Normenkette

LHGebG § 2 Abs. 3, § 6 Abs. 1 Sätze 1-2; LHGebG § 6 Abs. 2

 

Verfahrensgang

BVerwG (Urteil vom 25.07.2001; Aktenzeichen 6 C 10.00)

VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 06.04.2000; Aktenzeichen 2 S 2057/99)

VG Karlsruhe (Urteil vom 29.06.1999; Aktenzeichen 7 K 2983/98)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Tatbestand

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Erhebung von Studiengebühren für Langzeitstudierende.

I.

1. Die Beschwerdeführerin, eine Studienwechslerin, wendet sich gegen die Erhebung von Studiengebühren für Langzeitstudierende nach dem baden-württembergischen Landeshochschulgebührengesetz (LHGebG) vom 5. Mai 1997 (GBl S. 173). Mit diesem Gesetz führte das Land Baden-Württemberg als erstes Bundesland Studiengebühren für Langzeitstudierende ein. In § 1 Abs. 2 Satz 1 LHGebG wird das Studium grundsätzlich für gebührenpflichtig erklärt, gleichzeitig wird immatrikulierten Studierenden aber durch § 1 Abs. 1 LHGebG ein einmaliges Bildungsguthaben in Höhe der Semesterzahl der Regelstudienzeit eines Studiums zuzüglich vier weiterer Hochschulsemester zur Verfügung gestellt. § 2 LHGebG regelt die Berechnung des Bildungsguthabens und sieht in Absatz 3 vor, dass sich das Bildungsguthaben um die Anzahl der Hochschulsemester verringert, die der Studierende an einer Hochschule im Geltungsbereich des Hochschulrahmengesetzes außerhalb des Landes Baden-Württemberg verbracht hat, soweit dort keine Studiengebühren erhoben wurden. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 LHGebG beträgt die Studiengebühr 1.000 DM für jedes angefangene Semester. § 5 LHGebG sieht Gebührenbefreiungen während des Bezugs von Förderungsleistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, während der Erziehung eines Kindes und für Doktoranden vor. Die Übergangsregelung in § 6 Abs. 1 Satz 1 LHGebG bestimmt, dass die Gebührenpflicht für Studierende, die bei In-Kraft-Treten des Gesetzes am 24. Mai 1997 an einer Hochschule immatrikuliert sind, ein Jahr nach In-Kraft-Treten des Gesetzes für das darauf folgende Semester beginnt. Das Bildungsguthaben dieser Studierenden ist dabei um die Anzahl der Hochschulsemester verringert, in denen sie bis zu diesem Zeitpunkt, ohne einer Studiengebühr zu unterliegen, an einer Hochschule im Geltungsbereich des Hochschulrahmengesetzes immatrikuliert waren (§ 6 Abs. 1 Satz 2 LHGebG). § 6 Abs. 2 LHGebG regelt entsprechend das Bildungsguthaben von Studierenden, die vor In-Kraft-Treten des Gesetzes studiert haben.

Durch Gesetz zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften vom 6. Dezember 1999 (GBl S. 517) wurde das Landeshochschulgebührengesetz weiterentwickelt und unter anderem eine Härtefallregelung eingeführt, wonach die Gebühr in begründeten Einzelfällen erlassen werden kann.

2. Die Beschwerdeführerin studierte von 1989 bis 1993 Medizin. Zum Wintersemester 1993/94 wechselte sie aufgrund einer mit dem Fortschreiten des Studiums und der Konfrontation mit dem ärztlichen Alltag sich einstellenden Enttäuschung ihrer Erwartungen an den ärztlichen Beruf das Fach und begann bei der Beklagten des Ausgangsverfahrens, der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, das Studium für das Realschullehramt, das sie im Sommersemester 1999 mit dem Ersten Staatsexamen abschloss. Die Beschwerdeführerin leidet ausweislich eines ärztlichen Attests seit ihrer Jugend unter Essstörungen und Depressionen und gibt an, dadurch in der Bewältigung ihres zweiten Studiums erheblich beeinträchtigt gewesen zu sein.

