Entscheidungsstichwort (Thema)

Entlassung (Beamter auf Probe) Personalrat, Anhörung bei fristloser Entlassung eines Beamten auf Probe, Nachholung. Mitwirkung bei Entlassung eines Beamten auf Probe, Nachholung, Ordnungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Keine Heilung der vor fristloser Entlassung eines Beamten auf Probe unterbliebenen Anhörung des Personalrats (im Anschluß an BVerwGE 66, 291).

Ordnungsmäßigkeit der (während des Widerspruchsverfahrens nachgeholten) Mitwirkung des Personalrats an der fristgerechten Entlassung eines Beamten auf Probe (im Anschluß an BVerwGE 68, 189).

 

Normenkette

LEG B.-W.- F. 1971- § 38 Abs. 1 Nr. 1 (= F. 1979, § 43 Abs. 1 Nrn. 1, 2; entspr. BBG, § 31 Abs. 1 Nrn. 1, 2); LEG B.-W. - F. 1971 - § 38 Abs. 1 Nr. 2 (= F. 1979, § 43 Abs. 1 Nrn. 1, 2; entspr. BBG, § 31 Abs. 1 Nrn. 1, 2); LPVG B.-W. -; F. 1975 - § 72 (entspr. BPersVG, §§ 72, 78 Abs. 1 Nr. 4, 79 Abs. 3); LPVG B.-W. - F. 1975 - § 77 Abs. 3 (entspr. BPersVG, §§ 72, 78 Abs. 1 Nr. 4, 79 Abs. 3), § 80 Abs. 1 Nr. 4 (entspr. BPersVG, §§ 72, 78 Abs. 1 Nr. 4, 79 Abs. 3)

 

Verfahrensgang

VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 03.11.1981; Aktenzeichen 4 S 497/80)

VG Karlsruhe (Urteil vom 23.01.1980; Aktenzeichen VII 1103/78)

 

Tenor

Das auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 3. November 1981 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg und das auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. Januar 1980 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe werden aufgehoben. Ferner werden die Verfügung des Beklagten vom 29. November 1977 und sein Widerspruchsbescheid vom 20. März 1978 aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin, Sonderschullehrerin z.A. im Beamtenverhältnis auf Probe des beklagten Landes, wurde durch Verfügung des Oberschulamtes Karlsruhe vom 29. November 1977 fristlos aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Zur Begründung wurde ausgeführt: Die Klägerin sei zumindest in den Jahren 1975/76 Mitglied der DKP gewesen. Hierdurch habe sie ihre Pflicht zur Verfassungstreue schuldhaft verletzt und damit ein Dienstvergehen begangen, das im förmlichen Disziplinarverfahren die Disziplinarstrafe der Entfernung aus dem Dienst zur Folge gehabt hätte. Zugleich habe sich die Klägerin durch ihr Verhalten während der Probezeit nicht bewährt.

Vor Erlaß dieser Verfügung war der Bezirkspersonalrat der Grund-, Haupt-, Real- und Sonderschulen beim Oberschulamt Nordbaden in Karlsruhe nicht beteiligt worden. Die Klägerin hatte bereits vorher „höchstfürsorglich für sämtliche denkbaren Maßnahmen die Mitwirkung des zuständigen Personalrats” beantragt. Nachdem die Klägerin gegen die Entlassungsverfügung Widerspruch eingelegt hatte, teilte das Oberschulamt dem Bezirkspersonalrat mit, daß die fristlose Entlassung der Klägerin „sofort” beabsichtigt sei und daß wegen der Dringlichkeit der Angelegenheit die Frist des § 69 des Landespersonalvertretungsgesetzes (LPVG) auf 6 Arbeitstage abgekürzt werde; zugleich wurde die „Zustimmung bzw. Kenntnisnahme” hinsichtlich der beabsichtigten Maßnahme erbeten. Der Bezirkspersonalrat antwortete unter dem Betreff „Sonderschullehrerin z.A., fristlose Entlassung aus dem Beamtenverhältnis – hier: Mitwirkung des Personalrats gem. § 80 Abs. 1 Ziff. 4 LPVG …”, er erhebe gegen die beabsichtigte Maßnahme keine Einwendungen.

