Entscheidungsstichwort (Thema)

Initiativrecht der Personalvertretung. Mehrarbeit und Überstunden. Schutzzweck der Mitbestimmung bei der Anordnung von –

 

Leitsatz (amtlich)

1) Die Personalvertretung kann das Initiativrecht gemäß § 79 Abs. 4 Satz 1 PersVG Bln nur in dem Umfang ausüben, in dem der Antragsgegenstand Inhalt sowie Sinn und Zweck des Mitbestimmungstatbestandes entspricht, dem es zugeordnet ist.

2) Schutzzweck der Mitbestimmung bei der Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden ist es, eine physische und psychische Überbeanspruchung sowie unzumutbare Freizeitverluste der betroffenen Beschäftigten als Folge dieser Maßnahmen zu verhindern.

3) Dem Personalrat steht keine auf die Anordnung von Mehrarbeit und überstunden gerichtetes Initiativrecht zu.

 

Normenkette

PersVG Bln § 79 Abs. 4 S. 1, § 85 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

OVG Berlin (Beschluss vom 14.06.1990; Aktenzeichen PV Bln 2.90)

VG Berlin (Entscheidung vom 08.12.1989; Aktenzeichen FK (Bln)-C-12.89)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Berlin – Fachsenat für Personalvertretungssachen – vom 14. Juni 1990 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 6.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Antragsteller ein auf die Anordnung von Mehrarbeit und überstunden gerichtetes Initiativrecht nach dem Personalvertretungsgesetz Berlin zusteht.

Mit Schreiben an die Beteiligte vom 28. März 1989 beantragte der Antragsteller gemäß §§ 79 Abs. 4, 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PersVG Bln für die in der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (mittlerweile Senatsverwaltung für Soziales) und den nachgeordneten Einrichtungen Beschäftigten jeweils die Anordnung von Mehrarbeit bzw. Überstunden von einer Stunde bzw. dem Anteil der bisherigen arbeitsvertraglichen Arbeitszeit und der entsprechenden Entlohnung bis zu dem Zeitpunkt, an dem entsprechend der Koalitionsvereinbarung zur Regierungsbildung des Senats von Berlin die stellenplanmäßigen Voraussetzungen für die Arbeitszeitverkürzung geschaffen seien. Zur Begründung dieses Antrags machte der Antragsteller im Schreiben vom 28. März 1989 geltend, er habe im Rahmen seiner Mitwirkung bei der Dienstkräfteanmeldung für das Haushaltsjahr 1989 einen Personalausgleich für die Umsetzung der Arbeitszeitverkürzung vom 1. April 1989 gefordert. Jedoch seien nur in den personalgeschlüsselten Bereichen die erforderlichen zusätzlichen Stellen geschaffen worden. In den anderen Bereichen der Senatsverwaltung stelle sich die Situation ohne Personalausgleich nunmehr so dar, daß die gleiche Arbeitsleistung sowie die gleichen Arbeitsergebnisse wie vor der Verkürzung der Arbeitszeit erwartet würden. Da die Beteiligte bislang nicht zu erkennen gegeben habe, daß sie auf einen Personalausgleich bzw. auf eine Verringerung der Arbeitsleistung der einzelnen Beschäftigten hinzuwirken gedenke, müsse der durch die Arbeitszeitverkürzung herbeigeführten Leistungsverdichtung durch die Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden begegnet werden.

Mit Schreiben an den Antragsteller vom 7. Juli 1989 stellte die Beteiligte das Bestehen eines Initiativrechts gemäß §§ 79 Abs. 4, 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PersVG Bln für den Initiativantrag vom 28. März 1989 in Abrede. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, der Antragsteller wiederhole mit seinem Initiativantrag vom 28. März 1989 in der Sache lediglich die Forderungen nach einer Personalaufstockung, die er bereits in Mitwirkungsverfahren für Dienstkräfteanmeldungen im Rahmen der Entwürfe für den Haushaltsplan erfolglos geltend gemacht habe. Somit bestehe ein Konkurrenzverhältnis zwischen dem Mitbestimmungsrecht gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PersVG Bln und dem Mitwirkungsrecht gemäß § 90 Nr. 5 PersVG Bln, das zu einer Verdrängung der Mitbestimmung durch die Mitwirkung führe. Denn § 90 PersVG Bln stelle eine spezielle Vorschrift dar, die für alle davon erfaßten Angelegenheiten allein ein Mitwirkungsrecht einräume. Zudem sei der Initiativantrag vom 28. März 1989 schon deshalb unzulässig, weil die beantragte Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden ebenso wie die Einrichtung neuer Stellen finanzielle Auswirkungen habe. Für alle Maßnahmen von finanzieller Bedeutung sei aber der Leiter der Dienststelle allein zuständig und verantwortlich. Der Initiativantrag vom 28. März 1989 überschreite die verfassungsrechtlichen Grenzen der Beteiligung des Personalrates.