3. Für das Wintersemester 1998/99 erhob die Beklagte des Ausgangsverfahrens von der Beschwerdeführerin mit dem angegriffenen Bescheid eine Studiengebühr von 1.000 DM wegen verbrauchten Bildungsguthabens. Widerspruch, Klage, Berufung und Revision der Beschwerdeführerin blieben erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Die Rüge, das Berufungsgericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, bleibe ohne Erfolg. Der Geschäftsverteilungsplan des Verwaltungsgerichtshofs, der das Abgabenrecht dem 2. und das Hochschulrecht dem 9. Senat zuweist, sei mit seiner Schwerpunktregelung hinreichend bestimmt. Der 2. Senat habe ohne Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG die Abgabe des Falles an den 9. Senat abgelehnt.

Die Vorschriften des baden-württembergischen Landeshochschulgebührengesetzes vom 5. Mai 1997 seien mit höherrangigem, revisiblem Recht vereinbar.

Das Landeshochschulgebührengesetz stehe mit Art. 12 Abs. 1 GG im Einklang. Die Pflicht zur Zahlung von Langzeitstudiengebühren berühre nicht das aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit dem Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsprinzip herzuleitende Recht des Einzelnen auf Zulassung zu einem Hochschulstudium seiner Wahl. Jedoch sei die mit dem Landeshochschulgebührengesetz beabsichtigte Verhaltenslenkung an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen. Sie sei wie eine Berufsausübungsregelung einzuordnen, da sie nicht den Zugang zum Studium regele, sondern die Studienbedingungen ausgestalte. Die Regelung sei durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt und verhältnismäßig. Das vom Gesetzgeber mit der Regelung verfolgte Ziel, die Studierenden zu einem zielstrebigen und zügigen Studium anzuhalten, sei mit der nach Verbrauch des Bildungsguthabens drohenden Studiengebühr grundsätzlich erreichbar. Der Gesetzgeber sei auch nicht gehalten gewesen, anstelle der Studiengebühr hochschulrechtliche Ordnungsmittel wie etwa Immatrikulationsverbote vorzusehen. Zwangsmittel dieser Art beeinträchtigten die Ausbildungsfreiheit grundsätzlich stärker als verhaltenslenkende Maßnahmen wie die Auferlegung einer Abgabenpflicht. Die gesetzliche Regelung setze die Studierenden auch keinen unzumutbaren Belastungen aus. Das Bildungsguthaben lasse grundsätzlich Zeit für ein gebührenfreies Erststudium unter Einschluss einer anfänglichen Orientierungsphase und eines angemessenen „studium generale”.

Es liege kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz darin, dass Studienzeiten an ausländischen Hochschulen auf das Bildungsguthaben nicht angerechnet würden. Die Absicht des Gesetzgebers, Auslandsstudien zu fördern, rechtfertige die Regelung. Die Studiengebühr sei auch abgabenrechtlich nicht zu beanstanden. Im Rahmen von Gebührenregelungen sei eine begrenzte Verhaltenssteuerung zulässig. Das Äquivalenzprinzip sei nicht verletzt. Der Gleichheitssatz sei auch nicht dadurch verletzt, dass eine Gebühr in einheitlicher Höhe ohne Differenzierung nach Semesterzahl oder Studienfach erhoben werde.

Das Landeshochschulgebührengesetz entfalte keine dem Rechtsstaatsprinzip widersprechende Rückwirkung. Es handle sich um eine unechte Rückwirkung; denn es komme lediglich auf die Begründung der Gebührenpflicht an, die nicht zurückwirke. Die Berechnung des Bildungsguthabens stelle keine selbständige Belastung für die Studierenden dar und habe lediglich im Rahmen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Pflicht zur Entrichtung der Gebühr Bedeutung. Diese Rückanknüpfung an Sachverhalte aus der Zeit vor Verkündung des Gesetzes sei verfassungsrechtlich zulässig. Das Anliegen des Gesetzgebers, gerade auch die damals über 30.000 Langzeitstudierenden zu einem zügigen Studienabschluss zu bewegen, überwiege die Interessen der nach Studienbeginn von der Regelung erfassten Studierenden.

4. Die Beschwerdeführerin rügt mit ihrer Verfassungsbeschwerde eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 20 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch die gerichtlichen Entscheidungen sowie die vorausgegangenen Bescheide, mittelbar wendet sie sich gegen § 2 Abs. 3 sowie § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 LHGebG in der ursprünglichen Fassung des Gesetzes vom 5. Mai 1997.

a) Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG liege darin, dass Studienzeiten an ausländischen Hochschulen sich auf das Bildungsguthaben nicht mindernd auswirkten. Die Förderung von Auslandsstudien könne als sachlicher Grund zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung nicht herangezogen werden; denn Lenkungszwecke setzten eine entsprechende, erkennbare Entscheidung des Gesetzgebers voraus.

