Normenkette

LHGebG § 2 Abs. 3, § 6 Abs. 1 Sätze 1-2; LHGebG § 6 Abs. 2

 

Verfahrensgang

BVerwG (Urteil vom 25.07.2001; Aktenzeichen 6 C 9/00)

VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 06.04.2000; Aktenzeichen 2 S 1859/99)

VG Freiburg i. Br. (Urteil vom 24.03.1999; Aktenzeichen 1 K 269/99)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Tatbestand

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Erhebung von Studiengebühren für Langzeitstudierende.

I.

1. Die Beschwerdeführerin, eine Zweitstudentin, wendet sich gegen die Erhebung von Studiengebühren für Langzeitstudierende nach dem baden-württembergischen Landeshochschulgebührengesetz (LHGebG) vom 5. Mai 1997 (GBl S. 173). Mit diesem Gesetz führte das Land Baden-Württemberg als erstes Bundesland Studiengebühren für Langzeitstudierende ein (zur Ausgestaltung der Regelung im Einzelnen vgl. den Beschluss der Kammer vom heutigen Tage im Verfahren 1 BvR 1750/01 unter I.).

Durch Gesetz zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften vom 6. Dezember 1999 (GBl S. 517) wurde das Landeshochschulgebührengesetz weiterentwickelt und unter anderem ein erhöhtes Bildungsguthaben für Zweitstudien eingeführt, wenn die Abschlüsse beider Studiengänge für die Erlangung eines Berufsabschlusses gesetzlich vorgeschrieben sind oder ein weit überdurchschnittlicher Abschluss des Erststudiums nachgewiesen wird. Des Weiteren wurde eine Härtefallregelung eingeführt, wonach die Gebühr in begründeten Einzelfällen erlassen werden kann.

2. Die Beschwerdeführerin studierte von 1989 bis 1996 Biologie und schloss mit einem Diplom ab. Da sie den Arbeitsmarkt für Biologen ungünstig fand, entschloss sie sich zu einem Zweitstudium der Medizin. Nach Zulassung durch die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen studierte sie seit dem Wintersemester 1996/97 bei der Beklagten des Ausgangsverfahrens, der Universität Freiburg. Diese erhob von der Beschwerdeführerin für das Wintersemester 1998/99 mit dem angegriffenen Bescheid eine Studiengebühr von 1.000 DM wegen verbrauchten Bildungsguthabens. Widerspruch, Klage, Berufung und Revision der Beschwerdeführerin blieben erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Die Rüge, das Berufungsgericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, bleibe ohne Erfolg. Der Geschäftsverteilungsplan des Verwaltungsgerichtshofs, der das Abgabenrecht dem 2. und das Hochschulrecht dem 9. Senat zuweist, sei mit seiner Schwerpunktregelung hinreichend bestimmt. Der 2. Senat habe ohne Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG die Abgabe des Falles an den 9. Senat abgelehnt.

Die Vorschriften des baden-württembergischen Landeshochschulgebührengesetzes vom 5. Mai 1997 seien mit höherrangigem, revisiblem Recht vereinbar.

Der Landesgesetzgeber habe von seiner Kompetenz ohne Verletzung verfassungsrechtlicher Grundsätze für die Wahrnehmung von Gesetzgebungsbefugnissen Gebrauch gemacht. Das Landeshochschulgebührengesetz stehe mit Art. 12 Abs. 1 GG im Einklang. Die Regelung über die Erhebung von Studiengebühren für Langzeitstudierende sei durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt und verhältnismäßig. Auch dass für Zweitstudien kein erweitertes Bildungsguthaben eingeräumt werde, sei in Anbetracht der Begrenztheit staatlicher Ressourcen nicht zu beanstanden.

Es liege kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz darin, dass Studienzeiten an ausländischen Hochschulen auf das Bildungsguthaben nicht angerechnet würden. Die Studiengebühr sei auch abgabenrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gleichheitssatz sei auch nicht dadurch verletzt, dass eine Gebühr in einheitlicher Höhe ohne Differenzierung nach Semesterzahl oder Studienfach erhoben werde.

