Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsschutz, rechtzeitiger – im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren. Beteiligungsrecht, rechtzeitiger Rechtsschutz bei Streit über den Umfang eines – der Personalvertretung. Divergenz, keine – bei andersartigem Regelungszusammenhang der anzuwendenden gleichlautenden Norm

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum rechtzeitigen Rechtsschutz bei Streit über den Umfang von Beteiligungsrechten des Personalrats.

2. Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann nicht mit Erfolg auf eine Abweichung von der Entscheidung zu einer anderen Vorschrift gestützt werden, welche zwar, was das auszulegende Tatbestandsmerkmal betrifft, gleichlautend ist, hingegen in einem für die systematische Auslegung bedeutsamen andersartigen Regelungszusammenhang steht.

 

Normenkette

BPersVG §§ 69, 75 Abs. 1 Nr. 1, § 83 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Hessischer VGH (Beschluss vom 29.03.1989; Aktenzeichen BPV TK 3821/87)

VG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 05.11.1987; Aktenzeichen I/V K 2313/87)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs – Fachsenat für Personalvertretungssachen (Bund) –, vom 29. März 1989 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des Beschwerdegerichts sind nicht gegeben. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts weicht nicht gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. §§ 92 a Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG von einem der in der Beschwerdeschrift angeführten Beschlüsse ab.

Eine die Rechtsbeschwerde eröffnende Divergenz würde dann bestehen, wenn das Beschwerdegericht seiner Entscheidung in Anwendung derselben Vorschrift einen abstrakten, die Entscheidung tragenden Rechtssatz zugrunde gelegt hätte, der im Widerspruch zu einem ebensolchen Rechtssatz in einem der bezeichneten Beschlüsse stünde, und wenn diese Abweichung ihrerseits entscheidungserheblich wäre. Diese Voraussetzungen liegen nach dem Vorbringen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht vor.

1. Der angefochtene Beschluß setzt sich zwar ausdrücklich in Widerspruch zu dem Beschluß des Senats vom 12. März 1986 – BVerwG 6 P 5.85 – (PersV 1986, 417 = BVerwGE 74, 100). Inhaltlich betrifft das die Ausführungen des Beschwerdegerichts, wonach, wenn das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts streitig sei, hierüber verbindlich nicht im Stufenverfahren unter Einbeziehung der Einigungsstelle zu entscheiden sei; vielmehr obliege die Entscheidung ausschließlich den Verwaltungsgerichten, ohne daß es der Durchführung eines Stufenverfahrens bedürfe.

Dem widerspricht die Aussage in dem genannten Beschluß des Senats vom 12. März 1986, daß bei mangelnder Einigung des Dienststellenleiters und des Personalrats über die Mitbestimmungspflichtigkeit einer beabsichtigten Maßnahme die Entscheidung darüber der Einigungsstelle obliege. Daran hat der Senat jedoch im folgenden jedenfalls nicht im Sinne einer Ausschließlichkeit der Kompetenz der Einigungsstelle festgehalten. Er hat vielmehr im Anschluß an die frühere ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwGE 30, 39 ≪40≫; 68, 30 ≪36≫) in bezug auf die Ausführungen des Beschlusses vom 12. März 1986 zur Zuständigkeit der Einigungsstelle im Mitbestimmungsverfahren ausdrücklich klargestellt, daß in Fällen, in denen die Mitbestimmungspflichtigkeit einer Maßnahme zwischen dem Dienststellenleiter und dem Personalrat strittig ist, diese Frage „selbstverständlich” im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren durch die Verwaltungsgerichte geklärt werden könne (vgl. Beschluß vom 25. August 1986 – BVerwG 6 P 16.84 – ≪PersR 1986, 235 = PersV 1987, 287≫; Beschlüsse vom 15. Februar 1988 – BVerwG 6 P 21.85 – ≪PersR 1988, 101 = PersV 1988, 403 = ZBR 1989, 60≫ und vom 15. März 1988 – BVerwG 6 P 23.87 – ≪ZBR 1988, 257≫, jeweils unter Hinweis auf den Beschluß vom 18. April 1986 – BVerwG 6 P 31.84 – ≪Buchholz 238.3 A § 69 BPersVG Nr. 8≫; zuletzt Beschluß vom 2. Februar 1990 – BVerwG 6 PB 13.89 – ≪PersR 1990, 114≫).

Wie aus aktuellem Anlaß einer Anmerkung Sabottigs (PersV 1990, 16 f.) im gegebenen Zusammenhang klarstellend zu bemerken ist, hat sich der Senat dabei unausgesprochen (und auch in sachlicher Übereinstimmung mit Dannhäuser, PersV 1987, 403 ≪409 mit FN 21≫) davon leiten lassen, daß die gerichtliche Klärung den verfassungsrechtlich letztlich durch Art. 20 Abs. 3 GG gebotenen wirksamen Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit ermöglicht – erforderlichenfalls auch im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes. Der Charakter des Beschlußverfahrens als eines objektiven Verfahrens steht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zwar einem materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruch entgegen; er hindert aber nicht den Erlaß einer ggf. immer noch unter dem Vorbehalt der §§ 69 Abs. 5, 72 Abs. 6 BPersVG stehenden einstweiligen Verfügung mit einem Ausspruch verfahrensrechtlichen Inhalts in dem Sinne, daß er sich nur auf Verfahrenshandlungen bezieht. So käme etwa in Betracht, daß der Dienststellenleiter (bei Vorliegen hier nicht zu erläuternder Voraussetzungen) verpflichtet wird, das Beteiligungsverfahren einzuleiten und/oder ihm einstweilen Fortgang zu geben.

