Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweilige Anordnung gegen Kundgebung

 

Beteiligte

Nationaldemokratische Partei Deutschlands

Parteivorsitzenden

 

Tenor

Der Antrag wird verworfen.

 

Gründe

Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.

Die Antragstellerin nennt in ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht die ihrem Begehren entgegenstehenden gerichtlichen Urteile. Den Ausführungen zur Begründung des Antrags kann jedoch entnommen werden, dass er sich gegen zwei Auflagen im Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 11. März 2000 – Az. OVG 1 SN 20.00/OVG 1 S 3.00 – wendet, wonach bei dem Aufzug keine Fahnen mitgeführt werden dürfen und der Aufzug mit der Abschlusskundgebung auf dem Platz vor dem Brandenburger Tor zu beenden ist (Bl. 2 des Beschlusses des OVG). Soweit in der Begründung des Antrages die Rede von der gerichtlichen Auflage, bestimmte Wortkundgebungen zu unterlassen, ist, ist hierüber nicht zu entscheiden, da der ausdrücklich gestellte Antrag hierauf keinerlei Bezug nimmt.

Der Antrag ist unzulässig. Er wird gemäß § 24 Abs. 1 BVerfGG verworfen.

Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) wird von dem Unterzeichner des Antrages nicht wirksam vertreten. Er ist nicht kraft Gesetzes vertretungsbefugt und legt auch nicht die nach § 22 Abs. 2 BVerfGG notwendige schriftliche, sich ausdrücklich auf das Verfahren beziehende Vollmacht vor. Er stellt auch nicht den darüber hinaus notwendigen Antrag auf Zulassung als Beistand, dem im Übrigen nur stattzugeben wäre, wenn die Zulassung als Beistand sachdienlich wäre (vgl. BVerfGE 8, 92 ≪94≫). Hierfür sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.

Der Antrag wäre im Übrigen auch unbegründet.

Bei der Frage, ob eine einstweilige Anordnung zu erlassen ist, muss nach ständiger Rechtsprechung eine Abwägung der Folgen vorgenommen werden, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 72, 299 ≪301≫).

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung könnte hinsichtlich der Auflage, nach der der Aufzug mit der Abschlusskundgebung auf dem Platz vor dem Brandenburger Tor zu beenden ist, keinen Erfolg haben. Es fehlt schon an dem hierfür notwendigen Rechtsschutzbedürfnis. Ausweislich der im Beschluss des Oberverwaltungsgerichts niedergelegten Gründe hat die Antragstellerin mit Rücksicht auf die ihr vom Gericht mitgeteilten Sicherheitsbedenken, die im Hinblick auf die angemeldete Gegendemonstration auf dem Pariser Platz bestünden, auf das Durchlaufen des Brandenburger Tores und die Abschlusskundgebung auf dem Pariser Platz verzichtet. Eine diesbezügliche Auflage könnte im Übrigen einen Grund darin finden, die baulichen Gegebenheiten des Brandenburger Tors dazu zu nutzen, konkurrierende Demonstrationen räumlich zu trennen und so von vornherein etwaige Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere für Leib und Leben der Versammlungsteilnehmer, soweit für sie im konkreten Fall aufgrund einer auf Tatsachen beruhenden Gefahrenprognose Anhaltspunkte bestehen (vgl. BVerfGE 69, 315 ≪353 f.≫), zu vermeiden.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hätte auch im Hinblick auf die Auflage, keine Fahnen mitzuführen, keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht stellt mit dem Verweis auf die Vorfälle bei dem Aufzug durch das Brandenburger Tor am 29. Januar 2000 und der Feststellung, die Gestaltung der Parteifahne sei nach Auskunft der Antragstellerin in ihrer Parteisatzung nicht festgelegt, noch erkennbar auf die konkrete Gefahr ab, die Erlaubnis, rechtlich zulässige Fahnen wie die Bundesflagge zu zeigen, könnte Anlass sein, darüber hinaus auch Kennzeichen zu zeigen, deren öffentliche Verwendung gesetzlich verboten ist. Eine verantwortbare verfassungsgerichtliche Nachprüfung, ob die angeführten Sachverhalte für die gestellte Prognose ausreichen, um die Auflage zu rechtfertigen, ebenso wie eine verantwortliche Abwägung der betroffenen Rechtsgüter wäre nur in voller Kenntnis der maßgeblichen Umstände und unter Anhörung aller Beteiligten möglich. Dies ließe sich in der der Kammer zur Verfügung stehenden Zeit nicht erreichen. Unter diesen Umständen wäre das Bundesverfassungsgericht zu einer von der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin abweichenden Beurteilung nicht in der Lage (vgl. BVerfGE 72, 299 ≪301 f.≫).

Die mit Verfahren der vorliegenden Art verbundenen verfassungsrechtlichen Fragen wären gegebenenfalls in einem Hauptsacheverfahren zu klären.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Papier, Steiner, Hohmann-Dennhardt

 

Fundstellen

Haufe-Index 565103

NVwZ-RR 2000, 553

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