Verfahrensgang

OLG Celle (Urteil vom 02.10.1990; Aktenzeichen 16 U 66/90)

LG Lüneburg (Urteil vom 17.01.1990; Aktenzeichen 2 O 233/89)

BVerwG (Beschluss vom 09.05.1989; Aktenzeichen 1 B 166.88)

OVG für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein (Urteil vom 01.09.1988; Aktenzeichen 12 OVG A 148/86)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Tatbestand

I.

  • Die Beschwerdeführer waren Teilnehmer einer Großdemonstration, die am 4. September 1982 am Baugelände des atomaren Zwischenlagers Gorleben stattfand. Nachdem die Kundgebung von der Versammlungsleiterin für geschlossen erklärt worden war, verblieben die Beschwerdeführer mit einem Teil der Versammlungsteilnehmer am Versammlungsplatz. Etwa 300 bis 500 Personen begaben sich in das umgebende Waldgelände und versuchten, die die Baustelle umgrenzenden Drahtrollen aus ihrer Verankerung zu ziehen.

    Die Versammlungsteilnehmer, die sich noch auf dem Versammlungsplatz aufhielten, wurden daraufhin durch mehrfache Lautsprecherdurchsagen der Polizei zum Verlassen des Platzes in Richtung Gedelitz auf der Kreisstraße 2 aufgefordert. Ein Teil der Demonstranten verließ den Platz freiwillig, die übrigen Personen wurden von der Polizei mit Hilfe von Wasserwerfern auf der Kreisstraße 2 in Richtung Gedelitz abgedrängt. Nachdem die Wasserwerfer und die sie begleitenden Polizeikräfte langsam, unterbrochen von zeitweiligem Stillstand, vorgerückt waren, erreichten sie etwa 200 Meter vom Versammlungsplatz entfernt eine von Demonstranten errichtete Straßensperre aus Zweigen und Stämmen. Die Beschwerdeführer setzten sich mit anderen Personen hinter der Sperre auf die Straße. Die Polizei versuchte unter Einsatz von Wasserwerfern, diese Personengruppe zu vertreiben. Hierbei wurde der Druck der Wasserstöße allmählich von 8 bis 9 bar bis auf etwa 13 bar erhöht. Die Beschwerdeführer wurden aus einer Entfernung von etwa 15 Meter von Wasserstößen in dieser Stärke getroffen. Die Beschwerdeführerin zu 1) erlitt dabei multiple Hämatome im Unterkörperbereich, der Beschwerdeführer zu 2) eine Rippenserienfraktur der fünften bis neunten Rippe links.

    Mit Fernschreiberlaß des Ministers des Innern des Landes Niedersachsen vom 12. September 1984 wurde die Polizeidienstvorschrift 122 betreffend Wasserwerfereinsatz dahingehend geändert, daß aus dem Satz “Zum Wasserstoß ist der Wasserstrahl in voller Stärke unmittelbar auf die Störer zu richten” die Worte “in voller Stärke” gestrichen und außerdem hinzugefügt wurde, insbesondere bei den neuen Wasserwerfern solle die Stärke des Wasserstrahls an der Entfernung zum Störer orientiert werden.

  • Die Beschwerdeführer haben vor dem Verwaltungsgericht die Feststellung der Rechtswidrigkeit des gegen sie gerichteten Wasserwerfereinsatzes beantragt. Das Verwaltungsgericht hat den Klagen stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Sie seien unzulässig und unbegründet. Den Beschwerdeführern fehle das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse. Eine Wiederholungsgefahr sei nicht gegeben, da die Vorschrift zum Wasserwerfereinsatz inzwischen geändert worden sei. Soweit die Beschwerdeführer Schadensersatz verlangen wollten, hätten sie unmittelbar vor den ordentlichen Gerichten klagen können; einer vorherigen verwaltungsgerichtlichen Feststellung bedürfe es dafür nicht. Den Beschwerdeführern stehe auch kein Rehabilitationsinteresse zur Seite. Sie seien nicht in diskriminierender Weise behandelt worden, weil sich der Wasserwerfereinsatz weder allein noch unmittelbar oder besonders gegen sie gerichtet habe und auch nicht geeignet gewesen sei, ihr Ansehen herabzusetzen. Für das Vorliegen eines Rehabilitationsinteresses sei es nicht ausreichend, daß ein Grundrechtseingriff geltend gemacht werde.

