Entscheidungsstichwort (Thema)

Bebauungsplan: Normenkontrolle. naturschutzrechtliche Eingriffsregelung. Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, Kompensation. städtebaulicher Vertrag. Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Bebauungsplan für räumlich getrennte Teilbereiche. Eingriffsbebauungsplan. Ausgleichsbebauungsplan

 

Leitsatz (amtlich)

Ein planbedingter Eingriff im Sinne des § 8a Abs. 1 BNatSchG kann durch Maßnahmen außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans ausgeglichen werden. Zur Sicherung und zur Durchführung dieser Maßnahmen ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen Gemeinde und staatlicher Naturschutzbehörde ein zulässiges Mittel.

 

Normenkette

VwGO a.F. § 47 Abs. 5 S. 1 Nr. 1; BauGB § 1 Abs. 5 Sätze 1, 2 Nr. 7, § 9; BauGB-MaßnahmenG § 6; BNatSchG § 8 Abs. 2 S. 1, Abs. 9, § 8a Abs. 1

 

Verfahrensgang

VGH Baden-Württemberg (Entscheidung vom 26.07.1996; Aktenzeichen 5 S 2054/95)

 

Tenor

Ein planbedingter Eingriff im Sinne des § 8a Abs. 1 BNatSchG kann durch Maßnahmen außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans ausgeglichen werden. Zur Sicherung und zur Durchführung dieser Maßnahmen ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen Gemeinde und staatlicher Naturschutzbehörde ein zulässiges Mittel.

 

Tatbestand

I.

1. Die Beteiligten streiten im Normenkontrollverfahren über die Gültigkeit eines Bebauungsplans, den die Antragsgegnerin, eine Gemeinde in Baden-Württemberg, erlassen hat. Die Gemeinde ist Eigentümerin des etwa 3,7 ha großen Plangebietes. Das Gebiet ist ringsherum von Wald umgeben. Es ist von dem Wohngebiet, in dem die Antragsteller Wohngrundstücke besitzen, etwa 200 m entfernt.

Der Bebauungsplan will die Ansiedlung zweier größerer Unternehmen ermöglichen, nämlich eines Großhandelshauses und einer Spedition. Der Plan enthält dazu entsprechende Festsetzungen. In seinem Textteil sieht er Maßnahmen zum Schutz und zur Entwicklung von Natur und Landschaft (§ 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB) und zur Erhaltung von Bepflanzungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 25b BauGB) und Pflanzgebote (§ 9 Abs. 1 Nr. 25a BauGB) vor.

Im Aufstellungsverfahren wurde erkannt, daß die mit dem Bebauungsplan vorgesehene Bebauung zu einem Eingriff in Natur und Landschaft führe. Da ein Ausgleich im Plangebiet ausgeschlossen schien, wurde als Ausgleichsfläche ein unmittelbar nördlich an das Plangebiet angrenzendes, im Wald gelegenes ehemaliges Sandabbaugelände vorgeschlagen. Es liegt in einem Gebiet, das unter Landschaftsschutz steht. Die Antragsteller trugen dazu im Aufstellungsverfahren vor, der beabsichtigte Bebauungsplan verkenne den landesgesetzlichen Biotopschutz. Auch der naturschutzrechtlich gebotene Ausgleich des planbedingten Eingriffs in Natur und Landschaft sei wegen Nichteinbeziehung der Ausgleichsmaßnahmen in das vorgesehene Plangebiet unzureichend.

Der Gemeinderat der Antragsgegnerin befaßte sich am 25. April 1995 mit den eingegangenen Anregungen und Bedenken. Die von den Antragstellern erhobenen Einwendungen wies er zurück und beschloß den Bebauungsplan als Satzung. Zuvor, nämlich am 1. Februar 1995, hatte die untere Naturschutzbehörde einen mit der Gemeinde abzuschließenden öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Ausgleichsmaßnahmen unterzeichnet; von der Gemeinde wurde der Vertrag am 4. Mai 1995 unterschrieben. In dem Vertrag verpflichtete sich die Antragsgegnerin, innerhalb des erwähnten Sandabbaugeländes die in einem Grünordnungsplan vorgeschlagenen Ausgleichsmaßnahmen zu verwirklichen. Nachdem das zuständige Landratsamt im Anzeigeverfahren gegen den angezeigten Bebauungsplan keine Bedenken geltend gemacht hatte, wurde der Bebauungsplan am 27. Juli 1995 im Amtsblatt der Antragsgegnerin bekanntgemacht.