Es liege ferner ein Verstoß gegen abgabenrechtliche Grundsätze vor. Die angegriffene Gebühr sei eine Verleihungsgebühr. Die öffentliche Leistung der Schaffung und Unterhaltung von Hochschulen sei Selbstzweck des Staates, nicht individuell zurechenbarer Vorteil der Studierenden. Individuell zurechenbar sei lediglich der Sondervorteil, an dieser öffentlichen Ressource teilhaben zu dürfen. Dann sei im Rahmen der Äquivalenzprüfung der Wert des Rechts zur Nutzung der Hochschule maßgeblich. Ein finanzieller Vorteil der Studenten sei aber nicht ersichtlich.

Art. 3 Abs. 1 GG sei auch dadurch verletzt, dass ein nach § 7 Abs. 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) geförderter Studierender nach Verbrauch seines Bildungsguthabens keine Studiengebühren zu zahlen habe, wohingegen nicht geförderte Studierende, die ebenfalls aus wichtigem oder unabweisbarem Grund einen Fachrichtungswechsel durchgeführt hätten, nach Verbrauch des Bildungsguthabens gebührenpflichtig würden.

b) Zu Art. 12 Abs. 1 GG führt die Beschwerdeführerin aus, das Bundesverwaltungsgericht habe unzulässig zwischen der Belastung durch die Gebühr und der Belastung durch die Verhaltenssteuerung unterschieden. Es liege ein einheitlicher Eingriff in das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Teilhaberecht vor. Es handle sich um eine subjektive Zulassungsvoraussetzung der Berufswahl, wie sich aus der strikten Rechtsfolge der Exmatrikulation bei Nichtzahlung der Gebühr ergebe. Der Gesetzgeber habe nicht dargetan, dass die Regelung zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter erforderlich sei.

Die Studiengebühr sei ferner ungeeignet. Zumal bei Studierenden, deren Bildungsguthaben bei In-Kraft-Treten des Landeshochschulgebührengesetzes bereits verbraucht gewesen sei, könne sie kaum eine lenkende Wirkung entfalten. Darüber hinaus würden im Regelfall Langzeitstudierende nach Verbrauch des Bildungsguthabens die Hochschulressourcen ohnehin nur noch in geringem Umfang und im Laufe des Studiums insgesamt nicht mehr in Anspruch nehmen als Studierende, die ihr Studium innerhalb des Bildungsguthabens abwickelten.

Anstelle der Gebührenpflicht vom ersten Semester an unter Gewährung eines Bildungsguthabens wäre als milderes, aber im Hinblick auf den vom Landeshochschulgebührengesetz vornehmlich verfolgten Lenkungszweck gleich wirksames Mittel möglich gewesen, eine Gebührenpflicht erst nach der Regelstudienzeit zuzüglich weiterer vier Semester einzuführen. Der für die Gebührenhöhe relevante Vorteil wäre dann niedriger anzusetzen gewesen, da Studierende in höheren Semestern keine wesentlichen Kosten mehr verursachten. Weitere mildere und geeignetere Mittel wären Maßnahmen zur Erschwerung von zweiten und weiteren Studiengangwechseln oder die Exmatrikulation bei längerer Nichterbringung vorgesehener Leistungsnachweise gewesen.

Die Gebührenregelung sei auch unzumutbar, weil sie über die engen Befreiungstatbestände des § 5 LHGebG hinaus keine Ausnahmen vorsehe. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Härtefallregelung des § 59 der Landeshaushaltsordnung (LHO) zu Unrecht für anwendbar erklärt.

c) Außerdem verstoße die Gebührenregelung gegen das in Art. 20 GG verankerte Vertrauensschutzprinzip. Sie enthalte eine unzulässige echte Rückwirkung für Studierende, die ihr Studium vor dem Tag des Gesetzesbeschlusses aufgenommen hätten. Die Rechtsfolge des Verlusts von Bildungsguthaben knüpfe an den vergangenen Tatbestand bereits absolvierter Semester an. Der Landesgesetzgeber habe quasi die in der Vergangenheit liegenden Semester für gebührenpflichtig erklärt. Die Rückwirkung sei auch dann verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen, wenn man sie als unechte qualifiziere. Der Gesetzgeber habe mit der kurzen Übergangsregelung das schutzwürdige Vertrauen der Studierenden, das begonnene Studium ohne Gebührenlast weiterführen zu können, nicht angemessen gewürdigt.