    Die Fortsetzungsfeststellungsklagen könnten aber auch dann keinen Erfolg haben, wenn sie als zulässig angesehen würden. Die Polizei habe nicht rechtswidrig gehandelt. Bei dem Einsatz der Wasserwerfer habe es sich um die Anwendung unmittelbaren Zwangs unter Verwendung eines Hilfsmittels der körperlichen Gewalt zur Durchsetzung einer Polizeiverfügung gehandelt. Diese habe zunächst in der Aufforderung bestanden, den Versammlungsort in Richtung Gedelitz zu verlassen (§ 15 NdsSOG). Sie sei erforderlich gewesen (§ 11 NdsSOG), damit die Polizei den gegen das Baugelände gerichteten Angriffen wirksamer habe begegnen können. Daran sei die Polizei im weiteren Ablauf der Geschehnisse unter anderem durch Barrikaden sowie durch die Personen, die sich auf der Straße niedergelassen hätten, gehindert worden. Es habe sich deshalb als zusätzlich notwendig erwiesen, die Barrikaden abzuräumen und gegen die Sitzenden einzuschreiten. Diese hätten nicht nur das Vorgehen der Polizei zum Schutz des Baugeländes behindert, sondern darüber hinaus jedenfalls ihr gegenüber eine Nötigung begangen. Auch insoweit sei das Verlangen, die Straße für die Polizei zu räumen, gerechtfertigt gewesen (§ 2 Ziff. 1b und c, § 11 NdsSOG). Ob die auf der Straße Sitzenden, die damit Störer im Sinne des Polizeirechts gewesen seien, eine Versammlung gebildet hätten, sei unerheblich. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit umfasse keine (“Blockade”-)Maßnahmen dieser Art. Vielmehr sei ein dagegen gerichtetes polizeiliches Einschreiten gerechtfertigt. Eine dazu etwa erforderliche Auflösungsverfügung im Sinne von § 15 Abs. 2 VersG wäre jedenfalls in dem Gebot, die Straße zu räumen, enthalten gewesen.

    Nachdem die auf der Straße Sitzenden der Aufforderung, die Straße zu räumen, nicht freiwillig nachgekommen seien, habe die Aufforderung zwangsweise durchgesetzt werden können (§§ 42, 48, 52 NdsSOG). Dazu hätten die Wasserwerfer gedient. Ihr Einsatz sei weder ermessenswidrig (§ 5 NdsSOG) noch unverhältnismäßig (§ 4 NdsSOG) gewesen. Die Polizei habe sich nicht darauf beschränken müssen, die Sitzenden wegzutragen, weil Weggetragene leicht zurückkehren könnten. Infolge der vorherigen Androhung und der in Intervallen abgegebenen Wasserstöße hätten alle Blockierer die Möglichkeit gehabt, die Straße freiwillig zu räumen. Die Beschwerdeführer hätten nicht darauf vertrauen dürfen, daß der Wasserwerfereinsatz völlig ungefährlich sei und nur eine Durchnässung zur Folge haben würde, zumal sie als weiter hinten Sitzende die Wirkung des Wasserstrahls auf die vor ihnen Sitzenden und die allmähliche Verstärkung des Wasserdrucks hätten bemerken müssen. Daraus, daß die Polizei die Zwangsräumung der Kreisstraße 2 später abgebrochen habe, folge nicht, daß die vorhergehenden Zwangsmaßnahmen rechtswidrig gewesen seien.

    Die gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegte Beschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. Revisionszulassungsgründe seien nicht gegeben. Soweit das Berufungsgericht ein Rehabilitationsinteresse der Beschwerdeführer verneint habe, führe die Divergenzrüge nicht zur Zulassung der Revision, weil das Berufungsgericht nicht von den angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen sei. Der generellen Verfahrensrüge, das Berufungsgericht habe die Klage zu Unrecht als unzulässig angesehen, fehle die gebotene Substantiierung des Feststellungsinteresses. Die Beschwerdeführer hätten kein konkretes Rehabilitationsinteresse dargelegt, vielmehr lediglich den Sachverhalt wiedergegeben und in der Beschwerdeschrift bezüglich des Rehabilitationsinteresses nur die Divergenzrüge erhoben. Damit allein würden Tatsachen zur Begründung der in Rede stehenden Verfahrensrüge nicht den Anforderungen des § 132 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend bezeichnet.

  • Die Klage der Beschwerdeführer auf Zahlung von Schmerzensgeld hat das Landgericht abgewiesen, weil der Wasserwerfereinsatz rechtmäßig gewesen sei und auch keine schuldhafte Amtspflichtverletzung der eingesetzten Beamten im Sinn des § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG vorliege. Den Beamten könne nicht vorgeworfen werden, daß sie das Eintreten der außergewöhnlichen Verletzungen der Beschwerdeführer nicht vorhergesehen hätten. Im übrigen hätten die Beschwerdeführer sich den für sie erkennbaren Wirkungen der Wasserwerfer ausgesetzt, obwohl es ihnen möglich gewesen wäre auszuweichen.

    Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Schadensersatzansprüche der Beschwerdeführer aus §§ 839, 847 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG kämen nicht in Betracht, weil der Wasserwerfereinsatz rechtmäßig gewesen sei. Dieser sei allein nach Polizeirecht zu beurteilen. Die Beschwerdeführer hätten nach Beendigung der Versammlung nicht mehr den Schutz des Versammlungsgesetzes genossen, so daß die Polizei befugt gewesen sei, die Versammlungsteilnehmer gemäß § 113 OWiG zum Verlassen des Versammlungsplatzes aufzufordern. Indem die Beschwerdeführer dem nicht nachgekommen seien, hätten sie eine Ordnungswidrigkeit begangen. Der Wasserwerfereinsatz sei verhältnismäßig und rechtmäßig gewesen. Das Baugelände sei mit Gewalt angegriffen worden, so daß eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorgelegen habe. Da sich die Polizei am Südende des Zwischenlagergeländes in der Nähe des Versammlungsplatzes und der Kreisstraße 2 nur mit Mühe der gewalttätigen Demonstranten habe erwehren können und es in erheblichem Umfang zu Verletzungen der eingesetzten Beamten gekommen sei, sei es ermessensfehlerfrei und rechtmäßig gewesen, daß die Polizei die auf dem Versammlungsplatz verbliebenen Teilnehmer unter Einsatz von Hilfsmitteln körperlicher Gewalt über die Kreisstraße 2 abgedrängt habe.

    Es sei in der konkreten Situation nicht zu beanstanden, daß die Polizeibeamten die Sitzenden nicht nur weggetragen, sondern den Wasserwerfer eingesetzt hätten. Zum einen hätte allein ein Wegtragen nicht dem Umstand Rechnung getragen, daß es das unmittelbare Vorfeld des Zwischenlagers zu räumen gegolten habe, damit gegen die wirklichen Gewalttäter vorgegangen werden konnte. Zum anderen sei zu berücksichtigen, daß zum Wegtragen die geschlossene Kette der Beamten hätte aufgelöst werden müssen – was das Wegdrängen unmöglich gemacht hätte –, daß einzelne Beamte bei einem Wegtragen eher Zielscheibe von Gewaltakten hätten werden können und daß haushälterisch mit den Kräften der eingesetzten Polizeibeamten habe umgegangen werden müssen. Der Einsatz der Wasserwerfer sei deshalb sachgerecht und verhältnismäßig gewesen. Der Druck der Wasserstöße sei erst nach und nach und im Zuge des weiteren Vorrückens, das unverändert von passivem Widerstand der früheren Versammlungsteilnehmer gekennzeichnet gewesen sei, erhöht worden. Da die Beschwerdeführer zu diesem Personenkreis gehörten, hätten sie die Entwicklung beobachtet. Unstreitig sei ein Teil der Versammlungsteilnehmer vor der sich steigernden Wirkung der Wasserstöße auch zurückgewichen. Damit sei es aber auch gerechtfertigt gewesen, zum Schluß die letzten nicht weichenden Demonstrationsteilnehmer mit stärkeren Wasserstößen zu belegen.

  • Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführer gegen den Wasserwerfereinsatz, die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts und der Zivilgerichte sowie gegen die den Wasserwerfereinsatz regelnde Polizeidienstvorschrift 122 und das Fehlen einer gesetzlichen Regelung über den Wasserwerfereinsatz. Sie rügen die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 8, Art. 2 Abs. 1 und 2, Art. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG und machen im wesentlichen geltend:

    Die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts stellten einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG dar. Dieser diene der formellen Absicherung des materiellen Grundrechtsschutzes. Sie hätten die Rechts- und Verfassungswidrigkeit des polizeilichen Wasserwerfereinsatzes allein im Verwaltungsrechtsweg angreifen können. Nur von den Verwaltungsgerichten hätten die Wirkungen des belastenden Verwaltungshandelns beseitigt werden können. Das Bundesverwaltungsgericht habe gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen, weil es die Unzulässigkeit der Klagen bestätigt habe. Selbst bei Ablehnung aller geltend gemachten Revisionszulassungsgründe hätte es die Revision zulassen müssen, um ihren Grundrechten zur Geltung zu verhelfen.

    Alle angefochtenen Gerichtsentscheidungen und die angegriffene Polizeimaßnahme verletzten Art. 8 GG. Es werde verkannt, daß auch die auf der Kreisstraße 2 abziehende Menschenmenge dem Schutz der Versammlungsfreiheit unterstanden habe. Es sei nach der Beendigung der Kundgebung immer noch gemeinsames Ziel der abrückenden Versammlungsteilnehmer gewesen, den Unwillen über das atomare Zwischenlager kundzutun. Zudem habe es sich bei der späteren Sitzblockade um eine durch Art. 8 GG geschützte Spontanversammlung gehandelt. Die Sitzblockade falle auch nicht deshalb aus dem Schutzbereich des Art. 8 GG heraus, weil sie eine Nötigung nach § 240 StGB darstellte, da sie jedenfalls nicht unfriedlich gewesen sei. Zur Räumung der Blockade hätte es deshalb einer vorherigen Auflösungsverfügung nach § 15 Abs. 2 VersG bedurft, die in der Lautsprecherdurchsage der Polizei, den Kundgebungsplatz zu verlassen, nicht enthalten gewesen sei. Jedenfalls aber sei eine erneute Auflösung der Spontandemonstration erforderlich gewesen. Im übrigen hätten die Voraussetzungen für eine Auflösung nicht vorgelegen.