2. Die Antragsteller haben beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Verfahren der Normenkontrolle beantragt, den Bebauungsplan der Antragsgegnerin vom 25. April 1995 für nichtig zu erklären. Sie machen unter anderem geltend, daß der Bebauungsplan wegen Verletzung naturschutzrechtlicher Bestimmungen unwirksam sei. Ein Ausgleich der Eingriffsfolgen müsse stets im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans erfolgen. Es sei unzulässig, die notwendigen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für den mit der Planung verbundenen Eingriff außerhalb des Geltungsbereichs des Planes vorzusehen. Der zwischen der Antragsgegnerin und der unteren Naturschutzbehörde geschlossene öffentlich-rechtliche Vertrag zur Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen ändere daran nichts.

Die Antragsgegnerin ist dieser Auffassung entgegengetreten. Nach ihrer Ansicht verlangt § 8a Abs. 1 BNatSchG nicht, daß die für notwendig erachteten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Plangebiet selbst festgesetzt würden. Diese könnten auch in einem Vertrag zwischen Gemeinde und unterer Naturschutzbehörde für ein an das Plangebiet angrenzendes Gelände geregelt werden.

3. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat sein Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 47 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 VwGO a.F. wegen grundsätzlicher Bedeutung die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt,

ob § 8a BNatSchG es zulasse, daß eine Gemeinde einen planbedingten Eingriff in Natur und Landschaft durch Maßnahmen außerhalb des Plangebietes kompensiere, zu deren Durchführung sie sich in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag mit der Naturschutzbehörde verpflichte.

Das vorlegende Gericht möchte die Frage bejahen und begründet dies in seiner Vorlagebegründung näher (vgl. VBlBW 1996, 465).

Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Äußerung. Die Antragsteller halten die Vorlage für unzulässig, weil die Vorlagefrage nicht entscheidungserheblich sei. Der gestellte Normenkontrollantrag sei bereits aus anderen Gründen gerechtfertigt. Im übrigen sei die Vorlagefrage zu verneinen.

Der Oberbundesanwalt hält einen öffentlich-rechtlichen Vertrag über die nach § 8a BNatSchG gebotenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für planbedingte Eingriffe grundsätzlich für zulässig. § 8a Abs. 1 BNatSchG enthalte kein Verbot. Vertragliche Regelungen seien nicht auf das jeweilige Plangebiet beschränkt. Der für erforderlich erachtete Ausgleich und Ersatz müsse allerdings tatsächlich realisierbar und rechtlich gesichert sein.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Vorlage ist zulässig.

1.1 Das Bundesverwaltungsgericht hat über die Normenkontrollvorlage nach Maßgabe bisherigen Prozeßrechts zu befinden.

Art. 1 Nr. 2 Buchst. b) des Sechsten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze (6. VwGO-ÄndG) vom 1. November 1996 (BGBl I S. 1626) hat § 47 Abs. 5 VwGO mit Wirkung vom 1. Januar 1997 aufgehoben. Damit entfällt im oberverwaltungsgerichtlichen Normenkontrollverfahren künftig die Möglichkeit der Normenkontrollvorlage.

Eine ausdrückliche Überleitungsvorschrift fehlt. Art. 10 Abs. 2 des genannten Änderungsgesetzes ist indes der Grundsatz zu entnehmen, daß Gerichtsverfahren, die vor dem 1. Januar 1997 eingeleitet worden waren, nach bisherigem Prozeßrecht fortzusetzen sind, wenn vor dem 1. Januar 1997 eine Entscheidung ergangen war. Nur diese Deutung des Überleitungsrechts ist prozeßökonomisch. Eine etwaige unbeschiedene “Rückgabe” der Vorlagefrage an das Normenkontrollgericht müßte folgerichtig später zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und damit erneut zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts führen (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Umweg ist im Sinne beschleunigter Klärung zu vermeiden.

