einordnung schwierig sein. Die folgende Tabelle fasst die in der Lit.[5] und Rspr.[6] dargestellten Standardsituationen zusammen, wobei in der Praxis aber stets die Umstände des Einzelfalls entscheidend sein sollen:[7] Bei Zweifeln am Erklärungsgehalt wird eine Annahmeerklärung regelmäßig zu verneinen sein.[8]

 
Konkludente Annahmeerklärung: Ja Nein
Abgabe von Verkaufsangebot für Nachlassgrundstück[9] x  
Anbieten eines Nachlassgrundstücks über einen Makler[10] x  
Angemessene Fürsorgemaßnahmen (§ 1959 BGB) für den Nachlass (z.B. Kontensperrung, Antrag auf Testamentseröffnung oder -vollstreckung, Geltendmachung von Leistung aus Versicherungsverträgen des Erblassers)   x
Ansichbringen oder Verheimlichen von Nachlassgegenständen (anders § 571 Abs. 2 schweizerisches ZGB mit Straffunktion)   x
Antrag auf Erbscheinserteilung x  
Antrag auf Erlass eines Gläubigeraufgebots (str.) x  
Antrag auf Grundbuchberichtigung x  
Antrag auf Nachlassinsolvenz x  
Antrag auf Nachlassverwaltung   x
Aufnahme (aktiv/passiv) eines Prozesses des Erblassers (§ 239 ZPO) (str., anders wohl, wenn der vorläufige Erbe bloß als Prozessstandschafter des Erben Leistung an diesen verlangt) x  
Begleichung der Beerdigungskosten   x
Erhebung der Erbschaftsklage (Erbauseinandersetzung) x  
Erhebung einer Auskunftsklage   x
Erklärung eines (unwirksamen) Erbverzichts für einen Miterben x  
Erklärung eines Erben: Ich bin gesetzlicher Erbe und verzichte auf Herausgabe des Nachlasses und bin wegen aller Erbansprüche befriedigt[11] x  
Erklärungen über den Nachlass beim Nachlassgericht Antrag auf Nachlassinsolvenz x x
Erlass von Nachlassschulden x  
Für Dritte erkennbare Einmischung in Erbschaftsangelegenheiten (arg. ex. § 571 Abs. 2 schweizerisches ZGB), z.B. Geltendmachung des Erbschaftsanspruchs (§ 2018 BGB) x  
Rechtsgeschäftliche Erklärung des vorläufigen Erben als Versicherungsnehmer gegenüber Lebensversicherung unter Hinweis auf Testament x  
Verfolgen abhanden gekommener Nachlassgegenstände   x
Verkauf/Übertragung des eigenen Erbteils oder der ganzen Erbschaft x  
Verkauf/Übertragung/Verwenden von Nachlassgegenständen, es sei denn, es sind angemessene Fürsorgemaßnahmen (str.) x  
Verschenken verderblicher oder sperriger Nachlassgegenstände   x
Vorläufige Fortführung eines Handelsgeschäftes des Erblassers (str., z.T. wird bzgl. Arbeits- und Dienstverträgen mit dem Schutz des Arbeitnehmers argumentiert und eine Annahmeerklärung angenommen)   x
Abschluss eines Aufteilungsvertrages mit Miterben x  
 

Rz. 4

Für die konkludente Annahme ist es unerheblich, ob ein Annahmewille vorliegt. Ist somit nach den dargestellten Grundsätzen eine Erklärung oder sonstige Willensbetätigung des Erben als Annahmeerklärung auszulegen und hätte dies der Erbe erkennen können (Erklärungsfahrlässigkeit), so bleibt dem endgültigen Erben die Anfechtung seiner Erklärung nach §§ 119 ff., 1954 BGB. Bei Annahme gegenüber Abwesenden kommt schlie...

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