Das Landeshochschulgebührengesetz entfalte keine dem Rechtsstaatsprinzip widersprechende Rückwirkung. Es handle sich um eine unechte Rückwirkung, die verfassungsrechtlich zulässig sei.

3. Die Beschwerdeführerin rügt mit ihrer Verfassungsbeschwerde eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 20 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch die gerichtlichen Entscheidungen und die vorausgegangenen Bescheide, mittelbar wendet sie sich gegen § 2 Abs. 3 sowie § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 LHGebG in der ursprünglichen Fassung des Gesetzes vom 5. Mai 1997.

a) Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG liege darin, dass Studienzeiten an ausländischen Hochschulen sich auf das Bildungsguthaben nicht mindernd auswirkten. Es liege ferner ein Verstoß gegen abgabenrechtliche Grundsätze vor. Die angegriffene Gebühr sei eine Verleihungsgebühr. Die öffentliche Leistung der Schaffung und Unterhaltung von Hochschulen sei Selbstzweck des Staates, nicht individuell zurechenbarer Vorteil der Studierenden. Individuell zurechenbar sei lediglich der Sondervorteil, an dieser öffentlichen Ressource teilhaben zu dürfen. Dann sei im Rahmen der Äquivalenzprüfung der Wert des Rechts zur Nutzung der Hochschule maßgeblich. Ein finanzieller Vorteil der Studierenden sei aber nicht ersichtlich.

b) Zu Art. 12 Abs. 1 GG führt die Beschwerdeführerin aus, das Bundesverwaltungsgericht habe unzulässig zwischen der Belastung durch die Gebühr und der Belastung durch die Verhaltenssteuerung unterschieden. Es liege ein einheitlicher Eingriff in das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Teilhaberecht vor, das auch für Zweitstudierende gelte, der verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt werden könne.

c) Außerdem verstoße die Gebührenregelung gegen das in Art. 20 GG verankerte Vertrauensschutzprinzip. Sie enthalte eine unzulässige echte Rückwirkung für Studierende, die ihr Studium vor dem Tag des Gesetzesbeschlusses aufgenommen hätten. Die Rückwirkung sei auch dann verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen, wenn man sie als unechte qualifiziere. Der Gesetzgeber habe mit der kurzen Übergangsregelung das schutzwürdige Vertrauen der Studierenden, das begonnene Studium ohne Gebührenlast weiterführen zu können, nicht angemessen gewürdigt. Die Befreiungstatbestände des § 5 Nr. 1 und 3 LHGebG seien für Zweitstudierende entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts zu eng und schlössen Fälle der Aufnahme eines Zweitstudiums aus wissenschaftlichen oder beruflichen Gründen aus.

d) Im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 GG macht die Beschwerdeführerin des Weiteren geltend, der Landesgesetzgeber habe mit dem Landeshochschulgebührengesetz seine Gesetzgebungskompetenz überschritten. Der Bundesgesetzgeber habe den Hochschulzugang von Zweitstudierenden kraft seiner Rahmenkompetenz bereits in § 32 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5, § 33 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 Hochschulrahmengesetz (HRG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. April 1987 (BGBl I S. 1170) geregelt. Der Landesgesetzgeber dürfe die dort in begrenztem Umfang gewährte Möglichkeit von Zweitstudien nicht durch weitere Hürden in Form von Gebühren unterlaufen. Er habe auch seine Pflichten gegenüber den anderen Bundesländern verletzt, indem er dort abgeleistete Semester ohne Abstimmung bildungsguthabenmindernd anrechne. Es liege auch ein Widerspruch in der Rechtsordnung vor, wenn in einem Bundesland Studiengebühren erhoben würden, in anderen dagegen nicht. Schließlich sei die angegriffene Regelung nicht mit der Finanzverfassung vereinbar. Die Gebühr sei wie eine Steuer voraussetzungslos geschuldet, da sie nicht davon abhänge, ob der Studierende irgendwelche Leistungen der Hochschule tatsächlich in Anspruch nehme.

e) Es liege ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vor. Die Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichtshofs sei zu unbestimmt, da sie den unbestimmten Rechtsbegriff „Schwerpunkt” mit dem ebenfalls unbestimmten Begriff „eindeutig” verbinde. Der Schwerpunkt des Falles liege außerdem im Hochschulrecht, weshalb nach der Geschäftsverteilung der 9. Senat hätte entscheiden müssen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde im Sinne von § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.

1. Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung kommt der Verfassungsbeschwerde nicht zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Sie wirft keine Fragen auf, die sich nicht anhand der vom Bundesverfassungsgericht bereits entwickelten Maßstäbe beantworten lassen (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 f.≫). Die Kammer verweist dazu auf ihre Ausführungen in ihrem Beschluss vom heutigen Tage in dem Verfahren 1 BvR 1750/01 unter II. 1.

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung von in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechten der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

a) Die Beschwerdeführerin ist nicht in ihren Rechten aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt.

aa) Die Verpflichtung zur Zahlung einer Langzeitstudiengebühr gemäß § 1 Abs. 2 LHGebG greift, wie die Kammer in ihrem zu der Verfassungsbeschwerde 1 BvR 1750/01 ergangenen Beschluss vom heutigen Tage näher ausgeführt hat (vgl. dort unter II. 2. a bb), in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG in seiner Funktion als Eingriffsabwehrrecht gegen ausbildungsbezogene Belastungen ein.

bb) Die Gebührenregelung ist jedoch formell rechtmäßig erlassen, durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und verhältnismäßig.

(1) Eine die Wahrnehmung der Landesgesetzgebungskompetenz nach Art. 70 Abs. 1 GG hindernde Rahmenregelung des Bundes ist nicht ersichtlich. § 32 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5, § 33 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 HRG betreffen die Berücksichtigung von Zweitstudienbewerbern bei der Festlegung von Hochschulzugangsquoten durch Sonderkontingente. Dahinter steht der Gedanke, dass Zweitstudien zwar möglich sein sollen, im Hinblick auf die angemessene Verteilung von Lebenschancen aber stärker begrenzt werden dürfen als Erststudien (vgl. BVerfGE 43, 291 ≪364 f.≫; 62, 117 ≪147≫). Durch diese Regelung ist der Landesgesetzgeber nicht gehindert, Zweitstudierende zusätzlich dadurch zu belasten, dass er bei anderen Regelungsmaterien als der Hochschulzugangsquote den genannten Rechtsgedanken ebenfalls zum Tragen bringt.

Auch eine Verletzung des Grundsatzes bundesfreundlichen Verhaltens hat das Bundesverwaltungsgericht verfassungsrechtlich unbedenklich verneint. Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz liegt nur vor, wenn von der eingeräumten Kompetenz missbräuchlich Gebrauch gemacht wurde (vgl. BVerfGE 81, 310 ≪337≫). Die Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts, der Landesgesetzgeber habe mit Verdrängungseffekten nicht rechnen müssen, ist in Anbetracht der fortbestehenden regelmäßigen Gebührenfreiheit des Erststudiums vertretbar. Eine Beschränkung der Wahrnehmung der Landesgesetzgebungskompetenz kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass die Abschaffung der Studiengebühren im Jahre 1970 länderübergreifend abgestimmt wurde.

Die Regelungen des Landeshochschulgebührengesetzes sind auch mit der Finanzverfassung des Grundgesetzes (Art. 104 a ff. GG) vereinbar. Die Studiengebühr wird gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 LHGebG als Gegenleistung für das Studium an den Einrichtungen einer Hochschule oder Berufsakademie erhoben. Die Qualifizierung als Gebühr entfällt nicht dadurch, dass der Studierende auf die Inanspruchnahme seines Rechts verzichtet.

