Leitsatz (amtlich)

1. "Bisheriger Beruf" iS von RVO § 1246 Abs 2 S 2 ist die letzte vor Eintritt des Versicherungsfalles ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit jedenfalls dann, wenn sie zugleich die qualitativ höchste gewesen ist.

2. Das gilt auch bei nur kurzfristiger Ausübung dieser Beschäftigung oder Tätigkeit und sofern die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten nicht während des an sich vorgesehenen ("herkömmlichen") Berufsweges erworben worden sind (Anschluß an und Fortführung von BSG 1965-06-01 5 RKn 38/64 = SozR Nr 20 zu § 45 RKG und BSG 1977-07-28 5 RKn 22/76).

 

Normenkette

RVO § 1246 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1957-02-23

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 16.02.1978; Aktenzeichen L 10 J 535/77)

SG Oldenburg (Entscheidung vom 24.06.1977; Aktenzeichen S 8 J 271/75)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 16. Februar 1978 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Umstritten ist, ob dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder wegen Berufsunfähigkeit zusteht.

Der 1941 geborene Kläger erlernte in Jugoslawien den Maurerberuf und bestand dort 1959 eine Prüfung. Er arbeitete dann in Jugoslawien; 1969/1970 sowie von Oktober 1972 bis August 1973 war er in der Bundesrepublik Deutschland - eigenen Angaben zufolge als Maurer, nach Ansicht der Beklagten als Bauarbeiter - versicherungspflichtig beschäftigt (27 Beitragsmonate). Im Juli 1974 beantragte der Kläger Rente wegen der Folgen im August 1973 erlittener schwerer Stichverletzungen. Er hat unter Mitberücksichtigung jugoslawischer Versicherungszeiten die Wartezeit von 60 Kalendermonaten erfüllt. Sein Leistungsvermögen ist auf (vollschichtig) körperlich leichte Arbeiten mit kurzfristigem Gehen und Stehen ohne Heben und Tragen beschränkt; die Hände kann er im wesentlichen wieder voll gebrauchen.

Die Beklagte lehnte die Gewährung von Versichertenrente mit Bescheid vom 9./11. April 1975 ab. Das Sozialgericht Oldenburg (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 24. Juni 1977), das Landessozialgericht Niedersachsen (LSG) die Berufung zurückgewiesen und im Urteil vom 16. Februar 1978 ausgeführt:

Der Kläger habe unter Berücksichtigung seines Leistungsvermögens noch Zugang zum Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland; die Verhältnisse in Jugoslawien seien nicht maßgebend. Bei Vollzeitarbeitskräften könne davon ausgegangen werden, daß es zugängliche Arbeitsplätze in nennenswerter Zahl gebe. Atypische Behinderungen bestünden nicht; der Kläger könne unter betriebsüblichen Bedingungen zB die Eingangskontrolle oder Montage leichter Teile ausführen. Mangels eines in Deutschland erworbenen Berufsschutzes (§ 1246 Abs 2 Satz 2 Reichsversicherungsordnung - RVO -) sei er auf derartige einfache Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes verweisbar. Der Berufsweg in Jugoslawien habe außer Betracht zu bleiben. Dies ergebe sich mittelbar aus Art 25 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 - deutsch-jugoslawisches Sozialversicherungsabkommen - (BGBl II 1969, 1438). Die jugoslawischen Beitragszeiten seien nur für die Erfüllung der Wartezeit von Bedeutung. Die versicherungspflichtige Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland von 27 Monaten reiche zur Begründung eines Berufsschutzes nicht aus. Deshalb könne offenbleiben, ob der Kläger während dieser Zeit als Maurerfacharbeiter eingesetzt und entlohnt worden sei.