    Die Räumung der Sitzblockade mit Wasserwerfern habe auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Es sei schon fraglich, ob die Straße allein im Interesse der Bewegungsfreiheit der Polizei habe geräumt werden dürfen. Jedenfalls sei die Räumung im Hinblick auf das Ziel – den Schutz des atomaren Zwischenlagers – weder geeignet noch erforderlich gewesen. Dieses Ziel sei um so weniger zu erreichen gewesen, je weiter die Versammlungsteilnehmer vom Zwischenlager abgedrängt worden seien. Die auf der Kreisstraße eingesetzte Hundertschaft von Polizeibeamten hätte beim Einsatz gegen gewalttätige Demonstranten direkt am Zwischenlager gefehlt. Aus dieser Kenntnis heraus sei der Wasserwerfereinsatz offenbar auch von der Polizei abgebrochen worden. Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Wasserwerfereinsatzes sei zudem zu berücksichtigen, daß es sich um eine friedliche Sitzblockade gehandelt habe, von der gerade keine Gefahr für das atomare Zwischenlager ausgegangen sei. Wäge man diese Gesichtspunkte ab, so stehe der ihnen zugefügte Nachteil in Gestalt der Verletzungen außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg, die Straße freizumachen, damit die Polizei zur Bekämpfung der gewalttätigen Demonstranten Bewegungsfreiheit erhielt, zumal die Polizei selbst dieses Ziel noch während des Einsatzes aufgegeben habe.

    Die Anwendung des unmittelbaren Zwanges habe sie auch deshalb in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2, Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG verletzt, weil die Eingriffsvoraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG erlaube zwar auch Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit auf gesetzlicher Grundlage; dies sei aber nur unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und unter Wahrung der Menschenwürde zulässig. Es fehle schon deshalb an der gesetzlichen Grundlage für die Anwendung unmittelbaren Zwangs, weil sie keine “Störer” im Sinne des NdsSOG gewesen seien. Von den Teilnehmern an der Sitzblockade sei keinerlei Gefahr ausgegangen; allein die Behinderung des Vorgehens der Polizei hätte keine Gefahr im Sinne des NdsSOG geschaffen.

    Die Tatsache, daß der Wasserwerfertyp W 6000 geeignet sei, erhebliche Verletzungen bei Demonstranten hervorzurufen, mache seinen Einsatz bei Demonstrationen generell rechtswidrig. Die eingesetzten Beamten seien sich der Durchschlagskraft des neuen Wasserwerfers nicht bewußt gewesen; erst 1985 habe die Polizei mit dem Wasserwerfer entsprechende Versuchsreihen durchgeführt.

    Die Beschwerdeführer greifen überdies mittelbar das NdsSOG an und rügen, dieses verletze sie in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2, Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG, weil der Landesgesetzgeber es unterlassen habe, den Einsatz von Hochdruckwasserwerfern zu regeln. Die gegen sie eingesetzten Hochdruckwasserwerfer des Typs W 6000 hätten eine waffenähnliche Durchschlagskraft. Der Landesgesetzgeber hätte deshalb die für den alten Wasserwerfertyp geltenden gesetzlichen Regelungen der extrem gesteigerten Durchschlagskraft der neuen Wasserwerfergeneration anpassen müssen. Die technische Veränderung sei so wesentlich, daß die Handhabung nicht allein den Polizeibeamten überlassen werden könne. Zur Wahrung der Menschenwürde und des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit sei es erforderlich, daß der Gesetzgeber eine eindeutige Regelung treffe, die derjenigen über den Schußwaffengebrauch entspreche.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) nicht vorliegen. Diese sind gemäß Art. 8 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 2. August 1993 (BGBl I S. 1442) auch auf vorher anhängig gewordene Verfahren anzuwenden. Die Verfassungsbeschwerde ist teils unzulässig, teils kommt ihre Annahme nicht in Betracht, weil sie weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Fragen aufwirft noch hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

  • Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Polizeidienstvorschrift 122 (PDV 122) und gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts richtet.