Am 16. August 1989 hat der Antragsteller das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet. In diesem hat er beantragt, festzustellen, daß die Beteiligte durch die Zurückweisung seines Initiativantrages vom 28. März 1989 als unzulässig sein Mitbestimmungsrecht verletzt habe.

Diesem Antrag hat das Verwaltungsgericht Berlin – Fachkammer für Personalvertretungssachen – mit Beschluß vom 8. Dezember 1989 stattgegeben. Nach Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts hätte die Beteiligte den Initiativantrag vom 28. März 1989 nicht als unzulässig zurückweisen dürfen, sondern hätte in Verhandlungen mit dem Antragsteller mit dem Ziel einer Einigung eintreten müssen. Denn das Mitbestimmungsrecht gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PersVG Bln, das gemäß § 79 Abs. 4 Satz 1 PersVG Bln auch als Initiativrecht wahrgenommen werden könne, erstrecke sich gerade auf die Grundentscheidung darüber, ob überhaupt Mehrarbeit und Überstunden anzuordnen seien. Eine Verdrängung dieses Mitbestimmungsrechts durch das Mitwirkungsrecht gemäß § 90 Nr. 5 PersVG Bln komme schon deshalb nicht in Betracht, weil kein Konkurrenzverhältnis bestehe. Denn bei der Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden einerseits und bei der Dienstkräfteanmeldung andererseits handele es sich stets um zwei unterschiedliche Maßnahmen. Deshalb sei auch ohne Bedeutung, ob der Antragsteller mit dem Initiativantrag vom 28. März 1989 Vorstellungen durchzusetzen versuche, mit denen er in Mitwirkungsverfahren gemäß §§ 90 Nr. 5, 84 PersVG Bln nicht durchgedrungen sei.

Auf die Beschwerde der Beteiligten hat das Oberverwaltungsgericht Berlin – Fachsenat für Personalvertretungssachen – mit Beschluß vom 14. Juni 1990 den Beschluß des Verwaltungsgerichts Berlin – Fachkammer für Personalvertretungssachen – vom 8. Dezember 1989 geändert und den Antrag des Antragstellers abgelehnt. Dieser hat in der Beschwerdeinstanz beantragt, die Beschwerde der Beteiligten mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß das Bestehen eines Initiativrechts mit dem Inhalt festgestellt werde, daß der Antragsteller von der Beteiligten die Anordnung von Überstunden verlangen könne.

Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Zwar könne die Personalvertretung gemäß § 79 Abs. 4 Satz 1 PersVG Bln eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme selbst bei der Dienststelle beantragen. Auch unterliege gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PersVG Bln abweichend von der Rechtslage nach dem BPersVG auch die Entscheidung darüber der Mitbestimmung der Personalvertretung, ob überhaupt Mehrarbeit und Überstunden eingeführt werden sollen. Daraus lasse sich jedoch keine Befugnis des Antragstellers herleiten, selbst solche Maßnahmen zu verlangen und ggf. im Einigungsverfahren gemäß §§ 80 ff. PersVG Bln durchzusetzen. Denn das Initiativrecht der Personalvertretung dürfe deren gesetzliche Mitbestimmungsbefugnisse nicht inhaltlich erweitern. Es werde vielmehr durch den Inhalt des jeweiligen Mitbestimmungsrechts und dessen Sinn und Zweck begrenzt. Dem Mitbestimmungsrecht gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PersVG Bln komme lediglich eine Abwehrfunktion gegenüber Maßnahmen des Dienststellenleiters zu. Denn dieses Beteiligungsrecht sei der Personalvertretung ausschließlich deshalb eingeräumt worden, weil die durch die Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden herbeigeführte Verlängerung der Arbeitszeit die physische und psychische Belastung der betroffenen Beschäftigten erhöhe und zu Freizeitverlusten führe. Dementsprechend stehe der Personalvertretung auch kein Mitbestimmungsrecht beim Abbau von Mehrarbeit und Überstunden zu. Dieser Zweckbestimmung des Mitbestimmungsrechts gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PersVG Bln widerspreche es, wenn der Personalrat – gleich aus welchen Gründen – die Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden verlange. Dieses Ergebnis werde durch die Ausnahmeregelungen in § 85 Abs. 1 Satz 2 PersVG Bln bestätigt. Nach dieser Vorschrift sei ein auf die Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden gerichtetes Initiativrecht der Personalvertretung ausgeschlossen, ohne daß dafür andere als die Gründe ersichtlich seien, die allgemein der Zubilligung eines Initiativrechts entgegenstünden.

Gegen den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Berlin – Fachsenat für Personalvertretungssachen – vom 14. Juni 1990 richtet sich die vom Beschwerdegericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß §§ 91 Abs. 2 PersVG Bln, 92 Abs. 1 Sätze 1, 2, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers.

Der Antragsteller rügt die Verletzung von §§ 79 Abs. 4, 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PersVG Bln durch den Beschluß vom 14. Juni 1990 und macht zur Begründung geltend:

Die vom Beschwerdegericht vorgenommene einschränkende Auslegung der §§ 79 Abs. 4, 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PersVG Bln finde in diesen Vorschriften keine Grundlage. Denn der Berliner Landesgesetzgeber habe die Grundentscheidung über die Einführung von Mehrarbeit und Überstunden im Gegensatz zum Bundesgesetzgeber gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PersVG Bln ausdrücklich der Mitbestimmung der Personalvertretung unterworfen und zudem gemäß § 79 Abs. 4 PersVG Bln die Mitbestimmungsbefugnisse der Personalvertretung ausnahmslos durch Initiativrechte ergänzt. Durch § 79 Abs. 4 PersVG Bln werde eine umfassende Kongruenz von Mitbestimmungsrecht und Initiativrecht mit dem Zweck einer umfassenden Gleichstellung von Dienststellenleiter und Personalvertretung in allen der Mitbestimmung unterliegenden Angelegenheiten herbeigeführt. Daraus ergebe sich auch, daß das Mitbestimmungsrecht gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BPersVG Bln keineswegs nur deshalb eingeräumt sei, um die Beschäftigten möglichst vor der Einführung von Mehrarbeit und überstunden zu bewahren. Vielmehr zeige gerade der vorliegende Fall, daß auch das Betreiben der Anordnung von Mehrarbeit und überstunden durch die Personalvertretung zum Zwecke der Wahrung sozialer Belange der Beschäftigten angezeigt sein könne. Werde nämlich wie in der Dienststelle der Beteiligten der gesetzlichen bzw. tarifvertraglichen Verkürzung der wöchentlichen Regelarbeitszeit weder durch Neueinstellungen noch durch Verringerung der den Beschäftigten jeweils obliegenden Aufgaben Rechnung getragen, so stellten Mehrarbeit und Überstunden geeignete Mittel dar, um einer Überbeanspruchung der Beschäftigten und der Entstehung von Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen vorzubeugen. In einer derartigen Situation wirke sich die Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden entlastend für die Beschäftigten aus. Schließlich sei zu berücksichtigen, daß die Personalvertretung auch einer vom Dienststellenleiter aufgrund eines bestimmten Anlasses beabsichtigten Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden zustimmen könne, ohne gegen ihren gesetzlichen Auftrag zu verstoßen. Daher könne ihr aufgrund des § 79 Abs. 4 PersVG Bln nicht verwehrt werden, bei Vorliegen eines solchen Anlasses selbst auf die Erbringung von Mehrarbeit und Überstunden hinzuwirken.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Berlin – Fachsenat für Personalvertretungssachen – vom 14. Juni 1990 aufzuheben und die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Berlin – Fachkammer für Personalvertretungssachen – vom 8. Dezember 1989 mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß dem Antragsteller ein Initiativrecht mit dem Inhalt zusteht, von der Beteiligten die Anordnung von Überstunden verlangen zu können.