1.2 Die gestellte Rechtsfrage ist nach § 47 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 VwGO a.F. vorlagefähig. Sie betrifft revisibles Recht. § 8a BNatSchG ist Bundesrecht. Er gilt unmittelbar (vgl. § 4 Satz 3 BNatSchG).

Die Vorlagefrage ist auch entscheidungserheblich. Das vorlegende Gericht legt näher dar, weshalb der im Normenkontrollverfahren angegriffene Bebauungsplan nicht aus anderen Gründen rechtswidrig ist (vgl. BVerwG, Beschluß vom 21. August 1995 – BVerwG 4 N 1.95 – BVerwGE 99, 127 ≪128≫). Eine Vorlagefrage ist dann entscheidungserheblich, wenn von ihrer Beantwortung die im Normenkontrollverfahren zu treffende Entscheidung abhängt. Für deren Inhalt muß es auf die vorzulegende Rechtsfrage ankommen. Das ist der Fall, wenn das Normenkontrollgericht für seine Verfahrensweise oder für seine das Verfahren abschließende Entscheidung die Frage, welche den Vorlagegrund abgibt, als tragenden Entscheidungsgrund nicht unentschieden lassen kann. Dabei ist die Rechtsansicht des vorlegenden Gerichts maßgebend, sofern sie nicht handgreiflich fehlerhaft ist (vgl. BVerwG, Beschluß vom 22. Mai 1987 – BVerwG 4 N 4.86 – BVerwGE 77, 308 ≪310≫). Es ist im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichts, Rechtsfragen zu beantworten, für die nach Maßgabe der § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO a.F. und § 47 Abs. 7 Satz 2 VwGO a.F. seine Zuständigkeit fehlen würde.

Nach diesen Maßstäben kann den Erwägungen des vorlegenden Gerichts zur Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage nicht entgegengetreten werden.

2. Die Vorlagefrage ist im Sinne der Beschlußformel zu beantworten. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

2.1 Jede Bauleitplanung fordert die Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Das ergibt sich nicht nur aus dem Berücksichtigungsgebot des § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 7 BauGB, sondern vor allem aus dem Planungsgrundsatz des § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB. Danach soll jeder Bauleitplan dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern und die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln. Damit wird der Schutz von Natur, Landschaft und Umwelt als eine hochrangige Aufgabe der Bauleitplanung bestimmt. Die natürlichen Lebensgrundlagen sind – wie § 1 Abs. 1 BNatSchG verdeutlicht – insbesondere die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes, aber auch die Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft.

§ 8a BNatSchG nimmt diesen gesetzgeberischen Grundgedanken der Bauleitplanung in Verbindung mit der Eingriffsregelung des § 8 Abs. 1 BNatSchG auf. Ist durch Umsetzung der Bauleitplanung ein Eingriff in Natur und Landschaft zu erwarten, so sind die besonderen Voraussetzungen des § 8a Abs. 1 BNatSchG zu beachten. Dazu verlangt § 8a Abs. 1 Satz 1 BNatSchG die entsprechende Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG. Soll ein Bebauungsplan erlassen werden, gehören dazu gemäß § 8a Abs. 1 Satz 2 BNatschG auch Entscheidungen über Festsetzungen im Sinne des § 9 BauGB, “die dazu dienen, die zu erwartenden Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes … auszugleichen, zu ersetzen oder zu mindern”. Die zu treffenden Maßnahmen können entweder für Grundstücksflächen vorgesehen werden, auf denen Eingriffe zu erwarten sind (Eingriffsgrundstücke), oder für Flächen im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans.

Die Formulierung des § 8a Abs. 1 BNatSchG wirft – soweit es für den vorliegenden Streitfall bedeutsam ist – in zweifacher Hinsicht Fragen der Auslegung auf. Es ist klärungsbedürftig, ob Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 1 und § 8 Abs. 9 BNatSchG in räumlicher Hinsicht nur auf im Eingriffs-Bebauungsplan gemäß § 8a Abs. 1 Satz 2 BNatSchG festgesetzten Flächen zulässig sind. Des weiteren – das ist der Kern der Vorlagefrage – ist zu klären, ob § 8a Abs. 1 Satz 2 BNatSchG als rechtstechnische Umsetzung derartiger Maßnahmen ausschließlich die Möglichkeit von Festsetzungen gemäß § 9 Abs. 1 BauGB zur Verfügung stellen will. Die Beantwortung der Vorlagefrage setzt eine weitgehende Klärung der ersten Frage voraus.