    a) Die den Wasserwerfereinsatz regelnde Polizeidienstvorschrift betrifft die Beschwerdeführer nicht unmittelbar, sondern richtet sich ausschließlich an die Polizeibehörden. Rechtliche Auswirkungen gegen die Beschwerdeführer erlangt sie erst, wenn die Polizei nach ihr verfährt. Gegen derartige Verwaltungsvorschriften kann sich der Einzelne nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht unmittelbar mit der Verfassungsbeschwerde wenden (BVerfGE 18, 1 ≪15≫; 41, 88 ≪105≫).

    b) Soweit die Beschwerdeführer die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts angreifen, genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den Begründungsanforderungen (§ 23 Abs. 1, § 92 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde zeigt bereits nicht die Möglichkeit auf, daß das Bundesverwaltungsgericht einen von den Beschwerdeführern im Revisionszulassungsverfahren geltend gemachten Revisionszulassungsgrund zu Unrecht verneint haben könnte. Vielmehr machen die Beschwerdeführer lediglich geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe die Revision auch ohne Revisionszulassungsgrund zulassen müssen, um den Grundrechten zur Geltung zu verhelfen. Ein derartiger allgemeiner außergesetzlicher Revisionszulassungsgrund ist jedoch verfassungsrechtlich nicht geboten. Weder Art. 19 Abs. 4 GG noch das Rechtsstaatsprinzip fordern einen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 87, 48 ≪61≫; 92, 365 ≪410≫; stRspr). Ist ein solcher eröffnet, so wird effektiver Rechtsschutz nur innerhalb des prozeßrechtlich festgelegten Rahmens gewährleistet. Im übrigen verlangt das Grundgesetz lediglich, daß die Beschreitung eines eröffneten Rechtswegs nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden darf (vgl. BVerfGE 40, 272 ≪274 f.≫; 54, 94 ≪97≫). Daß die Revisionszulassungsregelungen in § 132 Abs. 2 VwGO eine unzumutbare Erschwernis bedeuten, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich.

  • Die im übrigen zulässige Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

    a) Die Rüge der Beschwerdeführer, der Gesetzgeber habe nach Einführung des Wasserwerfers vom Typ W 6000 eine etwaige Pflicht zur Nachbesserung des NdsSOG evident verletzt, ist unbegründet.

    Zwar hat der Gesetzgeber auch bei der Gestattung des Einsatzes technischer Mittel gegen Personen das Übermaßverbot zu beachten. Damit geht eine Überprüfungs- und Anpassungspflicht bei veränderten Verhältnissen einher (vgl. BVerfGE 65, 1 ≪55 f.≫; 83, 1 ≪13 ff., 16, 19 ff.≫; 90, 145 ≪219 ff. – abw. M.≫). Es ist aber nicht erkennbar, daß der Landesgesetzgeber seine Pflicht, Bürger nicht schwerwiegenden, unverhältnismäßigen Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Wasserwerfereinsätze bei Demonstrationen auszusetzen, durch unterlassene Nachbesserung des NdsSOG verletzt hat. Die zuständigen Organe haben sich um eine Anpassung der den Wasserwerfereinsatz regelnden Bestimmungen an das erhöhte Gefährdungspotential der neuen Wasserwerfer bemüht. So ist die PDV 122 1984 geändert worden, und 1985 ist die Durchführung von Versuchsreihen mit dem Wasserwerfer Typ W 6000 veranlaßt worden. Es ist deshalb verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber die vorhandene gesetzliche Regelung des Wasserwerfereinsatzes durch § 47 Abs. 3 und 6, § 50 Abs. 1 und 2, § 52 Abs. 1, 2 und 3 NdsSOG auch für den neuen Wasserwerfertyp als ausreichend erachtet hat. Daß ein flexibler, verhältnismäßiger Einsatz des Wasserwerfers aufgrund der bestehenden Regelung generell ausgeschlossen wäre, ist nicht ersichtlich und von den Beschwerdeführern auch nicht behauptet worden. Ebensowenig ist erkennbar, daß von einem Wasserwerfer unabhängig von der Art und Weise des Einsatzes (Entfernung, Stärke des Wasserstoßes) ein ähnliches Gefährdungspotential ausginge wie vom Schußwaffengebrauch, so daß der Wasserwerfereinsatz genauso bestimmt wie der Schußwaffengebrauch in den §§ 54 ff. NdsSOG geregelt werden müßte.