Die Klage auf Aufhebung der Entlassungsverfügung und des Widerspruchsbescheides hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat der Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist unter anderem ausgeführt:

Die Entlassung der Klägerin sei rechtmäßig. Die Verfügung leide auch nicht an formellen Mängeln. Die Anhörung des Personalrats sei allerdings nicht ordnungsmäßig durchgeführt worden. Der Bezirkspersonalrat hätte vor Erlaß der angefochtenen Verfügung angehört werden müssen. Dieser Mangel sei aber durch die nachträgliche Anhörung des Bezirkspersonalrats während des Widerspruchsverfahrens geheilt worden. Es sei nämlich davon auszugehen, daß der Personalvertretung die näheren Umstände der bereits ergangenen Entlassungsverfügung bekannt gewesen seien. Deshalb habe die Beklagte die Entlassung nicht näher begründen müssen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Revision eingelegt, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt. Sie rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Der Beklagte tritt der Revision entgegen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision hat Erfolg. Sie führt unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile zur Aufhebung der angegriffenen Entlassungsverfügung und des Widerspruchsbescheides als verfahrensfehlerhaft.

Die Entlassung der Klägerin aus dem Beamtenverhältnis auf Probe ist rechtswidrig, weil vor ihrem Ausspruch die zuständige Personalvertretung, hier der Bezirkspersonalrat der Grund-, Haupt-, Real- und Sonderschulen beim Oberschulamt Nordbaden, nicht beteiligt worden ist.

Die Personalvertretung hätte gemäß § 77 Abs. 3 Satz 1 des insoweit revisiblen Personalvertretungsgesetzes für das Land Baden-Württemberg (Landespersonalvertretungsgesetz – LPVG –) in der Fassung vom 1. Oktober 1975 (GBl. S. 693) – zur Revisibilität landespersonalvertretungsrechtlicher Vorschriften siehe BVerwGE 68, 189 ≪191≫ – vor der fristlosen Entlassung der Klägerin angehört werden müssen. Die Auffassung der Klägerin, die Vorschrift betreffe nur Arbeitnehmer, nicht aber Beamte, vielmehr komme bei ihrer Entlassung eine Mitwirkung der Personalvertretung nach § 80 Abs. 1 Nr. 4 LPVG in Betracht, teilt der Senat nicht. Es ist zwar richtig, daß § 77 LPVG sich überwiegend mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen befaßt. Darauf weist auch die Überschrift dieser Vorschrift mit dem Wort „Kündigung” hin. Gleichwohl ist der Beteiligungstatbestand der „fristlosen Entlassung” nur ein die Beamten auf Probe oder Widerruf betreffender Vorgang. Zwar mögen die Worte „fristlose Entlassung” und „fristlose Kündigung” im allgemeinen Sprachgebrauch häufig gleichbedeutend verwendet werden. Das ändert aber nichts daran, daß der Gesetzgeber wie auch bei allen übrigen Beteiligungstatbeständen von den gesetzestechnischen Begriffen ausgegangen ist und sie seiner Regelung zugrunde gelegt hat. Daraus folgt, daß eine fristlose Entlassung nur bei Beamten auf Probe und auf Widerruf in Betracht kommt (§§ 38 Nr. 1, 41 Abs. 3 des im vorliegenden Fall anzuwendenden Landesbeamtengesetzes – LEG – in der Fassung vom 27. Mai 1971 – GBl. S. 225 –), während bei Arbeitnehmern die „fristlose Entlassung” eine außerordentliche Kündigung ist (§ 54 BAT, § 59 MTB II und MTL II). Der Gesetzgeber hat demgemäß die „fristlose Entlassung” und die „außerordentliche Kündigung” als selbständige Beteiligungsfälle nebeneinander gestellt. Beide Begriffe aufzuführen wäre überflüssig und entbehrte eines vernünftigen Sinnes, wenn die Auffassung der Klägerin zutreffen würde. Der Senat hat bereits zu der inhaltsgleichen Vorschrift des § 74 Satz 1 des Personalvertretungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (Landespersonalvertretungsgesetz – LPVG) vom 3. Dezember 1974 (GV.NW. S. 1514) ausgesprochen, daß der Beteiligungstatbestand der „Entlassung ohne Einhaltung einer Frist” Beamte auf Probe oder auf Widerruf betrifft (BVerwGE 66, 291 ≪292≫).

Die nach § 77 Abs. 3 Satz 1 LPVG erforderliche Anhörung der Personalvertretung muß vor dem Ausspruch der fristlosen Entlassung stattfinden; sie kann nicht während des Widerspruchsverfahrens nachgeholt werden. Zwar ist die Anhörung im Gegensatz zu anderen Beteiligungsrechten wie der Mitbestimmung und der Mitwirkung ein abgeschwächtes Beteiligungsrecht. Gerade deshalb muß aber, wie der Senat bereits in der genannten Entscheidung ausgeführt hat, sichergestellt werden, daß die Anhörung, soll sie nicht zur bloßen Formsache werden, vor Erlaß der beabsichtigten Maßnahme stattfindet und nicht im nachhinein, weil dann entweder der Personalrat vor den vollendeten Tatsachen resignieren oder die Dienststelle die sie nicht bindenden und auch nicht zu einer begründeten Entscheidung zwingenden Bedenken der Personalvertretung einfach beiseite schieben könnte. Die nicht rechtzeitige und nicht nachholbare Anhörung hat zur Rechtswidrigkeit der fristlosen Entlassung der Klägerin geführt.