Zwar hat der Senat auch in seiner späteren Rechtsprechung nicht ausdrücklich die vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Auffassung geäußert, bei Streit über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts obliege die Entscheidung „ausschließlich” den Verwaltungsgerichten. Da aber der angegriffene Beschluß auf der diesen Satz konkretisierenden Würdigung zum Abbruch des Mitbestimmungsverfahrens bei Streit über den Umfang eines gegebenen Mitbestimmungsrechts beruht, daß nämlich die beabsichtigten Maßnahmen gemäß § 69 Abs. 2 Satz 5 BPersVG als gebilligt gälten, weil die Einwendungen des Antragstellers ersichtlich außerhalb des gesetzlichen Mitbestimmungstatbestandes lägen und schon deshalb vom gesetzlichen Verweigerungskatalog des § 77 Abs. 2 BPersVG nicht gedeckt seien, läßt sich jedenfalls insofern eine Übereinstimmung mit der neueren Rechtsprechung des Senats feststellen, liegt mithin eine die Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtfertigende Abweichung nicht vor. So hat der Senat etwa in seinem Beschluß vom 3. Juli 1986 (– BVerwG 6 P 27.83 – ≪PersV 1987, 197, 198≫) unter Gleichsetzung der Begriffe „ersichtlich” und „offensichtlich” in demselben Sinne ausgeführt: „Die Darlegung einer Rechtsauffassung oder der Vortrag von Tatsachen seitens des Personalrats, aus denen sich ersichtlich keiner der im Gesetz abschließend geregelten Verweigerungsgründe ergibt, kann nicht anders behandelt werden, als das Fehlen einer Begründung. Denn auch in diesem Fall ist es offensichtlich, daß sich der Personalrat auf die ihm gesetzlich zugebilligten Gründe nicht stützen kann” … (Sind im Personalvertretungsgesetz Verweigerungsgründe nicht ausdrücklich festgelegt) …, „muß die Zustimmungsverweigerung … es als möglich erscheinen lassen, daß der geltend gemachte Mitbestimmungstatbestand gegeben ist. Eine Begründung, die offensichtlich außerhalb des Mitbestimmungstatbestandes liegt, vermag nicht die Verpflichtung der Dienststelle auszulösen, das Einigungsverfahren einzuleiten”.

Hat nach allem der Senat in der skizzierten Entwicklung seiner Rechtsprechung späterhin die von der Rechtsbeschwerde erneut aufgegriffene Auffassung seines Beschlusses vom 12. März 1986 in der dargelegten Weise modifiziert bzw. konkretisiert, so ist für die Beurteilung der Frage, ob eine die Zulassung der Rechtsbeschwerde begründende Divergenz vorliegt, allein die neuere Rechtsprechung maßgebend (vgl. Beschluß des Senats vom 2. Februar 1990 – BVerwG 6 PB 13.89 – ≪a.a.O.≫; BAG, Beschluß vom 15. Juli 1986 – 1 ABN 13/86 – ≪NZA 1986, 843≫). Von ihr weicht der angefochtene Beschluß aber nicht ab.

2. Eine Abweichung läßt sich ferner nicht in bezug auf die Beschlüsse des Senats vom 13. Februar 1979 (– BVerwG 6 P 48.78 – ≪BVerwGE 57, 280≫ und vom 30. September 1983 – BVerwG 6 P 4.82 – ≪PersV 1985, 167≫) feststellen. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt, es bestehe insoweit eine Divergenz, als die Beschwerdeentscheidung von der Begründung getragen werde, der Personalrat könne bei gleichliegenden, immer wieder auftretenden Fällen seine Zustimmung zu den mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen auch im voraus erteilen; im Hinblick auf das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit dürfe er sich (für Eilfälle) einer vorsorglichen Regelung jedenfalls nicht entziehen; dies solle nach der Beschwerdeentscheidung offenbar zeitlich unbeschränkt möglich und zumutbar sein, mit der Folge, daß dann auch eine Zustimmungsfiktion, wie sie vom Beschwerdegericht angenommen worden sei, zeitlich unbegrenzt fortwirke.