Die Beteiligte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Sie führt zur Begründung im wesentlichen aus:

Der Zweck der Mitbestimmung gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PersVG Bln bestehe allein darin, der Personalvertretung eine Überwachungsmöglichkeit einzuräumen. § 79 Abs. 4 PersVG Bln könne diese Zielsetzung der Mitbestimmung nicht erweitern. Auch sei das Fehlen einer Befugnis der Personalvertretung, auf die Anordnung von Mehrarbeit und überstunden hinwirken zu können, aus dem Umstand zu folgern, daß ihr kein Mitbestimmungsrecht beim Abbau von Mehrarbeit und überstunden zukomme. Denn aus diesem Grunde sei der Dienststellenleiter in der Lage, eine im Wege des Initiativrechts erwirkte Anordnung unverzüglich durch die mitbestimmungsfreie Anordnung des Abbaus der gerade angeordneten Mehrarbeit und Überstunden rückgängig zu machen. Schließlich sei die Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden das auf Dauer am wenigsten geeignete Mittel, um einer Überbeanspruchung der Beschäftigten infolge der Verdichtung der Arbeitsleistung entgegenzuwirken.

Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Rechtsbeschwerdeverfahren:

Er weist darauf hin, daß es dem Initiativrecht der Personalvertretung eigen sei, die grundsätzliche Rollenverteilung zwischen Dienststellenleiter und Personalrat umzukehren. Denn durch das Initiativrecht bleibe der Personalrat nicht nur Bremser und Kontrolleur, sondern rücke in die Rolle des Mitsteuermannes auf. Da ihm diese Rolle aus verfassungsrechtlichen Gründen nur in gewissen Grenzen zustehen könne, sei das Initiativrecht wohl eher restriktiv aufzufassen. Jedenfalls dürfe es Mitbestimmungsrechte nicht erweitern. Komme dem konkreten Mitbestimmungsrecht in erster Linie Abwehrfunktion zu, könne es nicht im Wege des Initiativrechts zum Vornahmerecht werden. Die Notwendigkeit einer Begrenzung von aktiven Mitbestimmungsbefugnissen der Personalvertretung erweise sich insbesondere dort als unumgänglich, wo dieser vom Gesetzgeber die uneingeschränkte Mitbestimmung in einer organisatorischen Angelegenheit im Sinne von § 104 Satz 3 BPersVG eingeräumt sei. Als Beispiel für ein Mitbestimmungsrecht in einer solchen Angelegenheit sei neben § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG auch § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PersVG Bln zu nennen, wenn die dadurch verliehene Befugnis mehr als eine bloße Abwehrfunktion beinhalten sollte.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.

Der vom Antragsteller als Rechtsbeschwerdeführer im Rechtsbeschwerdeverfahren gestellte Antrag ist aufgrund seines Vorbringens im Rechtsbeschwerdeverfahren und in den Vorinstanzen dahin gehend auszulegen, daß er trotz der dem Antrag beigefügten Maßgabe allein den Beschluß des Verwaltungsgerichts Berlin vom 8. Dezember 1989 insoweit wiederhergestellt wissen will, als darin die Feststellung der Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Antragstellers durch die Zurückweisung des auf die Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden gerichteten Initiativantrags vom 28. März 1989 ausgesprochen worden ist.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

Der angegriffene Beschluß des Oberverwaltungsgerichts steht in Einklang mit den maßgeblichen Vorschriften der §§ 79 Abs. 4 Satz 1, 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PersVG Bln, Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, daß sich aus diesen Bestimmungen kein auf die Anordnung von Mehrarbeit und überstunden abzielendes Initiativrecht herleiten läßt, wie es der Antragsteller mit dem Initiativantrag vom 28. März 1989 geltend gemacht hat. Dementsprechend hat das Beschwerdegericht die Verletzung einer personalvertretungsrechtlichen Befugnis des Antragstellers durch die Zurückweisung des Initiativantrages als unzulässig durch die Beteiligte zu Recht verneint. Die Beteiligte war nicht verpflichtet, aufgrund dieses Initiativantrags ein Mitbestimmungsverfahren gemäß §§ 79 Abs. 4 Sätze 2, 3; 80 ff. PersVG Bln einzuleiten.

Gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PersVG Bln bestimmt die Personalvertretung, soweit keine Regelung durch Rechtsvorschrift oder Tarifvertrag besteht, ggf. durch Abschluß von Dienstvereinbarungen über die Anordnung von Mehrarbeit und überstunden mit. Das Beschwerdegericht hat dazu ausgeführt, daß dieser Mitbestimmungstatbestand – insoweit über die Mitbestimmung nach dem BPersVG hinausgehend – im Rahmen der gemäß § 85 Abs. 1 Satz 2 PersVG Bln vorgesehenen Einschränkungen die der Ein- und Verteilung von Mehrarbeitszeit und Überstunden vorausgehende Grundentscheidung, ob und in welchem zeitlichen Umfang Mehrarbeit und Überstunden zu erbringen sind, der Mitbestimmung unterstellt. Ob die Vorschrift einschließlich der Ausnahmeregelungen in Abs. 1 Satz 2 mit dieser Auslegung den Anforderungen des § 104 Abs. 3 BPersVG hinreichend Rechnung trägt oder vielmehr verfassungskonform einzugrenzen ist (zur Rechtslage in Hamburg vgl. Beschluß des Senats vom 8. Mai 1992 – BVerwG 6 P 22.91 – Buchholz 251.4 § 86 HmbPersVG Nr. 4), mag hier dahinstehen. Würde sich die „Anordnung” von Überstunden auch nach der Berliner Regelung von vornherein nur auf deren Ein- und Verteilung beziehen, wäre dem Begehren des Antragstellers auch deshalb kein Erfolg beschieden. Darauf ist hier nicht näher einzugehen, weil die Gründe, mit denen das Beschwerdegericht in diesem Fall ein Initiativrecht des Antragstellers abgelehnt hat, zutreffen und die von dem Antragsteller dagegen erhobenen Rügen der Verletzung materiellen Rechts nicht begründet sind.

Das Beschwerdegericht hat es im Rahmen der Beantwortung der Frage, ob der Initiativantrag vom 28. März 1989 von einem Initiativrecht gedeckt ist, zu Recht nicht bei der Aussage bewenden lassen, daß der Gegenstand dieses Initiativantrages dem Wortlaut nach von §§ 79 Abs. 4 Satz 1, 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PersVG Bln erfaßt wird. Daß die mit einem Initiativantrag angestrebte Maßnahme überhaupt zu dem Katalog der Mitbestimmungsangelegenheiten gehört, ist zwar gemäß § 79 Abs. 4 Satz 1 PersVG Bln – ebenso wie nach den Personalvertretungsgesetzen des Bundes und der anderen Länder – unabdingbare Voraussetzung für das Bestehen eines Initiativrechts, Nicht jeder auf eine solche Maßnahme gerichteter Initiativantrag ist aber durch ein Initiativrecht gedeckt. Vielmehr muß hinsichtlich des konkreten Initiativantrags die weitere Voraussetzung erfüllt sein, daß der Antragsgegenstand dem Inhalt des Mitbestimmungsrechts, dem das Initiativrecht zugeordnet ist, sowie dessen Sinn und Zweck entspricht. Ein nicht Inhalt und Zweckbestimmung des Mitbestimmungsrechts entsprechender Initiativantrag liegt ebenso außerhalb der Mitbestimmung wie ein Initiativantrag, mit dem keine der Mitbestimmung unterliegende Maßnahme verfolgt wird. In beiden Fällen wird die Personalvertretung nicht in Wahrnehmung einer ihr gesetzlich übertragenen Aufgabe tätig.