Eine andere rechtliche Beurteilung läßt sich entgegen der Auffassung des Beklagten nicht daraus herleiten, daß eine unterbliebene Mitwirkung des Personalrats noch während des Widerspruchsverfahrens nachgeholt werden kann. Zu Unrecht leitet der Beklagte diese Auffassung aus der Entscheidung des Senats in BVerwGE 68, 189 ab. Die bei den Beteiligungsrechten unterschiedliche Einwirkungsmöglichkeit auf die Willensbildung der Dienststelle rechtfertigt es, das Mitwirkungsverfahren ausnahmsweise noch nach Erlaß der diesem Beteiligungsrecht unterworfenen Maßnahme einzuleiten und durchzuführen, weil die besondere förmliche und mit längeren Fristen ausgestaltete Mitwirkung auch in dem späteren Stadium noch eine echte Einwirkungsmöglichkeit der Personalvertretung gewährt. Das hat der Senat in der letztgenannten Entscheidung eingehend dargelegt (S. 194 ff.).

Selbst wenn man die gegenüber der Klägerin ausgesprochene Entlassung zugleich als eine fristgebundene ansieht, die auf Grund des § 38 Nr. 2 LEG wegen mangelnder Bewährung der Klägerin ergangen ist, ändert sich an der rechtlichen Beurteilung nichts. Zwar kann die für diese Maßnahme nach § 80 Abs. 1 Nr. 4 LPVG erforderliche Mitwirkung – wie bereits ausgeführt – während des Widerspruchsverfahrens nachgeholt werden. Dieses Verfahren ist aber nicht ordnungsgemäß eingeleitet worden, so daß die Erklärung des Bezirkspersonalrats, er erhebe keine Einwendungen gegen „die beabsichtigte Maßnahme”, das Beteiligungsverfahren nicht abgeschlossen und damit der Dienststelle nicht die Befugnis erteilt hat, die fristgebundene Entlassung auszusprechen bzw. die bereits ausgesprochene Entlassung aufrechtzuerhalten. Der Bezirkspersonalrat ist zwar, wie sich aus dem Inhalt des Schreibens des Oberschulamtes an dieses Gremium ergibt, um Mitwirkung an der Entlassung angegangen worden, wobei die Behörde irrtümlich davon ausgegangen ist, daß die fristlose Entlassung der Mitwirkung und nicht der Anhörung der Personalvertretung unterliegt. In diesem Schreiben ist nämlich nur die für das Mitwirkungsverfahren nach § 69 LPVG in Betracht kommende Frist von 7 Arbeitstagen auf 6 Arbeitstage abgekürzt worden. Auch der Bezirkspersonalrat hat in dem Betreff seines Antwortschreibens von der Mitwirkung bei der fristlosen Entlassung gesprochen. Nur von dieser Maßnahme ist in dem Schreiben des Oberschulamtes die Rede, nicht aber von einer fristgebundenen Entlassung, zu der sich der Bezirkspersonalrat demgemäß nicht geäußert hat. Es ist deshalb rechtlich unerheblich, ob die Personalvertretung, wie der Verwaltungsgerichtshof angenommen hat, die näheren Umstände der Entlassung kannte, denn diese Kenntnis kann nicht die fehlende Äußerung über die Mitwirkung bei der fristgebundenen Entlassung ersetzen. Die Beklagte hätte nicht durch Zurückweisung des Widerspruchs der Klägerin die von ihr ausgesprochene Entlassung bestätigen dürfen. Diese war als fristlose Entlassung wegen der nicht rechtzeitigen Anhörung der Personalvertretung und als fristgebundene Entlassung wegen des infolge fehlender Bezeichnung dieser Maßnahme nicht ordnungsmäßig eingeleiteten und mangels Erklärung der Personalvertretung nicht abgeschlossenen Mitwirkungsverfahrens rechtswidrig.

Da die Revision bereits aus diesen Gründen Erfolg hat, ist auf ihre Verfahrensrügen nicht einzugehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

 

Unterschriften

Fischer, Dr. Franke, Dr. Lemhöfer, Richter am Bundesverwaltungsgericht Sommer ist durch Urlaub verhindert, das Urteil zu unterschreiben. Fischer, Dr. Müller

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1213615

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