Besitz kinderpornografischer Bilder rechtfertigt Entlassung

Der Besitz und die Verbreitung kinderpornografischer Schriften eines Beamten im außerdienstlichen Bereich führt zu einem erheblichen Vertrauensverlust und einer Beschädigung des Ansehens des Beamtenstatus mit der Regelfolge einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.

Der Besitz und die Verbreitung kinderpornografischer Schriften ist mit dem Ansehen und dem Status eines Beamten auch dann nicht vereinbar, wenn der Vorwurf ausschließlich außerdienstliches Verhalten betrifft. Diese Rechtsprechung hat das VG Lüneburg in einer aktuellen Entscheidung bestätigt.

Wegen Kinderpornografie zu Bewährungsstrafe verurteilt

Der Beklagte des vom VG entschiedenen Disziplinarverfahrens wurde mit Wirkung zum 1.8.1992 zum Beamten auf Lebenszeit ernannt. Seine letzte dienstliche Gesamteinschätzung wies die Stufe 5 auf, d.h. der Beamte hatte die an ihn gestellten dienstlichen Erwartungen deutlich übertroffen. Wegen des Besitzes sowie wegen Verbreitung kinderpornografischer Schriften wurde der Beamte nach § 184b Abs. 1 Nr. 1 Abs. 3 StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Disziplinarklage auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis

Im Oktober 2020 wurde der Beamte nach vorheriger Anhörung vorläufig seines Dienstes enthoben und der Einbehalt von 15 % seiner Dienstbezüge angeordnet. Im April 2021 erhob der Dienstherr Disziplinarklage auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Der Personalrat erhob gegen die Klage keine Bedenken.

Beamter hat Dienstpflichten schwerwiegend verletzt

Das VG hat der Disziplinarklage in vollem Umfang stattgegeben. Nach den Feststellungen des VG hat der Beklagte schuldhaft die ihm obliegenden Dienstpflichten verletzt. Ihm sei ein schweres Dienstvergehen im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG in Form des Besitzes und der Verbreitung kinderpornografischer Schriften vorzuwerfen.

Teilnahme an Tauschbörse

Nach den Feststellungen des VG wurden bei dem Beklagten anlässlich einer Durchsuchung im März 2018 auf dessen Computer 220.357 kinderpornografische Dateien gefunden, die er teilweise in einem zum Download freigegebenen Ordner der Tauschbörse „eMule“ bereitgehalten habe. Dadurch habe er einer Vielzahl von Nutzern der Tauschbörse Zugriff auf das kinderpornografische Material gewährt.

Auch außerdienstliches Verhalten kann Disziplinarmaßnahmen rechtfertigen

Das konkrete Dienstvergehen des Beamten ist nach den Feststellungen des Gerichts zwar dem außerdienstlichen Bereich zuzuordnen, jedoch seien hier die qualifizierenden Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG erfüllt, da der Beamte durch den Besitz und die Weitergabe von kinderpornografischem Material das Vertrauen in seine Amtsführung und in das Ansehen des Beamtentums insgesamt in bedeutsamer Weise beeinträchtigt habe.

Art der Disziplinarmaßnahme muss verhältnismäßig sein

Maßgeblich für die Art der in solchen Fällen zu treffenden Disziplinarmaßnahmen sei gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 BDG

  • das Kriterium der Schwere des Dienstvergehens.
  • Auch dem Persönlichkeitsbild des betroffenen Beamten sowie
  • dem Ausmaß der Vertrauensbeeinträchtigung

komme erhebliches Gewicht zu. Bei der Bestimmung der Art der Disziplinarmaßnahme sei das Verhältnismäßigkeitsprinzip (Übermaßverbot) zu berücksichtigen. Sämtliche be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls seien in die Entscheidung einzustellen.

Fehlverhalten hatte erhebliches Ausmaß

Im konkreten Fall bewertete das Gericht den durch das Verhalten des Beklagten eingetretenen Vertrauensverlust in den Beamtenstatus als so schwerwiegend, dass das Dienstverhältnis im Interesse der Integrität des Berufsbeamtentums zu beenden sei. Umstände, die eine Einschränkung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Beklagten nahelegten, seien nicht erkennbar. Belastend für den Beklagten sei u.a. die große Anzahl von mehr als 220.000 kinderpornografischen Dateien sowie der lange Zeitraum von mehr als zwei Jahren, in denen der Beklagte solche Dateien heruntergeladen und Dritten zum Download zur Verfügung gestellt habe.

Reue und Einsicht halfen dem Beamten nicht

Dem Beklagten half es nicht, dass er nach seiner strafrechtlichen Verurteilung eine Therapieeinrichtung besucht und diese ihm bescheinigt hatte, dass seine Persönlichkeit inzwischen so gestärkt sei, dass ihm die Führung eines zukünftig straffreien Lebens gelingen könne. Auch die von dem Beklagten gezeigte Reue und Einsicht seien nicht geeignet, ein Absehen von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu rechtfertigen. Auch die bisher überdurchschnittlichen dienstlichen Bewertungen des Beamten änderten daran nichts. Infolge der Schwere seines Dienstvergehens sei die Vertrauensgrundlage für eine Beamtenstellung endgültig zerstört und er für den Dienstherrn schlechterdings untragbar geworden.

(VG Lüneburg, Urteil v. 9.3.2022, 8 A 47/21)

Hintergrund:

In der Rechtsprechung setzt sich seit längerem die Ansicht durch, dass schon der Besitz kinderpornografischen Bildmaterials in der Regel die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigt. Zur Beurteilung des Einzelfalls sei allerdings eine dezidierte Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Berücksichtigung von Schwere, Häufigkeit und der konkreten Dienststellung des Beamten vorzunehmen.

Gesetzliche Grundlage für Disziplinarmaßnahme

Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG ist ein außerdienstliches Fehlverhalten dann disziplinarwürdig, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt des Beamten bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG ist dies in der Regel zu bejahen, wenn das Fehlverhalten strafrechtlich mit einer Strafandrohung von mindestens zwei Jahren belegt ist (BVerwG, Urteil v. 16.6.2020, 2 C 12.19). Diese Voraussetzungen sind bei dem Besitz und der Verbreitung von kinderpornografischem Material regelmäßig erfüllt. Die hierfür maßgebliche Vorschrift des § 184b StGB droht in der aktuellen Fassung für den Besitz kinderpornografischen Materials eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren, für die Verbreitung von bis zu zehn Jahren an.

Besonders hohe Anforderungen an die Integrität von Lehrern

Besonders hohe Anforderungen stellt die Rechtsprechung an die Integrität von Beamten, die kraft Dienstes Verantwortung für Kinder tragen, wie zum Beispiel Lehrer. Schon der Besitz einer sehr geringen Menge kinderpornografischen Materials rechtfertigt bei einem Lehrer die endgültige Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, Urteile v. 24.10.2019, 2 C 3.18 und 2 C 4.18). Aber auch bei Beamten ohne direkten dienstlichen Kontakt zu Kindern führt der Besitz kinderpornografischen Materials in der Regel zur Entlassung, wie das BVerwG im Fall eines Justizvollzugsbeamten entschieden hat (BVerwG, Urteil v. 16.6.2020, 2 C 12.09).