Verfahrensgang

OVG für das Land NRW (Beschluss vom 01.07.1994; Aktenzeichen 1 A 1502/91.PVL)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen – Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen – vom 1. Juli 1994 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist – soweit sie den Darlegungsanforderungen genügt – unbegründet. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des Beschwerdegerichts sind nicht gegeben. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts weicht nicht gemäß § 79 Abs. 2 NWPersVG i.V.m. §§ 92 a Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG von den in der Beschwerdeschrift angeführten Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts ab.

Eine die Rechtsbeschwerde eröffnende Divergenz läge nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann vor, wenn das Beschwerdegericht seinem Beschluß einen abstrakten, die Entscheidung tragenden Rechtssatz zugrunde gelegt hätte, der im Widerspruch zu einem ebensolchen Rechtssatz in einem der bezeichneten Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts stünde. Die genannten Voraussetzungen sind nach dem Vorbringen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gegeben.

Das Beschwerdegericht hat entschieden, daß der zuletzt gestellte Antrag des Antragstellers,

festzustellen, daß, sofern der aus Anlaß einer bevorstehenden Personalversammlung vom Personalrat verfaßte und dem Dienststellenleiter zwecks Veranlassung des Drucks vorgelegte Rechenschaftsbericht von diesem hinsichtlich einiger Textstellen als verunglimpfend beanstandet wird und der Personalrat daraufhin die beanstandeten Textstellen abändert, die (der) Vorsitzende des Personalrats nicht berechtigt ist, zu Beginn der Personalversammlung Textstellen aus dem ursprünglichen Rechenschaftsbericht des Personalrats zu zitieren und die Vorgehensweise der Dienststelle in diesem Zusammenhang als Machtdemonstration zu bezeichnen,

unzulässig sei, weil es dafür (nach Erledigung des auslösenden Vorgangs) am Rechtsschutzinteresse fehle. Dieses Interesse sei (im Anschluß an den Beschluß des Senats vom 2. Juni 1993 – BVerwG 6 P 3.92 – BVerwGE 92, 295) nur dann zu bejahen, wenn sich die strittige und (für die Würdigung des auslösenden Vorgangs) entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwischen denselben Verfahrensbeteiligten auch künftig mit einiger – mehr als nur geringfügiger – Wahrscheinlichkeit erneut stellen werde. Das sei hier nach Auffassung des Beschwerdegerichts nicht der Fall. Bei dem Streit zwischen den Beteiligten, wie er im Antrag seinen Niederschlag gefunden habe, gehe es um einen Vorgang, der durch zahlreiche Besonderheiten im Zusammenhang mit der Durchführung einer schon längere Zeit zurückliegenden Personalversammlung geprägt sei, so daß nur eine geringfügige Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, daß sich die seinerzeit streitig gewordene Frage erneut stellen werde. Dies gelte um so mehr, als zwischenzeitlich die Person des Dienststellenleiters, des Antragstellers, als auch die der Vorsitzenden des zu 2) beteiligten Personalrats gewechselt hätten.

Soweit in diesen Ausführungen verallgemeinerungsfähige Rechtssätze enthalten sind, weichen sie nicht in einem für die Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen Divergenz vorausgesetzten Sinne von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab, sondern stehen mit ihr in Einklang. Schon in seinem Beschluß vom 10. Januar 1991 – BVerwG 6 P 14.88 – Buchholz 250 § 83 BPersVG Nr. 58 hat der Senat nämlich wie folgt entschieden: Es fehlt am Rechtsschutzinteresse, wenn der Vorgang, der das Verfahren ausgelöst hat, abgeschlossen ist und nur eine geringe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß sich ein gleichartiger Vorgang wiederholen wird oder daß sich die streitig gewesene Rechtsfrage den Verfahrensbeteiligten in anderem Zusammenhang in gleicher Weise erneut stellen wird. Unter diesen Voraussetzungen würde eine gleichwohl ergehende gerichtliche Entscheidung weder die ursprüngliche personalvertretungsrechtliche Auseinandersetzung beenden, noch würde sie ein über diese Auseinandersetzung hinausgehendes, konkretes Bedürfnis nach Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens bestimmter personalvertretungsrechtlicher Befugnisse befriedigen. Eine solche Entscheidung hätte nur noch die Bedeutung einer gutachterlichen Äußerung zu der anfänglich aus einem konkreten Vorgang erwachsenen, mit dessen Beendigung aber „abstrakt” gewordenen Rechtsfrage, zu deren Abgabe die Gerichte nicht berufen sind.