d) Es liege ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vor. Die Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichtshofs sei zu unbestimmt, da sie den unbestimmten Rechtsbegriff „Schwerpunkt” mit dem ebenfalls unbestimmten Begriff „eindeutig” verbinde. Der Schwerpunkt des Falles liege außerdem, wie sich aus der Gewichtung in den Entscheidungsgründen des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs ergebe, eindeutig im Hochschulrecht, weshalb nach der Geschäftsverteilung der 9. Senat hätte entscheiden müssen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde im Sinne von § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.

1. Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung kommt der Verfassungsbeschwerde nicht zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Sie wirft keine Fragen auf, die sich nicht anhand der vom Bundesverfassungsgericht bereits entwickelten Maßstäbe beantworten lassen (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 f.≫). Insbesondere zur Einschränkung der Berufsfreiheit durch ausbildungsbezogene Belastungen (vgl. BVerfGE 33, 303 ≪329 ff.≫; 85, 36 ≪53 f.≫) und durch Abgabenregelungen (vgl. BVerfGE 98, 106 ≪117≫) sowie zur Bemessung von Gebühren (vgl. BVerfGE 50, 217 ≪225 ff.≫; 85, 337 ≪346≫; 91, 207 ≪223≫; 97, 332 ≪345 f.≫; 108, 1 ≪15 ff.≫) besteht eine umfangreiche verfassungsgerichtliche Rechtsprechung, die der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Erhebung von Langzeitstudiengebühren zugrunde gelegt werden kann.

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung von in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechten der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

a) Die Beschwerdeführerin ist nicht in ihren Rechten aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt.

aa) Da die angegriffene Regelung im Ergebnis ein gebührenfreies Erststudium ermöglicht, bedarf die Frage, welche Grenzen sich aus Art. 12 Abs. 1 GG als Teilhaberecht und dem Sozialstaatsgebot für die Erhebung von Studiengebühren ergeben, hier keiner Entscheidung.

bb) Die Verpflichtung zur Zahlung einer Langzeitstudiengebühr gemäß § 1 Abs. 2 LHGebG greift in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG in seiner Funktion als Abwehrrecht gegen ausbildungsbezogene Belastungen ein.

Gebührenregelungen berühren den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG auch dann, wenn sie in engem Zusammenhang mit dem Besuch einer Ausbildungsstätte im Hinblick auf die spätere Ausübung eines Berufs stehen und – objektiv – eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lassen (vgl. BVerfGE 98, 106 ≪117≫ m.w.N.). Diese folgt hier aus der mit der Gebühr verbundenen Steuerung des Ausbildungsverhaltens. Die Gebührenpflicht soll unter anderem als Steuerungsinstrument für ein zielgerichtetes Studieren dienen (vgl. LTDrucks 12/1110, S. 1). Darüber hinaus greift die Gebührenregelung durch § 91 Abs. 2 Nr. 5 des Universitätsgesetzes vom 10. Januar 1995 (GBl S. 1) in der Fassung, die es durch das Änderungsgesetz vom 5. Mai 1997 (GBl S. 173) erhalten hat, in die Ausbildungsfreiheit ein. Danach ist ein Studierender von Amts wegen zu exmatrikulieren, wenn die Studiengebühr nicht bezahlt ist. Entsprechendes gilt für § 64 Abs. 2 Nr. 5 des Gesetzes über die Pädagogischen Hochschulen im Lande Baden-Württemberg in der Fassung vom 10. Januar 1995 (GBl S. 157).

cc) Die angegriffene Gebührenregelung ist durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und verhältnismäßig.

(1) Durch die Einräumung eines Bildungsguthabens gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 LHGebG in Höhe der Semesterzahl der Regelstudienzeit eines Studiums zuzüglich weiterer vier Semester wird jedem Studierenden grundsätzlich ein kostenfreies Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss ermöglicht. Erst nach Verbrauch des Bildungsguthabens setzt die Pflicht zur Entrichtung der Gebühr ein. Im Vordergrund der Regelung steht damit die Zielsetzung des Gesetzgebers, die Studierenden zu einem möglichst zügigen Studium anzuhalten und ein überlanges Studium nur noch gegen Gebührenzahlung zuzulassen (vgl. LTDrucks 12/1110, S. 1).