Der Kläger rügt mit der vom Senat zugelassenen Revision eine Verletzung des § 1246 Abs 2 RVO. Er meint, der berufliche Werdegang sei zur Beurteilung der Berufs- bzw Erwerbsunfähigkeit als einheitlicher Lebensvorgang anzusehen.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 16. Februar 1978 und des Sozialgerichts Oldenburg vom 24. Juni 1977 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. September 1974 an Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Berufsausbildung in Jugoslawien sei mit derjenigen in der Bundesrepublik nicht vergleichbar. Dort sei die berufliche Ausbildung weit mehr schulmäßig geregelt als hier. Das vorgelegte Zeugnis könne nur mit dem Abschlußzeugnis einer Berufsschule, nicht aber mit einem Gesellenbrief verglichen werden. Die Wirkung der im Herkunftsland erworbenen praktischen beruflichen Fähigkeiten werde hier dadurch honoriert, daß der Gastarbeiter einen höheren Lohn erhalte und damit die Anwartschaft auf höhere Rente erwerbe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des Klägers ist insoweit begründet, als das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zurückverwiesen werden muß. Die Feststellungen des LSG reichen nicht aus, um abschließend entscheiden zu können, ob der Kläger berufsunfähig ist.

Das Berufungsgericht hat den Kläger "mangels eines in der Bundesrepublik Deutschland erworbenen sogenannten Berufsschutzes" in der Annahme, hierzu genüge eine versicherungspflichtige Beschäftigung von nur 27 Monaten nicht, auf einfache Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes verwiesen. Es hat aus dieser Sicht offengelassen, ob der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland als Maurerfacharbeiter eingesetzt und entlohnt worden ist. Indessen kommt es darauf gerade an; denn die Rechtsansicht des LSG, eine im Geltungsbereich der RVO ohne hiesigen Lehrabschluß ausgeübte versicherungspflichtige Facharbeitertätigkeit von 27 Kalendermonaten könne keinen Berufsschutz begründen, geht von unzutreffenden Voraussetzungen aus.

Andererseits ist die Frage, ob die in Jugoslawien zurückgelegten Versicherungszeiten in die Ermittlung und Bewertung des bisherigen Berufs nach § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO einbezogen werden müssen, im vorliegenden Fall nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Deshalb kann auch offen bleiben, ob das Urteil des 5. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29. November 1978 - 5 RKn 4/77 - = SozR 2600 § 45 Nr 24 Gedanken enthält, die sich auf Anwendungsfälle außerhalb der Knappschaft und außerhalb der EWG übertragen lassen (jener Sachverhalt betraf zunächst den - innerstaatlichen - Grundsatz, daß sich die Frage der Berufsunfähigkeit nicht nach einer Tätigkeit beurteilen kann, die vor Erfüllung der Wartezeit bereits aufgegeben war; es hieß dort, wenn bei der Prüfung der Voraussetzungen für eine Bergmannsrente nach § 45 Abs 1 Nr 1 Reichsknappschaftsgesetz - RKG - außer der im deutschen Bergbau zurückgelegten Versicherungszeit gemäß Art 45 Abs 1 und 2 der EWG-VO 1408/71 vom 14. Juni 1971 auch eine danach in einem anderen EWG-Staat im Bergbau zurückgelegte Versicherungszeit für die Erfüllung der Wartezeit mit einzubeziehen sei, dann müsse auch die während dieser Versicherungszeit ausgeübte bergmännische Tätigkeit bei der Prüfung der verminderten bergmännischen Berufsfähigkeit im Sinne von § 45 Abs 2 RKG mit berücksichtigt werden).

Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des LSG kann der Kläger aufgrund seines eingeschränkten Leistungsvermögens als Maurer/Bauarbeiter nicht mehr eingesetzt werden. Ob er berufsunfähig ist, hängt daher davon ab, welche seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechenden "Tätigkeiten ... ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können" (§ 1246 Abs 2 Satz 2 RVO). Diese sogenannten Verweisungstätigkeiten stehen demzufolge in einer Wechselwirkung zum "bisherigen Beruf" (Hauptberuf). Er ist Ausgangspunkt dafür, welche Verweisungstätigkeiten als zumutbar in Betracht kommen. Deshalb muß er zunächst ermittelt und - da die Verweisbarkeit von seiner Qualität abhängt - nach den vorgenannten Kriterien des § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO bewertet werden. Das hierzu von der Rechtsprechung des BSG entwickelte, nicht starr anzuwendende Dreistufenschema unterteilt die Arbeiterberufe in eine obere Gruppe (Leitberuf: Facharbeiter), eine mittlere Gruppe (Leitberuf: sonstiger Ausbildungsberuf) und die untere Gruppe der ungelernten Arbeiter (zB BSGE 38, 153; 41, 129, 131); dabei darf grundsätzlich auf die nächstniedrigere Gruppe und unter bestimmten Voraussetzungen auf die untere Gruppe verwiesen werden (ua SozR Nr 103 zu § 1246 RVO; SozR 2200 § 1246 Nrn 17, 21).

Als bisheriger Beruf ist in der Regel die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit anzusehen. Das gilt dann nicht, wenn der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit hat aufgeben müssen; eine solche "Lösung vom bisherigen Beruf" ist rentenrechtlich unbeachtlich mit der Folge, daß der vor seiner gesundheitsbedingten Aufgabe ausgeübte Beruf maßgebend bleibt (ua SozR 2200 § 1246 Nr 41 und die dort S 124 zitierte Rechtsprechung; wegen hier nicht zu erörternder Ausnahmefälle vgl SozR 2600 § 45 Nr 22 und SozR Nr 94 zu § 1246 RVO). Dabei braucht hier nicht auf die Besonderheiten eingegangen zu werden, wenn bei mehrmaligem Berufswechsel einzelne Tätigkeiten nur vorübergehender Natur waren und sich als Durchgangsstationen darstellten (zB SozR Nr 19 zu § 35 RKG aF; BSGE 19, 217). Ist die zuletzt verrichtete Tätigkeit zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen, bildete sie also den Höhepunkt eines beruflichen Aufstiegs, so hat die Rechtsprechung eine auch nur kurzfristige Ausübung dieser Tätigkeit genügen lassen, um dennoch von ihr als dem bisherigen Beruf auszugehen (SozR Nr 15 A 6 R und Nr 20 zu § 45 RKG; früher bereits in diese Richtung weisend: BSGE 2, 182, 185 sowie 19, 57, 59). Besonders deutlich ist dieser Grundsatz im Urteil des 5. Senats vom 28. Juli 1977 - 5 RKn 22/76 - (= SozSich 1977, 346) zum Ausdruck gebracht worden, wo die nach Ablegung der Hauerprüfung 22 Tage ausgeübte und dann aus gesundheitlichen Gründen aufgegebene Hauertätigkeit als "Hauptberuf" zugrunde gelegt wurde.