    b) Der Einsatz des Wasserwerfers sowie die angegriffenen Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts und der Zivilgerichte, die seine Rechtmäßigkeit festgestellt haben, sind im Ergebnis verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

    aa) Allerdings begegnet die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, die Fortsetzungsfeststellungsklagen seien unzulässig gewesen, verfassungsrechtlichen Bedenken. Die vom Oberverwaltungsgericht an das Vorliegen eines Rehabilitationsinteresses gestellten Anforderungen stehen nicht in Einklang mit Art. 19 Abs. 4 GG. Es hat die Geltendmachung eines Grundrechtseingriffs nicht als ausreichend erachtet und maßgeblich darauf abgestellt, daß der Wasserwerfereinsatz sich gegen alle auf der Fahrbahn sitzenden Demonstranten gerichtet habe und die Beschwerdeführer keine Sonderbehandlung erfahren hätten. Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gebietet jedoch, daß der Betroffene Gelegenheit erhält, in Fällen tiefgreifender, tatsächlich jedoch nicht mehr fortwirkender Grundrechtseingriffe auch dann die Rechtmäßigkeit des Eingriffs gerichtlich klären zu lassen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann (vgl. BVerfGE 96, 27 ≪40≫).

    Deshalb darf verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz jedenfalls dann, wenn ein Kläger – wie hier – substantiiert erhebliche Grundrechtsverletzungen vorträgt, nicht von der weiteren Voraussetzung abhängig gemacht werden, daß am Betroffenen ein Exempel statuiert oder sein Ansehen in der Öffentlichkeit herabgesetzt wurde. Das zeigt gerade die vorliegende Fallkonstellation. Nach der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts käme nämlich eine Prüfung der Rechtmäßigkeit von Polizeieinsätzen gegenüber Menschenmengen generell nicht in Betracht, weil durch die Vielzahl der Betroffenen ausgeschlossen ist, daß der Einzelne eine Sonderbehandlung erfahren hat. Daß aber staatliche Maßnahmen, die einen schwerwiegenden Eingriff in ein Grundrecht darstellen, gegenüber einer größeren Anzahl von Personen von vornherein einer gerichtlichen Kontrolle entzogen sein sollten, wäre weder mit dem Rechtsstaatsprinzip noch mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes vereinbar.

    Obwohl hiernach die Auffassung, es fehle an dem für die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklagen erforderlichen Rehabilitationsinteresse der Beschwerdeführer, nicht in Einklang mit Art. 19 Abs. 4 GG steht, hat die Verfassungsbeschwerde keine hinreichende Erfolgsaussicht. Denn das Oberverwaltungsgericht hat die nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotene Rechtmäßigkeitsprüfung der Sache nach vorgenommen, indem es (auch) der Begründetheit der Klagen nachgegangen ist und sie mit ausführlicher Begründung verneint hat. Die fehlerhaften Ausführungen zum Feststellungsinteresse der Beschwerdeführer haben sich mithin letztlich für die Beschwerdeführer nicht nachteilig ausgewirkt.

    bb) Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 8 GG. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit scheidet bereits als Prüfungsmaßstab aus.

    Zwar haben die Gerichte sich mit der Frage befaßt, ob die auch an die Beschwerdeführer gerichtete polizeiliche Aufforderung zum Verlassen des Versammlungsplatzes und der Straße mit dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit vereinbar war. Ob die diesbezüglichen Ausführungen mit Art. 8 GG in Einklang stehen, bedarf jedoch keiner verfassungsrechtlichen Prüfung. Gegenstand der fachgerichtlichen Entscheidungen war nicht die Rechtmäßigkeit dieser polizeilichen Maßnahmen, sondern allein die Rechtmäßigkeit ihrer nachfolgenden zwangsweisen Durchsetzung im Wege der Verwaltungsvollstreckung. Im Ausgangsverfahren hatten die Beschwerdeführer lediglich beantragt festzustellen, daß der gegen sie gerichtete Wasserwerfereinsatz, also die polizeiliche Vollstreckungsmaßnahme, rechtswidrig gewesen sei.

    Die Rechtmäßigkeit der Anwendung des unmittelbaren Zwangs in Form des Wasserwerfereinsatzes hing nicht von der Rechtmäßigkeit der auf das Verlassen des Platzes und der Straße gerichteten Grundverfügung, insbesondere ihrer Vereinbarkeit mit Art. 8 GG, ab. Denn auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Grundverfügung kommt es bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Vollstreckungsmaßnahme nicht an. Das entspricht ganz einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung und auch überwiegender Meinung in der Literatur (vgl. nur BVerwG, NJW 1984, S. 2591 ≪2592≫: “Tragender Grundsatz des Verwaltungs-Vollstreckungsrechts ist, wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, daß die Wirksamkeit und nicht die Rechtmäßigkeit vorausgegangener Verwaltungsakte Bedingung für die Rechtmäßigkeit der folgenden Akte und letztlich der Anwendung des Zwangsmittels ist.” Ferner VGH Baden-Württemberg, ESVGH 36, 217 ≪222 ff.≫; Rachor, in: Lisken/Denninger ≪Hrsg.≫, Handbuch des Polizeirechts, 2. Aufl., 1996, Absch. F Rn. 474; Schenke/Baumeister, NVwZ 1993, S. 1 ≪2 f.≫). Auch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg geht davon aus, daß die Rechtmäßigkeit eines Bescheides nicht Voraussetzung für die Zwangsanwendung ist (NVwZ 1984, S. 323). Der Umstand, daß es sich in der angegriffenen Entscheidung zusätzlich mit der Rechtmäßigkeit der Grundverfügung befaßt hat, gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß es von dieser Auffassung abweichen wollte.