Eine mehr als nur geringfügige Wahrscheinlichkeit dafür, daß sich ein gleichartiger Vorgang wiederholen wird oder daß sich die streitig gewesene Rechtsfrage den Verfahrensbeteiligten in anderem Zusammenhang in gleicher Weise erneut stellen wird, hat das Beschwerdegericht verneint. Es hat dies in nachvollziehbarer Weise damit begründet, daß es um einen Vorgang gehe, der durch zahlreiche Besonderheiten im Zusammenhang mit der Durchführung einer schon längere Zeit zurückliegenden Personalversammlung geprägt sei. Es liegt auf der Hand, daß die Berechtigung eines mit dem Antrag angesprochenen Verhaltens von Personalratsvorsitzenden – wenn es denn als ein vergleichbares überhaupt mit mehr als nur geringfügiger Wahrscheinlichkeit erneut zu erwarten wäre – im Einzelfall davon abhängig sein könnte, ob der Dienststellenleiter Textstellen in einem ihm vorgelegten Rechenschaftsbericht zu Recht als verunglimpfend beanstandet, in welchem Ausmaße dies der Fall ist und welches Gewicht dem zukommt, sowie davon, ob darin, daß der Personalrat die beanstandeten Textstellen abändert, ein Anerkenntnis dieser Würdigung liegt. Selbstverständlich kann auch die Wahrscheinlichkeit, ob es in Auseinandersetzungen zwischen Dienststellenleitern und Personalratsvorsitzenden überhaupt zu Verunglimpfungen kommt, obwohl diese unzulässig sind (vgl. dazu im Zusammenhang des § 28 BPersVG: Beschluß vom 22. August 1991 – BVerwG 6 P 10.90 – Buchholz 250 § 67 BPersVG Nr. 7), davon abhängig sein, ob die Personen, die an derart gespannten Beziehungen beteiligt sind, weiter im Amt bleiben. Einen verallgemeinerungsfähigen Erfahrungssatz, daß die Dienststellenleiter generell mit mehr als nur geringfügiger Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen hätten, in Rechenschaftsberichten von Personalratsvorsitzenden verunglimpft zu werden, gibt es jedenfalls nicht.

Offensichtlich darf für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit, ob sich ein gleichartiger Vorgang wiederholen wird, auch der Zeitablauf in Betracht gezogen werden. Die Beschwerde stellt dies zwar in Frage, nennt aber keine Entscheidung des Senats, von der das Oberverwaltungsgericht mit der Verwendung dieses Kriteriums abgewichen sei. Im übrigen hat dieses Gericht nicht allein oder einseitig auf den Zeitablauf abgestellt, sondern die zahlreichen Besonderheiten bei der Durchführung der Personalversammlung hervorgehoben und ferner auf die Wechsel in der Person des Dienststellenleiters und des Personalratsvorsitzenden hingewiesen. Daß dieses Vorgehen mit der Rechtsprechung des Senats nicht in Einklang stehe, ist den Ausführungen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu entnehmen.

Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde sich auf mehrere Entscheidungen des Senats beruft und eine Reihe von Rechtssätzen aus ihnen wiedergibt, hat sie damit eine Divergenz nicht dargetan. Insbesondere hat sie ihnen – mit einer Ausnahme – keine konkreten Rechtssätze aus der Entscheidung des Beschwerdegerichts gegenübergestellt, die von einem dieser Rechtssätze abweichen würden.