Die vorgenannten Entscheidungen betreffen freilich Fälle, in denen der vorgesehene Ausbildungsgang durchlaufen und die entsprechende fachlich qualifizierte Berufstätigkeit hernach ausgeübt worden war. Fehlt es an der für den Facharbeiterberuf vorgesehenen Ausbildung und abschließenden Prüfung, so hat zwar auch die frühere Rechtsprechung den "Angelernten" dem "Gelernten" gleichgestellt, wenn er die Facharbeitertätigkeit vollwertig ausübte; dies ist aber zunächst nur bei langjähriger Ausübung der Tätigkeit angenommen worden (vgl SozR Nr 5 zu § 46 RKG; ferner etwa Nrn 102 und 106 zu § 1246 RVO). Später hat sich eine Wandlung in der Betrachtungsweise durchgesetzt. Erstmals ist - soweit ersichtlich - im Urteil des 5. Senats vom 25. März 1965 - 5 RKn 77/64 - (= SozR Nr 22, S Aa 12 R, 12 zu § 45 RKG) gesagt, der Ausbildung komme keine selbständige Bedeutung zu, sie sei eben der Weg, der zu Kenntnissen und Fähigkeiten führe. Dieser Gedanke ist in SozR Nr 103 S Aa 99 zu § 1246 RVO und SozR 2200 § 1246 Nr 4 (S 7) beibehalten und in Nr 11 aaO S 26 (= BSGE 41, 129, 132) fortgeführt worden mit dem Hinweis, daß ein Arbeiter, der einen "der oberen ... Gruppe des Schemas einzufügenden Beruf nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübt hat, der entsprechenden Gruppe zuzuordnen ist, auch wenn er die für diesen Beruf vorgesehene Ausbildung nicht durchlaufen hat" (ähnlich ua BSGE 43, 243, 244 = SozR 2200 § 1246 Nr 16; SozR aaO Nrn 21, 29). Nun ist zwar damit allein die "langjährige" Tätigkeit als eine Art Voraussetzung für die Gleichstellung mit einem Facharbeiter, der die vorgesehene Ausbildung absolviert hat, noch nicht ausdrücklich fallengelassen worden. Immerhin zeigen aber vom BSG bereits getroffene Entscheidungen, daß über kürzere Zeitspannen ausgeübte Tätigkeiten zum Erwerb eines "geschützten Berufsstatus" genügt haben: so im Falle eines Waldfacharbeiters, der die Regelausbildung nicht durchlaufen hatte, eine etwa zweijährige "vollwertige" Arbeitsleistung nach Ablegung der Prüfung (BSGE 41, 129, 130), und bei einem Rohrleger (und Kolonnenführer) ohne Lehre und Prüfung ein Einsatz als "vollwertiger Rohrleger" von etwa drei Jahren, wobei hier sogar im Hinblick auf den gleichzeitigen Einsatz als Kolonnenführer an eine Einstufung in die neue, über der Facharbeitergruppe zu bildende Gruppe der "Vorarbeiter mit Leitungsfunktion" gedacht wurde (BSGE 43, 243, 244, 246). Ersichtlich ist mit "nicht nur vorübergehend" keine Einschränkung in zeitlicher Hinsicht für die Fälle zum Ausdruck gebracht worden, in denen die letzte und zugleich qualifizierteste Tätigkeit des Berufslebens aus gesundheitlichen Gründen hat aufgegeben werden müssen. Allem Anschein nach war in diesem Zusammenhang daran gedacht, daß der Versicherte sich einer nicht am Ende seines Berufslebens verrichteten Tätigkeit "mindestens auf eine gewisse Dauer zugewandt" haben müsse, damit diese überhaupt als bisheriger Beruf in Betracht kommen konnte (vgl zB BSGE 19, 217, 219 mit weiterer Rechtsprechung und Literatur).

Der Senat ist im Anschluß an die vorgenannte Rechtsprechung der Auffassung, daß auch eine ohne die an sich vorgesehene Ausbildung und entsprechende Abschlußprüfung zwar vollwertig, aber nur kurzfristig ausgeübte Facharbeitertätigkeit als bisheriger Beruf in Betracht kommen kann, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr hat fortgesetzt werden können. Dies ist einmal die Konsequenz des zugrundeliegenden Gedankens, nicht den Weg zum Beruf, sondern die Qualität des tatsächlich ausgeübten Berufs maßgebend sein zu lassen; es stellt zum anderen die beiden Gruppen von Versicherten - mit "herkömmlicher" Ausbildung und ohne diese - stets und in dem Zeitabschnitt gleich, in dem sie vergleichbar sind, nämlich wenn sie beide eine qualifizierte Tätigkeit "vollwertig" ausüben. Auch ist es vom Versicherungsrisiko her folgerichtig, die Breite der in Frage kommenden Verweisungsmöglichkeiten bei einem Versicherten, der ohne eigentliche Ausbildung einen qualifizierten Beruf erreicht und ausgeübt hat, nicht von der Dauer dieses Berufs abhängig zu machen; denn das Ende dieser Berufsausübung beruht in derartigen Fällen gerade auf Umständen, für die jedenfalls grundsätzlich der Rentenversicherungsträger einzustehen hat. Überdies wäre es ebenso willkürlich, eine feste Zeitspanne der Berufsausübung anzusetzen, wie untunlich, insoweit auf besondere Umstände des Einzelfalles abheben zu wollen.