(2) Die Gebührenregelung ist durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt. Der Landesgesetzgeber verfolgt mit der Einführung der Gebührenpflicht für Langzeitstudierende den Zweck, die Leistungsfähigkeit der Hochschulen zu verbessern. Sie soll als Steuerungsinstrument für ein zielgerichtetes Studium dienen, um dadurch die Studienzeiten zu verkürzen und die Ressourcen der Hochschulen zu schonen. Darüber hinaus soll sie zur Finanzierung der Inanspruchnahme der Hochschulen beitragen (vgl. LTDrucks 12/1110, S. 1).

(3) Die Erhebung einer Langzeitstudiengebühr ist zur Erreichung des angestrebten Zwecks der Verhaltenslenkung geeignet. Für die Geeignetheit eines vom Gesetzgeber eingesetzten Mittels genügt die Möglichkeit, den angestrebten Zweck zu fördern (vgl. BVerfGE 81, 156 ≪192≫ m.w.N.). Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass diese Gebühr als Studienkostenfaktor für die Studierenden einen Anreiz darstellt, ihr Studium schneller zu beenden. Dies gilt auch für Zweitstudierende. Die Gebührenregelung wird darüber hinaus die Überlegung der Studierenden verstärken, ob sie für ihre berufliche Zukunft ein weiteres Studium absolvieren wollen.

(4) Der Gesetzgeber durfte auch, wie im Näheren in dem das Verfahren 1 BvR 1750/01 betreffenden Beschluss der Kammer vom heutigen Tage ausgeführt ist (vgl. dort unter II. 2. a cc [3]), die Erforderlichkeit der Langzeitstudiengebühren zur Erreichung des verfolgten Zwecks bejahen und die Regelung auch für Zweitstudierende als zumutbar ansehen.

Allerdings wird das gemäß Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip gewährleistete Recht auf Teilhabe an staatlichen Ausbildungsressourcen (vgl. BVerfGE 33, 303 ≪330 ff.≫) durch den Abschluss eines Erststudiums nicht verbraucht. Das Grundrecht der Berufsfreiheit ermöglicht auch die Ausbildung zu einem weiteren Beruf und somit auch die Aufnahme eines Zweitstudiums (vgl. BVerfGE 43, 291 ≪363≫; 62, 117 ≪146≫). Das Landeshochschulgebührengesetz in der zur verfassungsrechtlichen Überprüfung stehenden Fassung vom 5. Mai 1997 räumt für Zweitstudiengänge kein erhöhtes Bildungsguthaben ein. Im Gegensatz zu Erststudiengängen wird die Gebührenregelung für Zweitstudierende angesichts des regelmäßig weitgehend verbrauchten Bildungsguthabens schon in früheren Semestern Geltung beanspruchen. Auch unter Berücksichtigung der Ausnahmeregelungen in § 5 LHGebG wird ein kostenfreier Abschluss eines Zweitstudiums praktisch kaum möglich sein. Das ist für die Betroffenen jedoch nicht unzumutbar (vgl. hierzu BVerfGE 85, 337 ≪346≫; 94, 327 ≪390≫).

Grundsätzlich ist es gerechtfertigt, Zweitstudienbewerbern weitergehende Beschränkungen und Belastungen aufzuerlegen, als sie für Erststudienbewerber gelten; denn sie hatten durch ihr Erststudium bereits Anteil an den nur begrenzt vorhandenen Ausbildungsressourcen und an der Verteilung der Berufschancen (vgl. BVerfGE 43, 291 ≪364 f.≫; 62, 117 ≪147≫). Diese Wertung kann auch als Rechtfertigung für eine Gebührenregelung herangezogen werden, die unter anderem den Zweck verfolgt, die Nutzung von Hochschulressourcen zu effektivieren. Im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundrechts der Berufsfreiheit kann es jedoch verfassungsrechtlich geboten sein, in Fällen, in denen der angestrebte Beruf den Abschluss einer weiteren Hochschulausbildung zwingend erfordert, sicherzustellen, dass das Zweitstudium nicht aus finanziellen Gründen aufgegeben werden muss. Dies kann durch eine Erhöhung des Bildungsguthabens oder über eine Härtefallregelung erfolgen. Beides sieht das Landeshochschulgebührengesetz in der zur verfassungsrechtlichen Überprüfung stehenden Fassung vom 5. Mai 1997 zwar nicht vor. Erst mit Gesetz zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften vom 6. Dezember 1999 wurde ein erhöhtes Bildungsguthaben für Zweitstudiengänge und eine Härtefallregelung eingefügt. Die Verwaltungsgerichte haben in Härtefällen jedoch in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Landeshaushaltsordnung (LHO) für anwendbar erklärt.

