Entscheidungsstichwort (Thema)

Personalvertretungsrechtliches Beschlußverfahren. Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde. Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs

 

Leitsatz (amtlich)

Im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren kann die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde nicht auf einen Verfahrensverstoß gestützt werden. Das gilt auch für die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (wie Beschluss vom 23. August 1989 – BVerwG 6 PB 10.89 – Buchholz 250 § 83 BPersVG Nr. 49).

 

Normenkette

SAPersVG § 78; ArbGG §§ 72, 72a, 92, 92a

 

Verfahrensgang

OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 30.07.2003; Aktenzeichen 5 L 2/03)

VG Magdeburg (Entscheidung vom 22.11.2002; Aktenzeichen 11 A 15/00 MD)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt – Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen – vom 30. Juli 2003 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 78 Abs. 2 SAPersVG i.V.m. § 92a ArbGG hat keinen Erfolg.

1. Der Beteiligte zu 2 ist durch den angefochtenen Beschluss beschwert. Zwar hat das Oberverwaltungsgericht über die auch vom Beteiligten zu 2 eingelegte Beschwerde nicht ausdrücklich förmlich entschieden. Indem es jedoch die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen hat, hat es zugleich den zweitinstanzlichen Sachantrag des Beteiligten zu 2 abgelehnt, welcher – ebenso wie derjenige des Antragstellers – darauf gerichtet war, unter Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses dem Antrag auf zusätzliche Kostenerstattung zu entsprechen.

2. Die gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 72a Abs. 2 und 3, § 92 Abs. 1 Satz 2, § 92a ArbGG zulässige Divergenzrüge ist nicht begründet. Der angefochtene Beschluss weicht nicht von der in der Beschwerdebegründung bezeichneten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab.

a) Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts steht nicht im Widerspruch zum Senatsbeschluss vom 14. Februar 1990 – BVerwG 6 P 13.88 – (Buchholz 250 § 44 BPersVG Nr. 17). Nach dieser zu § 44 Abs. 1 Satz 2 BPersVG ergangenen Entscheidung ist der dem Dienstort i.S. von § 2 Abs. 2 Satz 1 BRKG vergleichbare Ort, an welchem ein freigestelltes Mitglied des Bezirkspersonalrats seine Personalratstätigeit ausübt, der Sitz der Geschäftsstelle des Bezirkspersonalrats. Dorthin hatte der Antragsteller jenes Verfahrens den Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit und damit seinen “Dienstort” verlagert. Dass er gleichzeitig noch – nicht freigestelltes – Mitglied des örtlichen Personalrats am Sitz seiner bisherigen Dienststelle war, änderte daran nichts, weil er dort nur gelegentlich tätig war (a.a.O. S. 15 f.).

Die daraus ersichtlichen Grundsätze für die Reisekostenvergütung freigestellter Mitglieder von Stufenvertretungen hat das Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Fall bei Anwendung des § 42 Abs. 2 SAPersVG zugrunde gelegt, der – im Grundsatz ebenso wie § 44 Abs. 1 Satz 2 BPersVG – die entsprechende Anwendung des Bundesreisekostengesetzes vorschreibt. Mit seinen Aussagen, dass der Dienstort des Beamten demjenigen Ort entspricht, an dem das Mitglied des Personalrats seine berufliche Tätigkeit ausschließlich oder jedenfalls im Schwerpunkt ausübt, und dass bei freigestellten Personalratsmitgliedern “Dienstort” derjenige Ort ist, von dem aus sie ihre Personalratstätigkeit ausüben, somit als “Dienstort” des freigestellten Personalratsmitgliedes in entsprechender Anwendung des § 2 Abs. 2 BRKG der Sitz der Personalvertretung gilt, hat das Oberverwaltungsgericht die Rechtssätze im zitierten Senatsbeschluss sinngemäß zutreffend wiedergegeben. Es hat dabei – ebenso wie der Senat im Beschluss vom 14. Februar 1990 – den Grundsatz, wonach “Dienstort” des freigestellten Mitglieds der Stufenvertretung deren Sitz ist, durch eine Schwerpunktbetrachtung ergänzt, welche die gelegentliche Tätigkeit außerhalb des Sitzes der Stufenvertretung einbezieht. Es hat daher auch den Umstand berücksichtigt, dass der Antragsteller im streitbefangenen Zeitraum zu einem geringen Teil auch am bisherigen Dienstort Halle tätig war.

b) Soweit sich die Abweichungsrüge auf den Senatsbeschluss vom 4. September 1995 – BVerwG 6 P 20.93 – (Buchholz 251.7 § 26 NWPersVG Nr. 1) stützt, geht sie offensichtlich fehl. Bereits aus der auf Seite 11 der Beschwerdebegründung zitierten Beschlusspassage (Buchholz a.a.O. S. 3) ergibt sich, dass die Übernahme von Begriffsinhalten aus dem Beamten- und Tarifrecht stets unter dem Vorbehalt eines speziellen personalvertretungsrechtlichen Verständnisses steht. Im hier in Rede stehenden Zusammenhang der Reisekostenvergütung ordnet § 42 Abs. 2 SAPersVG für alle Personalratsmitglieder unabhängig davon, ob es sich um Beamte oder Arbeitnehmer handelt, die Anwendung des Bundesreisekostengesetzes an, so dass sich gruppenspezifische Differenzierungen verbieten.