Die genannte Ausnahme betrifft das Vorbringen zu einer vermeintlichen Divergenz zum Beschluß des Senats vom 27. Februar 1985 – BVerwG 6 P 32.82 – Buchholz 238.37 § 79 NWPersVG Nr. 3. Soweit aber in diesem Beschluß die Anforderungen an die das Rechtsschutzbedürfnis begründende Wahrscheinlichkeit damit umschrieben werden, daß es ausreiche, wenn die Streitfrage „sich jederzeit wieder stellen kann”, hat der Senat diese Umschreibung in seiner jüngeren Rechtsprechung fallengelassen und in der genannten Weise präzisiert, daß dafür eine „mehr als nur geringfügige Wahrscheinlichkeit” bestehen müsse. Nur auf diese jüngere Rechtsprechung kann es für die Begründung einer Divergenz ankommen. Wenn das Beschwerdegericht diese neuere Formel aufgegriffen hat, liegt darin folglich keine Divergenz im angelegten Maßstab.

Was die Nichtzulassungsbeschwerde zur Begründung einer vermeintlichen Divergenz zu dem Beschluß vom 27. Februar 1985 im übrigen vorbringt, genügt hingegen nicht den Darlegungsanforderungen des § 92 a Satz 2 i.V.m. § 72 a Abs. 3 Satz 2 ArbGG. Mit diesem Vorbringen (S. 7 unten bis S. 9 der Beschwerdebegründung) wird lediglich versucht, die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit durch das Beschwerdegericht mit tatsächlichen Hinweisen und mit einer eigenständigen Würdigung des Sachverhalts als unzutreffend darzustellen. Derartiges Vorbringen kann die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht rechtfertigen. Mit ihm verkennt die Rechtsbeschwerde nicht nur den grundsätzlichen Unterschied zwischen den Verfahren einer zugelassenen Rechtsbeschwerde und einer Nichtzulassungsbeschwerde. Es übersieht auch, daß selbst im Falle einer zugelassenen Rechtsbeschwerde eine solche Tatsachenwürdigung des Beschwerdegerichts durch das Rechtsbeschwerdegericht im allgemeinen nicht korrigiert werden kann, wenn der rechtliche Maßstab, der dabei angewendet worden ist, keinen Grund zu Beanstandungen gibt.

Ähnlich verhält es sich mit dem Vorbringen zur Begründung einer vermeintlichen Divergenz zum Beschluß des Senats vom 2. Juni 1993 – BVerwG 6 P 23.91 – Buchholz 251.7 § 65 NWPersVG Nr. 29. In diesem als Divergenzentscheidung bezeichneten Beschluß ist zwar ausgeführt, daß im Personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren auch nach Erledigung des Streitfalles noch eine dem Vorgang zugrunde liegende personalvertretungsrechtliche Streitfrage als abstrakte Rechtsfrage einer Klärung durch eine gerichtliche Feststellung zugeführt werden kann. Das gilt jedoch nicht für jede Streitfrage, sondern eben nur für solche, über die es „mit einiger – mehr als nur geringfügiger – Wahrscheinlichkeit wiederum Streit” geben wird. Einen entsprechenden abstrakten Antrag hat der Antragsteller zwar gestellt. Diese Fassung des Antrages wurde vom Beschwerdegericht auch als statthaft angesehen. Nach seiner Auffassung ist es dem Antragsteller hingegen nicht gelungen, damit eine solche Rechtsfrage zur Entscheidung zu stellen, die nicht nur verallgemeinerungsfähig ist, sondern sich außerdem auch mit entsprechender Wahrscheinlichkeit unter den Verfahrensbeteiligten erneut stellen wird. Soweit sie sich dagegen wendet, beschränkt sich die Nichtzulassungsbeschwerde wiederum nur auf eine abweichende Einschätzung dieser Wahrscheinlichkeit (S. 11 der Beschwerdebegründung). Nichts anderes gilt für das Vorbringen zur vermeintlichen Abweichung von dem schließlich noch als Divergenzentscheidung bezeichneten Beschluß des Senats vom 2. Juni 1993 – BVerwG 6 P 3.92 – a.a.O. Abgesehen davon, daß das Beschwerdegericht seiner Entscheidung wörtliche Formulierungen aus diesem Beschluß zugrunde gelegt hat, stützt sich die Nichtzulassungsbeschwerde hier abermals nur auf ihre eigene, abweichende Sachverhaltswürdigung (S. 13 der Beschwerdebegründung).

 

Unterschriften

Niehues, Albers, Vogelgesang

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1215850

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