2.2 § 8a Abs. 1 Satz 2 BNatSchG geht von einem Geltungsbereich des Bauleitplans aus. Das wirft für einen Flächennutzungsplan kaum Fragestellungen auf, da ein derartiger vorbereitender Bauleitplan grundsätzlich für das gesamte Gemeindegebiet zu erlassen ist (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Bei einem Bebauungsplan ist dies anders. Sein räumlicher Geltungsbereich ist formal nicht vorgegeben (vgl. § 9 Abs. 7 BauGB). Zwar setzt der Bebauungsplan die Grenzen seines Geltungsbereiches selbst fest. Das ist rechtsstaatlich selbstverständlich. Dies beantwortet indes nicht die Frage, nach welchen Maßstäben die Gemeinde diese Grenzen zu bestimmen hat. Als Grundsatz gilt hier, daß die in § 1 Abs. 3 BauGB umschriebenen Erfordernisse maßgebend zu sein haben. Die räumlichen Grenzen sind – aus der Sicht des § 1 Abs. 3 BauGB – danach planerisch so zu bestimmen, daß den mit dem Bebauungsplan verfolgten städtebaulichen Erfordernissen entsprochen werden kann. Damit derartige Plangebiete nicht beziehungslos zueinander stehen, soll der verbindliche Bauleitplan gerade aus dem Flächennutzungsplan entwickelt werden (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB).

Diese städtebauliche Vorgaben kann mit der naturschutzrechtlichen Zielsetzung des § 8a Abs. 1 Satz 1 BNatSchG in einen gewissen Widerspruch geraten. Die durch § 8a Abs. 1 Satz 2 BNatSchG in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG gesetzlich gewollte Kompensationsplanung wird vielfach eine großflächige Betrachtungsweise erfordern. Das gilt vor allem dann, wenn die durch den Bebauungsplan zugelassenen Vorhaben die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes oder das Landschaftsbild intensiv belasten werden und daher gemäß § 8a Abs. 1 Satz 1 BNatSchG in Verb. mit § 8 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG ausgleichsbedürftig sind. Lokale, städtebaulich veranlaßte Eingriffslage und naturschutzrechtliche Kompensationsbedürftigkeit werfen neben Fragen der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB die zusätzliche Frage auf, ob und wo ein Ausgleich oder eine Ersatzmaßnahme zu verwirklichen ist, die den naturschutzrechtlichen Anforderungen des § 8 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG entspricht.

Der skizzierte Widerspruch kann nicht dahin aufgelöst werden, daß für die Bestimmung des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans allein die den Eingriff bedingenden städtebaulichen Gründe maßgebend zu sein haben. Ein derartiges einengendes Verständnis würde weder den Interessen der planenden Gemeinde noch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege gerecht. Bereits die Zielsetzung des § 1 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 BauGB deutet eine andere gesetzgeberische Sicht an; die Berücksichtigung der dort genannten Belange in der Planung verträgt keine kleinräumige Sichtweise. Die Gemeinde würde sonst in der ihr nach § 8a Abs. 1 Satz 1 BNatSchG aufgetragenen Entscheidung vor die Frage gestellt, ob sie zur Vermeidung eines Eingriffs auf die städtebaulich veranlaßte Planung verzichtet oder ob sie mit ihrer Planung die genannten Belange hintanstellt. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, daß er die Gemeinde an einer die großräumigen Zusammenhänge einbeziehenden Abwägung hätte hindern wollen, obwohl außerhalb des näheren Eingriffsbereichs geeignete Flächen zum Ausgleich oder für Ersatzmaßnahmen zur Verfügung stehen. Die Annahme, der Gesetzgeber wolle die Gemeinde gerade durch die skizzierte enge Alternative dazu anhalten, von Eingriffen in den Naturhaushalt und in das Landschaftsbild überhaupt abzusehen, steht mit der allgemeinen Zielsetzung des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes vom 22. April 1993 (BGBl I S. 466), das § 8a BNatSchG geschaffen hat, in offenkundigem Widerspruch. Ein vom Gesetzgeber gewollter “optimaler” Ausgleich der investiven Interessen mit den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege erfordert vielmehr, daß nicht nur Erfordernisse der baulichen Entwicklung den räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans bestimmen. Das Gebot der sachgerechten Abwägung, das § 8a Abs. 1 BNatSchG im Anschluß an § 1 Abs. 5 Satz 2 BauGB nochmals betont, schafft jenen sachlichen Zusammenhang der beteiligten öffentlichen Belange, welcher entsprechenden Ausdruck in den räumlichen Grenzen des Plangebietes finden muß. Mithin steuern in erster Linie die Sachprobleme den räumlichen Geltungsbereich, nicht indes dieser die Beantwortung der Sachfragen.