Das ist durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt. Der Landesgesetzgeber verfolgt mit der Einführung der Gebührenpflicht für Langzeitstudierende den Zweck, die Leistungsfähigkeit der Hochschulen zu verbessern. Sie soll als Steuerungsinstrument für ein zielgerichtetes Studium dienen, um dadurch die Studienzeiten zu verkürzen und die Ressourcen der Hochschulen zu schonen. Darüber hinaus soll sie zur Finanzierung der Inanspruchnahme der Hochschulen beitragen (vgl. LTDrucks 12/1110, S. 1).

(2) Die Erhebung einer Langzeitstudiengebühr ist zur Erreichung der angestrebten Zwecke geeignet. Für die Geeignetheit eines vom Gesetzgeber eingesetzten Mittels genügt die Möglichkeit, den angestrebten Zweck zu fördern (vgl. BVerfGE 81, 156 ≪192≫ m.w.N.). Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass diese Gebühr als Studienkostenfaktor für die Studierenden einen Anreiz darstellt, ihr Studium schneller zu beenden, und dass dies auch der Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Hochschulen dient. Es mag zwar zutreffen, dass Langzeitstudierende die Leistungen der Hochschule unterdurchschnittlich in Anspruch nehmen. Unabhängig davon, in welcher Intensität der einzelne Studierende die Bildungsressourcen nutzt, hat die Hochschule jedoch ihre Einrichtungen für ihn vorzuhalten.

(3) Der Gesetzgeber durfte auch die Erforderlichkeit der Langzeitstudiengebühren zur Erreichung der verfolgten Zwecke bejahen. Immatrikulationserschwernisse bei mehrfachem Wechsel des Studiengangs oder Zwangsexmatrikulationen bei Nichterbringung geforderter Leistungsnachweise stellen eine weniger flexible und daher keine mildere Form der Steuerung des Ausbildungsverhaltens dar. Die angegriffene Gebührenregelung hingegen ermöglicht es den Studierenden, auch über das Bildungsguthaben hinaus Hochschulleistungen in Anspruch zu nehmen, wenn dies erwünscht oder zum Abschluss des Studiums erforderlich sein sollte.

(4) Die Erhebung der Langzeitstudiengebühr ist der Beschwerdeführerin auch zumutbar. Die ihr auferlegte Belastung steht nicht außer Verhältnis zu den mit der Gebührenregelung verfolgten Zwecken (vgl. BVerfGE 85, 337 ≪346≫).

(a) Die Beschwerdeführerin kann sich nicht mit Erfolg auf das Fehlen einer Härtefallregelung im Landeshochschulgebührengesetz in der zur verfassungsrechtlichen Überprüfung stehenden Fassung berufen.

Eine allgemeine Härtefallregelung, die im Einzelfall eine Gebührenbefreiung, -ermäßigung oder -stundung aufgrund einer zu treffenden Ermessensentscheidung zulässt, ist in Anbetracht der zwingenden Rechtsfolge der Exmatrikulation bei Nichtentrichtung der Gebühr verfassungsrechtlich geboten, um Ausnahmesituationen Rechnung tragen zu können. Durch das Gesetz vom 6. Dezember 1999 (GBl S. 517) hat der Gesetzgeber daher eine Härtefallregelung eingeführt. Nach § 7 Abs. 2 LHGebG in der neuen Fassung kann nunmehr die Gebühr im Einzelfall erlassen werden, wenn die Gebühreneinziehung zu einer unbilligen Härte führen würde. Soweit die Beschwerdeführerin rügt, dass eine solche Regelung zuvor im Landeshochschulgebührengesetz fehlte, belastet dies sie nicht. Denn nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Auffassung der Fachgerichte war eine solche Härtefallprüfung anhand des § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LHO vorzunehmen. Auch der aus § 90 Abs. 2 BVerfGG folgende Subsidiaritätsgrundsatz verlangt, dass zunächst von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird.

(b) Die Gebührenregelung ist auch nicht deshalb unzumutbar, weil damit eine unzulässige Rückwirkung verbunden wäre. Wie das Bundesverwaltungsgericht zutreffend ausführt, liegt eine unechte Rückwirkung vor, weil die Minderung des Bildungsguthabens lediglich für die tatbestandlichen Voraussetzungen der Pflicht zur Entrichtung der Gebühr von Bedeutung ist.