(5) Aus diesem Grund kann sich die Beschwerdeführerin auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Erhebung der Langzeitstudiengebühr unzumutbar sei, weil damit eine unzulässige Rückwirkung verbunden wäre.

Wie auch das Bundesverwaltungsgericht zutreffend ausführt, liegt eine unechte Rückwirkung vor, weil die Minderung des Bildungsguthabens lediglich für die tatbestandlichen Voraussetzungen der Pflicht zur Entrichtung der Gebühr von Bedeutung ist. Die unecht rückwirkende Regelung wird den Anforderungen gerecht, die von Verfassungs wegen an derartige Vorschriften zu stellen sind (vgl. dazu im Einzelnen den im Verfahren 1 BvR 1750/01 ergangenen Beschluss der Kammer vom heutigen Tage unter II. 2. a cc [4] [b]). Sie ist für die Beschwerdeführerin auch zumutbar.

Die Übergangsfrist des § 6 Abs. 1 LHGebG wird in vielen Fällen zwar nicht ausreichend sein, ein begonnenes Zweitstudium kostenfrei zum Abschluss zu bringen. Da die bei In-Kraft-Treten des Gesetzes immatrikulierten Zweitstudierenden aber bereits eine akademische Vollausbildung gebührenfrei absolvieren konnten, stellt es sich grundsätzlich nicht als unangemessen dar, sie nach Ablauf der Übergangsfrist finanziell an den Kosten ihres Zweitstudiums zu beteiligen. Im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundrechts der Berufsfreiheit kann es jedoch auch hier verfassungsrechtlich geboten sein, in Fällen, in denen fehlende finanzielle Mittel zur Aufgabe des Zweitstudiums zwingen würden, Härten durch eine Härtefallregelung aufzufangen, die im Einzelfall eine Gebührenbefreiung, -ermäßigung oder -stundung aufgrund einer zu treffenden Ermessensentscheidung zumindest für die Regelstudienzeit des Zweitstudiums zulässt.

Durch das Fehlen einer solchen Härtefallregelung im Landeshochschulgebührengesetz in der zur verfassungsrechtlichen Überprüfung stehenden Fassung vom 5. Mai 1997 ist die Beschwerdeführerin jedoch nicht beschwert; denn bereits mit einem Schreiben der Universität wurde sie darauf hingewiesen, dass sie – unabhängig von einem bereits eingelegten Widerspruch – nach § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LHO einen Antrag auf Erlass der Langzeitstudiengebühr wegen besonderer Härte stellen kann. Dies wurde von den Verwaltungsgerichten bestätigt. Auch der aus § 90 Abs. 2 BVerfGG folgende Subsidiaritätsgrundsatz verlangt, dass zunächst von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird.

(6) Die Langzeitstudiengebühr ist im Verhältnis zu den mit der Gebührenregelung verfolgten Zwecken sowie der gebotenen Leistung auch nicht unangemessen. Die Kammer nimmt dazu auf ihre Ausführungen in dem Beschluss vom heutigen Tage zu der Verfassungsbeschwerde 1 BvR 1750/01 Bezug (vgl. dort II. 2. a cc [4] [c]).

b) Wie sich aus den Gründen dieses Beschlusses ergibt (vgl. II. 2. b und c), ist die Beschwerdeführerin schließlich nicht in ihren Rechten aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt und auch ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch die angegriffenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts zu verneinen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).

 

Unterschriften

Haas, Hömig, Bryde

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1970474

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