Erreichbar ist die Zielsetzung des § 8a Abs. 1 Satz 1 BNatSchG dann, wenn der räumliche Geltungsbereich eines Bebauungsplans auch jene Gebiete der Gemeinde erfaßt, welche als geeignete Ausgleichs- oder Ersatzflächen (Kompensationsflächen) für den planbedingten Eingriff in Betracht kommen. Das ist in dem Gebiet, das für eine bauliche Nutzung und einen damit verbundenen Eingriff in Natur und Landschaft beplant werden soll, oder in den unmittelbar angrenzenden Bereichen häufig nicht möglich, insbesondere dann nicht, wenn die angrenzenden Bereiche bereits bebaut oder beplant sind und sich hier eine städteplanerische Neuordnung nicht anbietet oder gar verfehlt wäre. Vielmehr steht nichts entgegen, daß sich ein einheitlich erlassener Bebauungsplan auf zwei voneinander räumlich getrennte Gebiete, also jeweils Teilgebiete eines räumlichen Geltungsbereichs, erstreckt. § 9 Abs. 7 BauGB steht dem nicht entgegen. Der von § 8a Abs. 1 Sätze 1 und 2 BNatSchG verfolgten und nach den Maßstäben des Abwägungsgebots des § 1 Absätze 5 und 6 BauGB umzusetzenden Zielsetzung nach Ausgleich und Ersatz kann damit unschwer genügt werden. Ein effektiver Schutz des Naturhaushalts und der Landschaftspflege ist gesetzlich gewollt. § 8a Abs. 1 BNatSchG will durch eine Vorverlagerung der Entscheidung über einen zu erwartenden Eingriff auf die Planungsebene nicht nur für das nachfolgende Baugenehmigungsverfahren eine investitive Sicherheit geben. Damit soll gleichzeitig die Erwägung beachtet werden, daß ein auf Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen bedachter Naturschutz planerische, also konzeptionelle Vorgaben erfordert. Daher bezieht § 8a Abs. 1 Sätze 1 und 2 BNatSchG ausdrücklich auch den das gesamte Gemeindegebiet erfassenden Flächennutzungsplan ein. Nur dies wird auch der in § 8a Abs. 1 Satz 4 BNatSchG eröffneten Möglichkeit der Zuordnung gerecht (ebenso E. Gassner NuR 1993, 252 ≪255≫; Louis ZUR 1993, 146 ≪150≫; Blume NVwZ 1993, 941 ≪943≫; ders., NVwZ 1994, 973 ≪974≫; Kuchler LKV 1994, 101; Enderle ZUR 1994, 70 ≪73≫; Dürr NVwZ 1994, 460 ≪466 ff.≫; de Witt DAB 1993, 1352; ders., in: Hoppenberg ≪Hrsg.≫, Handbuch des öffentlichen Baurechts, 4. Lfg. 1996, X. Abschn. Rn. 126 a.E.; Steinfort, VerwArch 86 ≪1995≫ S. 107 ff. ≪121 ff.≫; Stollmann UPR 1994, 170 ff. ≪173≫; Schink UPR 1995, 281 ≪286, 287; W. Schrödter, in: H. Schrödter (Hrsg.), BauGB, 5. Aufl., § 9 Rd. 99, 202; Nachtrag zum InWoBauLG § 8a BNatSchG Rn. 9; Messerschmidt, BNatSchG, § 8a Rn. 50; einschränkend Bunzel NVwZ 1994, 960 ff.; Schmidt-Eichstaedt DVBl 1994, 1165 ≪1174≫; J. Busse BayVBl 1996, 9 ≪13≫; a.A. Stich, in: Berl. Komm. zum BauGB, 2. Aufl., § 8a Rn. 42; Löhr, in: Battis u.a., BauGB, 5. Aufl., § 9 Rn. 57a; ders., LKV 1994, 324; Runkel NVwZ 1993, 1136 ≪1140≫; Portz, StuG 1994, 167 ≪172≫; Mitschang ZfBR 1995, 240 ≪242 f.≫; Fachkommission “Städtebau” der ARGEBAU, Muster-Einführungserlaß zum Investitions- und Wohnbauerleichterungsgesetz vom 20. Juli 1993, Nr. 11.44.3 S. 115 unter Hinweis auf die Gegenmeinung der Länderarbeitsgemeinschaft für Naturschutz, Landschaftspflege und Erholung ≪LANA≫).