Diese Begrenzung des Initiativrechts ergibt sich aus der Rechtsprechung des Senats, ohne daß bislang Veranlassung bestanden hat, dies ausdrücklich hervorzuheben. Der Senat hat nämlich wiederholt ausgeführt, den Personalvertretungen werde durch das Initiativrecht die Möglichkeit eröffnet, Maßnahmen, die sie im Interesse der Angehörigen der Dienststelle oder der Dienststelle selbst für geboten hielten, von sich aus einzuleiten und deren Regelung ggf. im Verfahren vor der Einigungsstelle gegen den Willen der Dienststelle durchzusetzen. Das Initiativrecht verwirkliche den das Personalvertretungsrecht insgesamt beherrschenden Grundsatz der gleichberechtigten Partnerschaft zwischen Dienststelle und Personalvertretung dahin gehend, daß es der Personalvertretung hinsichtlich der Einleitung derjenigen Maßnahmen, auf die es sich erstrecke, den gleichen Rang wie der Dienststelle einräume. Das Initiativrecht erweitere die gesetzlichen Mitbestimmungsbefugnisse der Personalvertretung jedoch nicht, sondern setze diese lediglich in den Stand, ihren Mitbestimmungsrechten nach Maßgabe des jeweils anzuwendenden Personalvertretungsgesetzes durch Stellung eigener Anträge Geltung zu verschaffen, Das Initiativrecht ermögliche somit, wie sich aus seiner gesetzlichen Anknüpfung an die Mitbestimmung ergebe, lediglich die Ausübung von Mitbestimmungsrechten in aktiver Form. Die Mitbestimmung diene auch in der Form des Initiativrechts der Erfüllung der Aufgabe der Personalvertretung, die kollektiven Interessen der von ihr vertretenen Beschäftigten wahrzunehmen und auf die Erhaltung oder Wiederherstellung des Friedens in der Dienststelle hinzuwirken (BVerwG, Beschluß vom 25. Oktober 1983 – BVerwG 6 P 22.82 – BVerwGE 68, 137, 139 – zu § 79 Abs. 4 PersVG Bln –; Beschluß vom 26. Oktober 1983 – BVerwG 6 P 6.83 –, PersV 1985, 477; Beschluß vom 1. November 1983 – BVerwG 6 P 12.83 – PersV 1985, 475; Beschluß vom 1. November 1983 – BVerwG 6 P 28.82 – PersV 1985, 473 = ZBR 1984, 151).

Das Initiativrecht ist dennoch stets als eine Verstärkung oder zusätzliche Form der Wahrnehmung eines Mitbestimmungsrechts angesehen worden; ihm ist aber keine eigenständige, d.h. vom Inhalt und Zweck des Mitbestimmungsrechts losgelöste Bedeutung beigemessen worden. Dieses Verständnis des Initiativrechts als besondere Ausprägung eines Mitbestimmungsrechts findet seine Rechtfertigung in der – insoweit einheitlichen – Systematik der Personalvertretungsgesetze. Denn die gesetzlichen Vorschriften, die sich mit dem Initiativrecht befassen, machen dessen Bestehen allesamt nicht vom Vorliegen spezieller Voraussetzungen abhängig. Statt dessen stellen sie für das Bestehen eines Initiativrechts entweder – wie § 79 Abs. 4 Satz 1 PersVG Bln – auf sämtliche nach dem jeweiligen Personalvertretungsgesetz der Mitbestimmung unterliegenden Maßnahmen oder auf bestimmte, enumerativ aufgezählten gesetzlichen Mitbestimmungstatbeständen der Mitbestimmung unterliegende Maßnahmen ab. Diese inhaltlich uneingeschränkten Verweise auf gesetzliche Mitbestimmungstatbestände verknüpfen das Initiativrecht ausnahmslos mit einem Mitbestimmungsrecht und machen es zu dessen Bestandteil.