Im Gegensatz zur echten Rückwirkung, die anzunehmen ist, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (vgl. BVerfGE 57, 361 ≪391≫; 68, 287 ≪306≫; 72, 175 ≪196≫), ist eine unechte Rückwirkung gegeben, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt und damit zugleich eine Rechtsposition nachträglich entwertet (vgl. BVerfGE 69, 272 ≪309≫; 72, 141 ≪154≫; 101, 239 ≪263≫).

Vorliegend liegt eine unechte Rückwirkung vor. Das Studium ist noch nicht abgeschlossen. Die Pflicht zur Gebührenzahlung knüpft an ein zukünftiges Ereignis, den Verbrauch des Bildungsguthabens an. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin werden durch die Übergangsregelung nicht vor In-Kraft-Treten des Gesetzes bereits absolvierte Studiensemester gebührenpflichtig.

Während die echte Rückwirkung grundsätzlich verboten ist und die Durchbrechung des Verbots einer besonderen Rechtfertigung bedarf (vgl. BVerfGE 72, 200 ≪257≫; 88, 384 ≪403 f.≫), ist eine unechte Rückwirkung in der Regel zulässig (vgl. BVerfGE 101, 239 ≪263≫), es sei denn, der Betroffene durfte auf den Fortbestand der bisherigen Regelung vertrauen und dieses Vertrauen ist schutzwürdiger als die mit dem Gesetz verfolgten Anliegen (vgl. BVerfGE 68, 287 ≪307≫). Um die Grenzen der Zumutbarkeit zu wahren, muss der Gesetzgeber gegebenenfalls geeignete Übergangsregelungen vorsehen, wobei ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht (vgl. BVerfGE 43, 242 ≪288≫; 67, 1 ≪15 f.≫).

Diesem Maßstab wird das angegriffene Gesetz gerecht. Das Interesse des Gesetzgebers, gerade auch die vielen bereits immatrikulierten Langzeitstudierenden alsbald zu erfassen, wiegt schwerer als das Vertrauen Studierender darauf, ihr bereits begonnenes Studium ohne Gebührenbelastung abschließen zu dürfen. Die Übergangsregelung des § 6 Abs. 1 LHGebG gewährt den bereits immatrikulierten Erststudierenden ausreichend Zeit, sich auf die veränderte Rechtslage einzustellen. Soweit sie ihr Bildungsguthaben bei In-Kraft-Treten des Gesetzes bereits verbraucht haben, sollten ihre Studien bereits so weit fortgeschritten sein, dass sie binnen der Übergangsfrist gebührenfrei zum Abschluss gebracht werden können.

(c) Die Langzeitstudiengebühr ist im Verhältnis zu den mit der Gebührenregelung verfolgten Zwecken sowie der gebotenen Leistung auch nicht unangemessen hoch.

Die verfassungsrechtlich zulässige Gebührenhöhe wird maßgeblich durch die mit der Gebührenerhebung erkennbar verfolgten Gebührenzwecke bestimmt. Anerkannte Gebührenzwecke sind die Kostendeckung (vgl. BVerfGE 50, 217 ≪226≫; 85, 337 ≪346≫; 97, 332 ≪345≫; 108, 1 ≪18≫) und der Vorteilsausgleich (vgl. BVerfGE 93, 319 ≪344≫; 108, 1 ≪18≫), aber auch eine verhaltenslenkende Zielsetzung des Gebührengesetzgebers ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt (vgl. BVerfGE 50, 217 ≪230 f.≫; 97, 332 ≪345≫; 108, 1 ≪18≫).

Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 LHGebG wird die Gebühr als Gegenleistung für das Studium an den Einrichtungen einer Hochschule oder Berufsakademie erhoben. Nach den Feststellungen der Verwaltungsgerichte liegt die Gebühr weit unter den realen Kosten, die selbst das kostengünstigste Studium an einer Hochschule verursacht. Durch die Immatrikulation belegt der Studierende einen Studienplatz, für den die Hochschule ihre mit erheblichem Kostenaufwand geschaffenen Einrichtungen vorzuhalten hat, ohne dass es darauf ankommt, ob die Leistungen im Einzelfall in Anspruch genommen werden.