2.3 Die naturschutzrechtliche Zielsetzung des § 8a Abs. 1 BNatSchG bedingt, daß im Gemeindegebiet Flächen zur Verfügung stehen, die als Ausgleichs- oder Ersatzflächen geeignet sind. Der darauf gerichtete Vollzug ist nicht auf die in § 8a Abs. 1 Satz 2 BNatSchG vorgesehenen Mittel begrenzt. Die Gemeinde kann grundsätzlich die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auch durch vertragliche Regelungen erreichen. Dies ergibt eine am Gesetzeszweck ausgerichtete Auslegung des § 8a Abs. 1 Satz 2 BNatSchG im Zusammenhang mit § 6 BauGB-MaßnahmenG. Ganz allgemein kann die Bauleitplanung bestimmte Problemlösungen dann auf ein nachfolgendes Verwaltungsverfahren übertragen, wenn dessen Ergebnis als sicher bereits im Rahmen der planerischen Abwägung antizipiert werden kann (vgl. BVerwG, Beschluß vom 28. August 1987 – BVerwG 4 N 1.86 – DVBl 1987, 1273 – Volksfürsorge; Beschluß vom 7. September 1988 – BVerwG 4 N 1.87 – BVerwGE 80, 184 – Schallschutzfenster; Beschluß vom 14. Juli 1994 – BVerwG 4 NB 25.94 – DVBl 1994, 1152 – Verkehrsprobleme). So liegt es auch hier:

Das Gesetz bezeichnet in § 8a Abs. 1 Satz 2 BNatSchG ausdrücklich nur das Mittel der bauplanerischen Festsetzung. Daraus läßt sich nicht im Sinne eines Umkehrschlusses entnehmen, der Gemeinde sei jede andere rechtliche Möglichkeit versagt. Maßgebend ist nicht das angegebene rechtstechnische Instrumentarium, sondern der tatsächliche Erfolg des Ausgleichs oder der Ersatzmaßnahme. Nur dieses Verständnis wird den städteplanerischen Interessen der Gemeinde einerseits und den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege andererseits gerecht. Bereits dies spricht gegen die Annahme, § 8a Abs. 1 Satz 2 BNatSchG wolle die verfahrensrechtlich gebotene Umsetzung nunmehr auf spezifische Mittel der Bauleitplanung begrenzen. Gewiß wird es im Regelfall naheliegen, Flächen, die zum Ausgleich oder Ersatz für planbedingte Eingriffe vorgesehen sind, im Geltungsbereich des Bebauungsplans festzusetzen (vgl. OVG Bautzen NVwZ 1996, 1028 = SächsVBl 1996, 113). Verfährt die Gemeinde in dieser Weise, so eröffnet ihr dies die Möglichkeit, nach § 8a Abs. 1 Satz 2 BNatSchG eine Zuordnungsentscheidung zu treffen. Wählt die Gemeinde dagegen eine vertragliche Regelung, so verzichtet sie auf diesen rechtstechnischen Vorteil. Die Gemeinde begibt sich des Vollzugs- und Finanzierungsinstrumentariums, wie es § 8a Abs. 3 BNatSchG zu ihren Gunsten umschreibt. Indes reicht dieser Zusammenhang mit § 8a Abs. 1 Satz 4 BNatSchG nicht aus, um daraus abzuleiten, der Gemeinde seien im Falle des planbedingten Eingriffs andere Mittel als der Festsetzung nach § 9 BauGB versagt, zumal da es auch im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages Möglichkeiten gibt, den Verursacher des Eingriffs an den Kosten für Ausgleich und Ersatz zu beteiligen. Es bedarf innerer Gründe, um die Möglichkeit einer auch vertraglichen Gestaltung – über den Wortlaut des § 8a Abs. 1 BNatSchG hinaus – auszuschließen. Diese sind nicht ersichtlich.