Aufgrund dieser Systematik steht das Initiativrecht der Personalvertretung nicht für die Verfolgung von Anliegen zur Verfügung, deren Geltendmachung in der Sache über die Mitbestimmungsbefugnisse hinausginge, die ihr von dem in Bezug genommenen gesetzlichen Mitbestimmungstatbestand verliehen sind. Diese Befugnisse werden aber inhaltlich durch den jeweiligen gesetzlichen Schutzauftrag begrenzt. Die Personalvertretung darf ihren Auftrag nicht – im Rahmen ihrer Stellung als Interessenvertretung der Beschäftigten – von Fall zu Fall selbst bestimmen, dieser ist ihr vielmehr durch die gesetzlichen Mitbestimmungstatbestände vorgegeben. Jedes gesetzliche Mitbestimmungsrecht ist ausschließlich zur Geltendmachung derjenigen Belange eingeräumt, zu deren Vertretung der Gesetzgeber die Mitbestimmung vorgesehen hat. Daher darf das Bestehen eines Zustimmungsvorbehalts für eine Maßnahme des Dienststellenleiters von der Personalvertretung nicht zum Anlaß genommen werden, statt dessen sonstiger von ihr für schutzbedürftig erachtete Interessen der Beschäftigten zur Geltung zu bringen.

Daher ist nach der Rechtsprechung des Senats die Verweigerung der Zustimmung zu einer mitbestimmungspflichtigen Maßnahme auch ohne gesetzliche Festlegung der Verweigerungsgründe unbeachtlich, wenn die von der Personalvertretung angegebenen Gründe offensichtlich außerhalb der Mitbestimmung liegen. Der Senat hat mehrfach ausgeführt, daß die Personalvertretung daran gehindert sei, von einer Mitbestimmungsbefugnis zwar in der vorgeschriebenen Form, aber ohne inhaltlichen Bezug zu einem gesetzlichen Mitbestimmungstatbestand Gebrauch zu machen. Ließen sich die angeführten Gründe offensichtlich keinem Mitbestimmungstatbestand zuordnen, so gebe die Personalvertretung zu erkennen, daß sie keine Regelung auf der Grundlage eines Mitbestimmungsrechts anstrebe, sondern die Zustimmung ohne einen vom Gesetz gebilligten Grund verweigere. Ein derartiges Verhalten sei vom Recht nicht geschützt. Es sei vielmehr mißbräuchlich und löse deswegen keine Rechtsfolgen aus. Eine derart unbeachtliche Zustimmungsverweigerung vermöge nicht die Verpflichtung der Dienststelle zu begründen, das Einigungsverfahren einzuleiten. Vielmehr gelte die beabsichtigte Maßnahme nach Ablauf der gesetzlichen Stellungnahmefrist als gebilligt und könne somit durchgeführt werden (BVerwG. Beschluß vom 4. April 1985 – BVerwG 6 P 37.82 – Buchholz 238.3 A § 75 BPersVG Nr. 39; Beschluß vom 18. April 1986 – BVerwG 6 P 31.84 – Buchholz 238.3 A § 69 BPersVG Nr. 8; Beschluß vom 20. Juni 1986 – BVerwG 6 P 4.83 – BVerwGE 74, 273, 276).

Entsprechendes muß für das mit einem Mitbestimmungsrecht verbundene Initiativrecht gelten. Würde die aktive Form der Mitbestimmung nicht an deren Schutzzweck gebunden, so wäre der Personalvertretung die Möglichkeit eröffnet, im Wege des Initiativrechts auf die Durchsetzung von Belangen hinzuwirken, die sie im Rahmen der Mitbestimmung bei beabsichtigten Maßnahmen der Dienststelle in Ermangelung eines inhaltlichen Bezugs zum Mitbestimmungsrecht nicht zur Geltung bringen könnte. Ohne Blndung an Inhalt und Zweckbestimmung des Mitbestimmungsrechts würde sich das Initiativrecht entgegen der Systematik der Personalvertretungsgesetze nicht als besondere Ausprägung des Mitbestimmungsrechts, sondern als eigenständiges Beteiligungsrecht darstellen. Ein Initiativantrag, der seinem Gegenstand nach den Begrenzungen des jeweiligen Mitbestimmungsrechts nach dessen Inhalt und Schutzzweck nicht Rechnung trägt, liegt somit ebenso außerhalb der Mitbestimmung wie eine entsprechende Zustimmungsverweigerung. Ein solcher Initiativantrag vermag keine Verpflichtung des Dienststellenleiters, an den er herangetragen wird, zu begründen, in ein Einigungsverfahren einzutreten. Diese Rechtsauffassung stimmt mit derjenigen überein, die das Bundesarbeitsgericht zum Initiativrecht des Betriebsrats vertritt (BAG, Beschluß vom 4. März 1986 – 1 ABR 15/84 – BAGE 51, 187; Beschluß vom 28. November 1989 – 1 ABR 97/88 – Betriebsberater 1990, 1062).