c) Der angefochtene Beschluss weicht schließlich nicht vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Dezember 1993 – BVerwG 10 C 11.91 – (BVerwGE 94, 364) ab. Abgesehen davon, dass sich diese Entscheidung zu den Besonderheiten einer entsprechenden Anwendung des Bundesreisekostengesetzes auf die Reisekostenvergütungen von Personalratsmitgliedern nicht verhält, lässt sich ihr keine Aussage des Inhalts entnehmen, dass ein Wechsel des Dienstorts nur dann anzunehmen ist, wenn der Beamte am ursprünglichen Dienstort keinerlei dienstliche Tätigkeit mehr wahrnimmt.

3. Die Verfahrensrüge in Form der Gehörsrüge ist unstatthaft und daher unzulässig. Die im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren entsprechend anzuwendenden Bestimmungen in § 72 Abs. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2, § 92a Satz 1 ArbGG sehen im Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde lediglich die Abweichungsrüge und – im stark eingeschränkten Umfang – die Grundsatzrüge vor. Nach dem eindeutigen und einer abweichenden Auslegung nicht zugänglichen Wortlaut der Bestimmungen ist dagegen eine Verfahrensrüge ausgeschlossen. Dies gilt auch für die gerügte Verletzung von Verfahrensrechten, welche – wie der Anspruch auf rechtliches Gehör – ihre Grundlage im Verfassungsrecht finden (vgl. Beschluss vom 23. August 1989 – BVerwGE 6 PB 10.89 – Buchholz 250 § 83 BPersVG Nr. 49; BAG, Beschluss vom 5. August 1986 – 3 AZN 9/86 – AP Nr. 24 zu § 72a ArbGG 1979).

Allerdings sichert der rechtsstaatliche Justizgewährungsanspruch Rechtsschutz gegen die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in jeder gerichtlichen Instanz, also auch dann, wenn das Verfahrensgrundrecht erstmalig in einem Rechtsmittelverfahren verletzt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 – DVBl 2003, 932, 935). Doch ist der Gesetzgeber nicht gehalten, für die Korrektur der Gehörsverletzung eine weitere Instanz vorzusehen. Vielmehr kommt auch ein Rechtsbehelf an dasjenige Gericht in Betracht, dessen Verfahrenshandlung als fehlerhaft gerügt wird (iudex a quo; vgl. BVerfG a.a.O. S. 936). Diesen Weg ist der Gesetzgeber in § 321 a ZPO bereits gegangen. Die rechtsstaatlich gebotene Korrektur einer erstmaligen Gehörsverletzung in der Beschwerdeinstanz des personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens wäre daher bereits jetzt möglich, wenn nicht nur das erstinstanzliche arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 2003 – 1 BvR 131/03 –; Germelmann, in: Germelmann/ Matthes/Prütting/Müller-Glöge, Arbeitsgerichtsgesetz, 4. Aufl. 2002, § 55 Rn. 21k bis o, § 64 Rn. 28 b; Helml, in: Hauck/Helml, Arbeitsgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2003, § 55 Rn. 19, 20), sondern auch das zweitinstanzliche arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren vom Anwendungsbereich des § 321 a ZPO erfasst wäre. Verneint man dies (so Germelmann a.a.O. § 64 Rn. 28d; vgl. dazu allgemein: Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl. 2003, § 321a Rn. 4), so erweist sich das geschriebene, im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren anzuwendende Verfahrensrecht als rechtsstaatlich defizitär. Denn eine unter einem Gehörsverstoß leidende, die Beschwerdeinstanz abschließende gerichtliche Entscheidung kann vom Rechtsbeschwerdegericht nicht korrigiert werden, sofern die Rechtsbeschwerde nicht wegen Abweichung oder grundsätzlicher Bedeutung zugelassen wird. Der Gesetzgeber hat jedoch Gelegenheit, diesem Defizit bis zum 31. Dezember 2004 abzuhelfen. Bis zur gebotenen Neuregelung bleibt es bei der gegenwärtigen Rechtslage (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003, a.a.O. S. 938). Angesichts dessen sieht der Senat keine Möglichkeit, entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut in das System der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 Abs. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2, § 92a Satz 1 ArbGG eine Gehörsrüge zu integrieren. Die Kompetenz zur richterlichen Rechtsfortbildung würde damit überschritten.

 

Unterschriften

Bardenhewer, Büge, Vormeier

 

Fundstellen

ZBR 2004, 146

ZTR 2004, 109

PersR 2004, 59

RiA 2004, 289

ZfPR 2004, 45

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