Allerdings soll nach § 8a Abs. 1 Satz 1 BNatSchG “im Bauleitplan” entschieden werden. Das könnte andeuten, daß sich der Gesetzgeber nur eine Lösung mit den Mitteln der Bauleitplanung vorstellen konnte. In der Tat enthält die Entstehungsgeschichte zu § 8a BNatSchG keinen näheren Hinweis dazu, daß der Gesetzgeber an die Möglichkeit der vertraglichen Umsetzung dachte. Dieses Schweigen ist indes kein “beredtes”. Insbesondere läßt sich aus den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen, daß der Gesetzgeber einen vertraglichen Weg grundsätzlich als unzulässig ansah und ihn gerade durch die in § 8a Abs. 1 BNatSchG gewählte Wortwahl unterbinden wollte. Eine derartige Annahme würde der allgemeinen Auffassung des Gesetzgebers widersprechen, auch vertragliche Lösungswege im Bauplanungsrecht vorzusehen. Vielmehr genügt es im Rahmen der abwägenden Entscheidung, daß die Gemeinde als Satzungsgeber davon ausgehen konnte, die naturschutzrechtlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen würden umgesetzt werden. Dazu wird die Gemeinde regelmäßig in der Planbegründung (§ 9 Abs. 8 BauGB) näher darlegen, aus welchen Gründen sie sich zu einer vertraglichen Umsetzung entschlossen und von der ihr durch § 8a Abs. 1 Satz 2 BNatSchG nahegelegten Möglichkeit der Festsetzung abgesehen hat.

Die vertragliche Problemlösung wird sogar durch § 6 BauGB-MaßnahmenG nahegelegt. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BauGB-MaßnahmenG können vertragliche Vereinbarungen im Zusammenhang mit Bauleitplanverfahren insbesondere getroffen werden, um die mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele und Zwecke vorzubereiten oder zu sichern. § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BauGB-MaßnahmenG liegt ferner die Annahme zugrunde, daß städtebauliche Maßnahmen, Anlagen und Einrichtungen auch außerhalb des Gebietes liegen können, also (auch) außerhalb des Plangebietes (vgl. Schmidt-Eichstaedt, DÖV 1995, 95 ≪97≫; Quaas, NVwZ 1995, 840 ≪842≫). Dies bestätigt, daß der Gesetzgeber die Umsetzung einer naturschutzrechtlichen Kompensation durch öffentlich-rechtlichen Vertrag für zulässig ansieht.

2.4 Eine andere Frage ist es, ob im Einzelfall eine vertragliche Gestaltung angezeigt ist, wenn die Gemeinde durch Festsetzung eines räumlich getrennten Teilbereichs für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Bebauungsplan § 8a Abs. 1 Satz 1 BNatSchG erfüllen kann. Damit sind jedoch in erster Linie Fragen der Zweckmäßigkeit angesprochen, deren Beurteilung nicht Gegenstand der Vorlage ist. Ob letztlich die planerische Festsetzung oder eine vertragliche Regelung die höhere Gewähr der tatsächlichen Umsetzung bietet, ist eine Frage des Einzelfalls und hier ebenfalls nicht zu entscheiden.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt. Ein Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes ist nicht gestellt worden.

 

Unterschriften

Gaentzsch, Berkemann, Hien, Lemmel, Rojahn

 

Fundstellen

BRS 1997, 40

BRS 1998, 40

DVBl. 1997, 1121

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