    Verfassungsrechtlich bestehen gegen diese Rechtsauffassung keine Bedenken. Wie das Bundesverfassungsgericht ausgeführt hat, müssen Versammlungsteilnehmer eine rechtswidrige Versammlungsauflösung zunächst hinnehmen. Die Pflicht, sich von einer aufgelösten Versammlung zu entfernen, kann nicht von der Rechtmäßigkeit der Auflösungsverfügung abhängig gemacht werden. Da sich diese immer erst im nachhinein verbindlich feststellen läßt, könnten Versammlungsauflösungen nicht durchgesetzt werden, sobald ein Teilnehmer die Rechtswidrigkeit der Auflösung geltend macht. Widersetzen sich Versammlungsteilnehmer der polizeilichen Anordnung, ist der Einsatz staatlicher Zwangsmittel grundsätzlich zulässig (§ 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Den Versammlungsteilnehmern bleibt lediglich die Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit und gegebenenfalls die Verfassungswidrigkeit des polizeilichen Vorgehens nachträglich gerichtlich feststellen zu lassen. Der Grundrechtsverstoß, der in der rechtswidrigen Auflösung einer Versammlung liegt, läßt sich auf diese Weise freilich nicht mehr heilen. Die daraus folgende Beeinträchtigung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit ist jedoch unvermeidlich, wenn die vom Staat zu gewährleistende Sicherheit anderer Rechtsgüter, denen die Beschränkung der Versammlungsfreiheit zu dienen bestimmt ist, nicht hintangestellt werden soll (vgl. BVerfGE 87, 399 ≪409≫). Der Grund dafür, daß es bei der Durchsetzung der Auflösungsverfügung nicht auf deren Rechtmäßigkeit ankommt, liegt in der Situationsgebundenheit der Entscheidung, deren Vollzug nicht bis zur verbindlichen oder auch nur vorläufigen Klärung der Rechtsfrage aufgeschoben werden kann (a.a.O., S. 410). Dieser Grund trifft auch vorliegend zu. Denn es geht allein um die Überprüfung des unmittelbaren Vollzugs einer situationsgebundenen Entscheidung und nicht um die nachträgliche Sanktion für die Nichtbefolgung einer Anordnung, die stets nach dem Ereignis erfolgt und daher eine verbindliche Klärung der Rechtmäßigkeit erlaubt.

    Schließlich lag in der zwangsweisen Durchsetzung der Grundverfügung auch kein eigenständiger Eingriff in Art. 8 GG. Der Platzverweis erstreckte sich vielmehr auch auf das Umfeld des Baugeländes. Dieser Umstand steht auch der Annahme der Beschwerdeführer entgegen, daß sich hier eine neue, spontane Versammlung der auf dem Gelände verbliebenen Teilnehmer der geschlossenen Versammlung gebildet habe. Die Zwangsanwendung bezweckte folglich allein die sofortige Vollstreckung eines durch die Grundverfügung schon erfolgten Eingriffs.

    cc) Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer auch nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, das als spezielleres Grundrecht dem ebenfalls geltend gemachten Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG vorgeht.

    Allerdings stellen die den Beschwerdeführern durch den Wasserwerfereinsatz zugefügten Verletzungen einen Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit dar. Das Grundrecht ist jedoch nicht vorbehaltlos gewährleistet. Gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG sind Eingriffe in dieses Grundrecht aufgrund eines Gesetzes zulässig. Das Oberverwaltungsgericht und die Zivilgerichte haben die gesetzliche Grundlage für den Wasserwerfereinsatz in den Regelungen über die Anwendung unmittelbaren Zwangs im NdsSOG gesehen, gegen die verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen.

    Auslegung und Anwendung des einschränkenden Gesetzes sind Sache der dafür zuständigen Fachgerichte. Dabei muß jedoch das einschränkende Gesetz seinerseits im Lichte des Grundrechts gesehen werden (vgl. BVerfGE 17, 108 ≪117≫). Das gebietet es, bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Eingriffen in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. BVerfGE 17, 108 ≪117≫; 51, 324 ≪346≫). Diesen Anforderungen sind die angegriffenen Entscheidungen gerecht geworden.

