Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung des Antrags der Hessischen Landesregierung auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Aussetzung der Übertragung von Aufgaben mehrerer Oberfinanzdirektionen durch OFDAufgÜbertrV

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Aussetzung der Übertragung von Aufgaben mehrerer Oberfinanzdirektionen durch OFDAufgÜbertrV wird nach der gem. § 32 Abs. 1 BVerfGG gebotenen Abwägung abgelehnt.

2. Vgl. die Hauptsacheentscheidung des BVerfG vom 27. Juni 2002, 2 BvF 4/98.

 

Normenkette

OFDAufgÜbertrV; BVerfGG § 32 Abs. 1; FVG § 8 Abs. 3

 

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

 

Tatbestand

I.

In der Hauptsache wendet sich der Antrag der Hessischen Landesregierung auf abstrakte Normenkontrolle gegen die Verordnung des Bundesministers der Finanzen vom 4. März 1998 zur Übertragung von Aufgaben der Oberfinanzdirektionen Berlin, Bremen, Chemnitz, Düsseldorf, Erfurt, Frankfurt am Main, Hannover, Kiel, Magdeburg, München, Münster, Rostock, Saarbrücken und Stuttgart (BGBl I S. 407).

Diese Verordnung lautet:

“Verordnung

zur Übertragung von Aufgaben der Oberfinanzdirektionen Berlin, Bremen, Chemnitz, Düsseldorf, Erfurt, Frankfurt am Main, Hannover, Kiel, Magdeburg, München, Münster, Rostock, Saarbrücken und Stuttgart

Vom 4. März 1998

Auf Grund des § 8 Abs. 3 des Finanzverwaltungsgesetzes vom 30. August 1971 (BGBl. I S. 1426, 1427) verordnet das Bundesministerium der Finanzen im Benehmen mit den für die Finanzverwaltung zuständigen obersten Landesbehörden:

§ 1

Die Aufgaben der Oberfinanzdirektionen gemäß § 8 Abs. 4 des Finanzverwaltungsgesetzes (Zoll- und Verbrauchsteuerabteilung) werden wie folgt übertragen:

von der Oberfinanzdirektion

auf die Oberfinanzdirektion

Berlin

Cottbus

Bremen

Hannover

Düsseldorf

Köln

Erfurt

Chemnitz

Frankfurt am Main

Koblenz

Kiel

Hamburg

Magdeburg

Hannover

München

Nürnberg

Münster

Köln

Rostock

Hamburg

Saarbrücken

Koblenz

Stuttgart

Karlsruhe

§ 2

Die Aufgaben der Oberfinanzdirektionen gemäß § 8 Abs. 5 des Finanzverwaltungsgesetzes (Bundesvermögensabteilung) werden wie folgt übertragen:

von der Oberfinanzdirektion

auf die Oberfinanzdirektion

Chemnitz

Erfurt

Frankfurt am Main

Koblenz

Hannover

Magdeburg

Kiel

Rostock

München

Nürnberg

Münster

Köln

Stuttgart

Karlsruhe

§ 3

Die Zuständigkeit der Oberfinanzpräsidenten nach § 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 bis 4 des Vermögenszuordnungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. März 1994 (BGBl. I S. 709) bleibt unberührt.

§ 4

Diese Verordnung tritt am 1. August 1998 in Kraft.”

Die Antragstellerin sieht darin, daß aufgrund der in der Verordnung vorgesehenen Umorganisation bestimmte Oberfinanzdirektionen zu ausschließlichen Landesbehörden werden, eine Überschreitung der Ermächtigung des § 8 Abs. 3 FVG sowie einen Verstoß gegen den sich aus Art. 108 GG ergebenden Gesetzesvorbehalt für solche Maßnahmen.

Im Land Hessen führe der Entzug sämtlicher Aufgaben der Bundesfinanzverwaltung bei der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main dazu, daß sie nach Vollzug der Verordnung ausschließlich Mittelbehörde des Landes und nicht mehr auch gleichzeitig Mittelbehörde der bundeseigenen Finanzverwaltung sei.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigen vom 30. Juli 1998 beantragt,

im Wege der einstweiligen Anordnung den Vollzug der angegriffenen Rechtsverordnung bis zur Entscheidung in der Hauptsache in vollem Umfange, jedenfalls aber insoweit auszusetzen, als die Aufgaben der Zoll- und Verbrauchsteuerabteilung sowie der Bundesvermögensabteilung der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main auf die Oberfinanzdirektion Koblenz übertragen werden soll.

Ein schwerer Nachteil entstehe der Beschwerdeführerin dadurch, daß die Neuorganisation das bisherige Personal der Oberfinanzdirektion veranlasse, einen neuen Arbeitsplatz zu suchen. Die Beschäftigten von Dienststellen, deren räumliche Auflösung normativ festgelegt sei, seien gezwungen, sich umzuorientieren. Dabei hätten die ersten, die ihren bisherigen Dienstplatz verließen, die besten Chancen am Arbeitsmarkt, so daß nach relativ kurzer Zeit die besten Kräfte verloren seien. Dieser Aderlaß sei nach einem Jahr nicht mehr wiedergutzumachen. Die Dringlichkeit ergebe sich daher aus der mit Inkrafttreten der Verordnung beginnenden Umorientierung des qualifizierten Personals.

III.

Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.

1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, der Antrag in der Hauptsache wäre unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang muß das Bundesverfassungsgericht die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Antrag in der Hauptsache aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, dem Antrag in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre (BVerfGE 91, 328 ≪332≫; 96, 120 ≪128 f.≫ stRspr).

2. Ergeht die einstweilige Anordnung und erweist sich der Antrag in der Hauptsache später als unbegründet, so bleibt der allgemeine Geltungsanspruch der Norm vorübergehend unbeachtet. Wird die Vollziehung nicht ausgesetzt, bleibt allein, wie auch die Antragstellerin vorgetragen hat, die Personalabwanderung als mögliche, nicht mehr umkehrbare Folge.

Eine Abwägung zwischen diesen Nachteilen, die je mit dem Erlaß oder der Ablehnung der einstweiligen Anordnung verbunden sind, spricht hier für die Fortgeltung der Rechtsverordnung. Der Erlaß der begehrten Anordnung wäre schon nicht geeignet, die Personalabwanderung in erheblichem Umfang zu verhindern. Auch ein vorläufiges Aussetzen des Vollzugs könnte bei den Bediensteten kein Vertrauen begründen, daß ihr Dienstort auf Dauer Frankfurt am Main bleiben wird. Damit kann der Erlaß der Anordnung zu keiner wesentlichen Abschwächung einer sich möglicherweise noch fortsetzenden Umorientierung führen.

Schließlich ist auch nicht ersichtlich, daß die entstehenden Vakanzen im Raum Frankfurt am Main, soweit erforderlich, nicht wieder qualifiziert besetzt werden könnten, wenn der Antrag in der Hauptsache Erfolg hätte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1276276

HFR 2000, 133

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