Mit diesen wohl grundsätzlich bedeutsamen Ausführungen weicht die Beschwerdeentscheidung von den genannten Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts nicht ab. Soweit sich der beschließende Senat darin mit dem Begriff der „Einstellung” befaßt hat, ging es um die Abgrenzung des Mitbestimmungstatbestandes des § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG, also um die der Tatbestandsseite zuzuordnende Frage, unter welchen Voraussetzungen eine einzelne Maßnahme nach dieser Vorschrift der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt. Zu der vom Beschwerdegericht entschiedenen und allein die Rechtsfolgeseite betreffende Frage, in welcher Weise ein gegebenes Mitbestimmungsrecht rechtzeitig ausgeübt werden kann oder muß, wenn eine Mehrzahl oder Vielzahl gleichliegender Fälle immer wieder und zu einem nicht vorhersehbaren Zeitpunkt auftritt, insbesondere auch zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Einstellungsfälle im vorausgesetzten Sinne „gleichliegend” sein können, enthalten die Beschlüsse des Senats keine Aussage. Aus ihnen lassen sich allenfalls Schlußfolgerungen herleiten, die möglicherweise zwar in Teilaspekten für die Beantwortung der vom Beschwerdegericht entschiedenen Rechtsfrage dienlich sein könnten. Ob dies wirklich der Fall ist, kann hier aber offenbleiben. Denn selbst wenn diese Schlußfolgerungen zuträfen und die Beschwerdeentscheidung ihnen widerspräche, ließe sich damit eine Divergenz im dargelegten Sinne nicht begründen. Solche Schlußfolgerungen könnten allenfalls im Rahmen der Überprüfung eines Rechtsbeschwerdeverfahrens bedeutsam sein. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde sind sie es nicht.

3. Ähnliches gilt für die behauptete Abweichung vom Beschluß des OVG Hamburg vom 20. Mai 1986 – OVG Bs PB 8/85 –, Der nach dem Vorbringen der Nichtzulassungsbeschwerde in dieser Entscheidung enthaltene abstrakte Rechtssatz verhält sich unmittelbar ebenfalls nur zur Tatbestandsseite der Mitbestimmung bei Einstellungen, nämlich dazu, daß das Mitbestimmungsrecht unabhängig von der Dauer der Beschäftigung bei der befristeten Einstellung auch dann bestehe, wenn das Arbeitsverhältnis nur wenige Tage dauern solle.

4. Schließlich ist eine Divergenz im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG nicht gegeben, soweit der angefochtene Beschluß von den Ausführungen in dem Beschluß des OVG Bremen vom 17. Februar 1987 – OVG PV-B 6/86 – (PersR 1987, 153 ≪155≫) abweicht.

Eine solche Divergenz setzt voraus, daß beide Entscheidungen entweder auf der Grundlage derselben Vorschrift oder auf der Grundlage wörtlich übereinstimmender und daher für eine Divergenz grundsätzlich in Betracht kommender Vorschriften des Bundes- oder Landesrechts ergangen sind. Fehlt es daran, ist eine Abweichung, die die Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtfertigen könnte, ausgeschlossen, weil zu Vorschriften mit unterschiedlichem sachlichen Regelungsgegenstand selbstverständlich voneinander abweichende Rechtssätze entwickelt werden können (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschlüsse vom 12. Dezember 1983 – BVerwG 6 PB 21.83 – und vom 9. März 1987 – BVerwG 6 PB 28.86 –; vgl. ferner BVerwG, Beschlüsse vom 16. Februar 1976 – BVerwG 7 B 18.76 – ≪Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 143≫ und vom 16. Oktober 1979 – BVerwG 2 B 61.79 – ≪Buchholz 237.1 Art. 15 BayBG Nr. 3≫). Gleiches muß für Vorschriften gelten, die zwar teilweise, was ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal betrifft, in ihrem Wortlaut gleichlautend sind, die aber in einem für die systematische Auslegung bedeutsamen andersartigen Regelungszusammenhang stehen. Davon aber ist hier auszugehen.

Der abstrakte Rechtssatz in der Entscheidung des OVG Bremen, das Mitbestimmungsrecht bei Einstellungen gebe dem Personalrat „die Befugnis, Einwendungen gegen die Befristung und sonstige Modalitäten der Einstellung zu erheben und seine Zustimmung dazu aus Gründen zu verweigern, die sich auf die kollektiven Belange beziehen”, ist in Anwendung und Auslegung des § 65 Abs. 1 Buchst. c BremPersVG ergangen. Diese Vorschrift ist wiederum durch den systematischen Zusammenhang mit der nach bremischem Landesrecht dem Personalrat eingeräumten Allzuständigkeit gekennzeichnet (§ 65 Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 BremPersVG; vgl. hierzu auch BVerwGE 19, 359 ≪361≫). Dieser besondere rechtssystematische Zusammenhang, der bei der hier anzuwendenden Vorschrift des § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG nicht gegeben ist, nötigt zu einer eigenständigen Auslegung des § 65 Abs. 1 Buchst. c BremPersVG. Darauf ist der Senat in dem Beschluß über die gegen den genannten Beschluß des OVG Bremen eingelegte und im gegebenen Zusammenhang auch erfolgreiche Rechtsbeschwerde ausführlich eingegangen (vgl. Beschluß vom 17,. August 1989 – BVerwG 6 P 11.87 – ≪PersR 1989, 327 = ZBR 1990, 50≫).

 

Unterschriften

Dr. Eckstein, Ernst, Albers

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1178903

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