Zudem sind im Hinblick auf die verhaltenslenkende Zielsetzung der Gebührenregelung auch die Vergünstigungen als Abwägungsfaktor in die Verhältnismäßigkeitsbetrachtung mit einzustellen, die mit der Verleihung des Studentenstatus einhergehen. Damit werden vom Lenkungszweck der Langzeitstudiengebühr auch die Studierenden erfasst, die ohne tatsächliche Studienabsicht das Studium fortsetzen, um in den Besitz eines Studentenausweises und der damit vermittelten Vergünstigungen zu gelangen.

b) Die Beschwerdeführerin ist auch nicht in ihren Rechten aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.

aa) Es liegt kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz darin, dass Studienzeiten an ausländischen Hochschulen anders als solche an deutschen Hochschulen das Bildungsguthaben nicht mindern, da die Förderung von Auslandsstudien die unterschiedliche Behandlung rechtfertigt.

bb) Die Befreiung von der Gebührenpflicht während des Bezugs von Förderungsleistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz gemäß § 5 Nr. 1 LHGebG ist ebenfalls mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Bei einem Fachrichtungswechsel aus wichtigem Grund kann es in Fällen, in denen die Förderungshöchstdauer die Regelstudienzeit übersteigt, zu einer Besserstellung von langzeitstudierenden Empfängern von Förderungsleistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz gegenüber nichtförderungsberechtigten Studierenden kommen. In diesen Fällen ist die von der Beschwerdeführerin gerügte Ungleichbehandlung aber sachlich gerechtfertigt. Die Erhebung einer Langzeitstudiengebühr von förderungsberechtigten Studierenden würde im Widerspruch zu den bundesrechtlichen Vorschriften über die Ausbildungsförderung stehen und finanzielle Mittel abziehen, die zuvor auf deren Grundlage gewährt wurden. Vor dem Hintergrund, dass das Bildungsguthaben ausreichend Zeit für einen Studiengangwechsel innerhalb der ersten vier Semester lässt und dieser Puffer vergleichbar ist mit der Frist für den Bezug von Förderungsleistungen für eine andere Ausbildung gemäß § 7 Abs. 3 BAföG, ist eine weitere Privilegierung des Fachrichtungswechsels bei der Berechnung des Bildungsguthabens verfassungsrechtlich nicht geboten.

cc) Die Festsetzung einer einheitlichen Gebühr von 1.000 DM stellt keine Verletzung der verhältnismäßigen Gleichheit (vgl. hierzu BVerfGE 50, 217 ≪227≫) unter den Studierenden dar. Der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, die Studiengebühr nach den unterschiedlichen Kosten der Studiengänge oder den bereits absolvierten Semestern zu differenzieren. Da die Gebührenhöhe die Kosten selbst des kostengünstigsten Studiums nicht erreicht, orientiert sich die Bemessung der Studiengebühr primär am vom Gesetzgeber verfolgten Lenkungszweck der Gebührenerhebung. Dieser verhaltenslenkende Zweck des Gesetzes trifft alle Studierenden gleichermaßen.

c) Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts über die Zuständigkeit des für Abgabenrecht zuständigen Senats liegt nicht vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Regelung im Geschäftsverteilungsplan, wonach bei Streitigkeiten, die mehrere Rechtsgebiete berühren, grundsätzlich die im angefochtenen Bescheid genannte Ermächtigungsgrundlage maßgebend ist, es sei denn, der Schwerpunkt des Rechtsstreits liegt eindeutig in einem Rechtsgebiet, das einem anderen Fachsenat zugewiesen ist, den Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG entspricht, weil sie keine unzulässige Kumulierung unbestimmter Rechtsbegriffe enthält, sondern zur zweifelsfreien Bestimmung des zuständigen Senats beiträgt.

Es ist auch mit der Garantie des gesetzlichen Richters vereinbar, dass der für das Abgabenrecht zuständige 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs über die Berufung der Beschwerdeführerin entschieden hat. Mängel bei der Auslegung und Anwendung eines Geschäftsverteilungsplans im Einzelfall führen nur dann zu einem Verfassungsverstoß, wenn sie auf unvertretbaren, mithin sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruhen (vgl. BVerfGE 95, 322 ≪333≫; stRspr). Solche Erwägungen sind bei der Entscheidung des 2. Senats des Verwaltungsgerichtshofs, die Abgabe des Verfahrens an den für das Hochschulrecht zuständigen 9. Senat abzulehnen, nicht ersichtlich.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).

 

Unterschriften

Haas, Hömig, Bryde

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1970473

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