Das Beschwerdegericht hat den Zweck der Mitbestimmung bei der Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden zutreffend darin gesehen, daß mit einer Inanspruchnahme außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit zwangsläufig eine physische oder psychische Mehrbeanspruchung sowie Freizeitverluste der betroffenen Beschäftigten verbunden sind. Die Mitbestimmung soll die Personalvertretung in die Lage versetzen, die Berücksichtigung dieser nachteiligen Folgen für die Beschäftigten in ihrem konkreten Ausmaß sicherzustellen und so einer Überbetonung der für die Anordnung sprechenden dienstlichen Belange bei einer Entscheidung gemäß §§ 35 Abs. 2 Satz 1 LBG Bln, 17 Abs. 1 Satz 2 BAT I u.a. vorzubeugen. Der Personalvertretung ist durch § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PersVG Bln der Auftrag übertragen, Mehrarbeit und Überstunden abzuwenden oder gering zu halten oder aber auf eine möglichst gleichmäßige Verteilung auf alle in Betracht kommenden Beschäftigten hinzuwirken. Diese Zweckbestimmung des Mitbestimmungstatbestandes gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PersVG Bln ist bereits daraus zu folgern, daß das Berliner Personalvertretungsgesetz solche Maßnahmen nicht der Mitbestimmung unterstellt hat, die die Aufhebung oder Verringerung von angeordneter Mehrarbeit oder Überstunden beinhalten, d.h. den Wegfall oder doch die Verringerung der Mehrbeanspruchung nach sich ziehen. Das wäre nicht verständlich, wenn den Personalvertretungen in diesen Angelegenheiten ein die Herbeiführung von Mehrarbeit und überstunden einschließender Schutzauftrag verliehen wäre, der es ihr ermöglichte, beliebige sonstige Interessen der Beschäftigten, z.B. eine zusätzliche Vergütung oder Entlohnung, zu verfolgen.

Davon ausgehend hat das Beschwerdegericht die zutreffende Schlußfolgerung gezogen, daß der Gegenstand des Initiativantrags vom 28. März 1989 außerhalb der Mitbestimmung gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PersVG Bln liegt und somit nicht von einem Initiativrecht gemäß §§ 79 Abs. 4 Satz 1, 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PersVG Bln gedeckt ist. Denn ein Mitbestimmungsrecht, das zum Zwecke der Abwehr oder Geringhaltung von Mehrarbeit und Überstunden eingeräumt ist, ist einer Erweiterung durch ein auf deren Anordnung gerichtetes Initiativrecht nicht zugänglich. Die Zuerkennung eines Initiativrechts mit einem solchen Inhalt liefe dem Schutzauftrag zuwider, der den Personalvertretungen durch die Mitbestimmung gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PersVG Bln übertragen ist. Denn dadurch würde es der Personalvertretung ermöglicht, auf die Herbeiführung derjenigen nachteiligen Folgen für die Beschäftigten hinzuwirken, deren Vermeidung und Abmilderung ihr gerade aufgegeben ist.

Aufgrund der dargelegten Begrenzung der Mitbestimmung gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PersVG Bln sind die vom Antragsteller für sein Vorgehen angeführten Gründe unbeachtlich. Dieses Mitbestimmungsrecht ist den Personalvertretungen weder eingeräumt, um einer sog. Leistungsverdichtung entgegenwirken zu können, noch, um Forderungen nach Schaffung neuer Stellen Nachdruck verleihen zu können.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 10 Abs. 1 BRAGO i.V.m. § 8 Abs. 2 BRAGO.

 

Unterschriften

Niehues, Richter am Bundesverwaltungsgericht Ernst ist wegen Urlaubsabwesenheit verhindert, seine Unterschrift zu leisten. Niehues, Nettesheim, Seibert, Albers

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1214354

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