    Die gesetzlichen Eingriffsvoraussetzungen für die Anwendung unmittelbaren Zwangs lagen nach den fachgerichtlichen Feststellungen vor. Verwaltungszwang ist nach § 42 Abs. 1 NdsSOG zulässig, um einen Verwaltungsakt durchzusetzen, wenn dieser unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat. Hier bestand der Verwaltungsakt in dem am Demonstrationsgelände ausgesprochenen Platzverweis der Polizei gemäß § 15 NdsSOG, der mit seiner Bekanntgabe mittels Lautsprecher wirksam geworden war (§ 43 Abs. 1 NdsVwVfG). Dieser Platzverweis verpflichtete die Beschwerdeführer, das Demonstrationsgelände und das Umfeld um das Baugelände zu verlassen. Auch die Stelle, an der der umstrittene Wasserwerfereinsatz erfolgte, war vom Platzverweis erfaßt. Der Platzverweis war auch sofort vollziehbar, weil es sich um eine unaufschiebbare Anordnung eines Polizeivollzugsbeamten handelte und ein Rechtsmittel gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO keine aufschiebende Wirkung gehabt hätte.

    Die Entscheidung über die Anwendung unmittelbaren Zwangs stand im Ermessen der Polizei. Die Gerichte haben in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise mit tragfähigen Gründen Ermessensfehler verneint. Hierbei haben sie nachvollziehbar darauf abgestellt, daß die Freihaltung des unmittelbaren Bereichs um das Zwischenlager erforderlich war, damit den massiven gewalttätigen Angriffen, bei denen es nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts bereits in erheblichem Umfang zu Verletzungen von eingesetzten Polizeibeamten gekommen war, wirksam begegnet werden konnte.

    Bei der Wahl der Zwangsmittel war die Polizei nach § 4 Abs. 1 und 2 NdsSOG verpflichtet, die Folgen ihrer Eingriffe möglichst schonend für die Betroffenen zu gestalten und Maßnahmen zu ergreifen, die nicht zu erkennbar unverhältnismäßigen Nachteilen führten. Im Rahmen der Entscheidung, Wasserwerfer einzusetzen, mußte insbesondere das damit einhergehende Verletzungsrisiko berücksichtigt werden. Das erforderte eine Einsatzweise, die es den Betroffenen zumindest ermöglichte, Verletzungsgefahren zu entgehen. Auch das haben die Gerichte hinreichend beachtet. Oberverwaltungsgericht und Oberlandesgericht haben als gegenüber dem Wasserwerfereinsatz milderes Zwangsmittel das Wegtragen der Demonstranten erwogen und es mit tragfähiger Begründung als weniger wirksam zur bezweckten zügigen Räumung der Straße und Sicherung der Bewegungsfreiheit der Polizei bei der Abwehr von gewalttätigen Angriffen angesehen. Sie haben weiter maßgeblich darauf abgestellt, daß die Beschwerdeführer infolge der vorherigen Androhung, der lediglich in Intervallen abgegebenen Wasserstöße, der allmählichen Steigerung des Wasserdrucks und der Erkennbarkeit der Wasserdrucksteigerung sowie der Wirkung des Wasserwerfereinsatzes auf die weiter vorn Sitzenden hinreichende Möglichkeit hatten, den die Verletzungen verursachenden Wasserstößen zu entgehen und die Straße freiwillig zu räumen. Diese Erwägungen sind tragfähig und lassen eine grundsätzliche Verkennung der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht erkennen. Dem steht nicht der spätere Abbruch des Einsatzes an dieser Stelle entgegen. Welche Gründe dafür ausschlaggebend waren, läßt sich nicht feststellen.

    dd) Schließlich ist auch eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 GG nicht feststellbar. Daß der Einsatz von Wasserwerfern als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt schon für sich genommen ohne Rücksicht auf Anlaß und Umstände gegen die Menschenwürde verstößt, ist nicht ersichtlich. Es spricht aber auch nichts dafür, daß die Beschwerdeführer im konkreten Fall einer Behandlung ausgesetzt worden sind, die als Verletzung der Menschenwürde anzusehen wäre. Dies gilt auch für die Beschwerdeführerin zu 1), die geltend macht, sie sei vom Wasserstoß in entwürdigender Weise im Genitalbereich getroffen worden. Der Wasserwerfer war auf eine solche Wirkung nicht gerichtet. Die Beschwerdeführerin war dem Wasserstrahl auch nicht unausweichlich ausgesetzt. Sie hatte es vielmehr in der Hand, sich dem Wasserwerfereinsatz zu entziehen. Eine bloße Objektstellung, die der Menschenwürde widerspräche, ist ihr damit nicht zugemutet worden.

    Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Papier, Grimm, Hömig

 

Fundstellen

Haufe-Index 1276251

NJW 1999, 1325

NVwZ 1999, 290

ZBR 1999, 127

BayVBl. 1999, 303

NPA 1999

FA-BGS 2000, 11

LL 1999, 382

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