Im Interesse einer klaren und sachgerechten Abgrenzung ist es aber andererseits geboten, eingehend zu prüfen, ob die abweichend vom "normalen" Ausbildungsweg erlangte berufliche Position tatsächlich in voller Breite derjenigen des vergleichbaren Versicherten bzw Facharbeiters entspricht, der die üblichen Stadien der Ausbildung durchlaufen hat. Neben der gleichen tariflichen Einstufung und Entlohnung ist zu verlangen, daß der Versicherte nicht nur eine seinem individuellen Arbeitsplatz entsprechende Leistung erbringt, sondern auch über die theoretischen Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten verfügt, welche in seiner Berufsgruppe gemeinhin erwartet werden (vgl BSGE 41, 129, 133). In diesem Sinne muß eine "Wettbewerbsfähigkeit" im Verhältnis zu anderen Versicherten der gleichen Berufsgruppe bestehen. Die hierzu erforderlichen Feststellungen werden nur selten allein durch eine - wenngleich detaillierte - Auskunft des Arbeitgebers getroffen werden können. Oft wird sich die Anhörung des aufsichtführenden Meisters oder Ingenieurs anbieten. In bestimmten Fällen - etwa falls die angeblich qualifizierte Tätigkeit nur kurzfristig oder unter häufigem Wechsel des Arbeitgebers verrichtet wurde - dürfte die Hinzuziehung eines berufskundigen Sachverständigen erforderlich sein, um ein hinreichend umfassendes Bild über den Wissens- und Könnensstand des Versicherten zu gewinnen.

Mit den aufgezeigten Grundsätzen sind nicht nur "vollwertige" Facharbeiter ohne die vorgesehene Ausbildung denjenigen gleichgestellt, welche die entsprechende Lehr- und Ausbildungszeit absolviert haben, sondern auch ausländische Arbeitskräfte. Entscheidend ist auch für diese die tatsächliche Qualifikation, die in aller Regel nicht schon bei der Vermittlung in die Bundesrepublik Deutschland, sondern erst am Arbeitsplatz festgestellt werden kann (vgl Eichner, Holjewilken in BArbBl 1970, 240, 242). Der Qualifikationsnachweis aus dem Heimatland kann dabei auch in Verbindung mit der tariflichen Einstufung als Facharbeiter noch nicht genügen, um vom "Facharbeiterstatus" als bisherigem Beruf ausgehen zu können; vielmehr müssen die oben wiedergegebenen Voraussetzungen zusätzlich erfüllt sein, zumal eine andere Handhabung deutsche Versicherte benachteiligen würde.

Hiernach sind noch umfangreiche Ermittlungen erforderlich, die nur vom Tatsachengericht angestellt werden können. Das LSG wird untersuchen müssen, ob der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland als Maurerfacharbeiter oder Bauarbeiter beschäftigt war. Ist er danach in die Gruppe der Facharbeiter einzustufen, muß dann unter diesem Gesichtspunkt erneut die Verweisbarkeit geprüft werden (vgl hierzu Urteile des 5. Senats vom 28. November 1978 und vom 15. Februar 1979 = SozR 2200 § 1246 Nrn 36 und 38; Urteil des erkennenden Senats vom 28. Juni 1979 - 4 RJ 70/78 -). Ergibt sich, daß der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland nur als Bauarbeiter eingesetzt war, entfällt der Berufsschutz nach § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO; Berufsunfähigkeit liegt dann nicht vor, weil sich der Kläger jedenfalls aus seiner Sicht vom in der Heimat ausgeübten Maurerberuf gelöst hätte. Im Ergebnis nicht anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn die in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübte Beschäftigung nur einem "Anlernberuf" gleichkäme (über die Lösung vom bisherigen Facharbeiterberuf trotz Verbleibs in derselben Berufssparte vgl SozR 2200 § 1246 Nr 34 S 104 und Urteil des Senats vom heutigen Tage - 4 RJ 93/78).

Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließend Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1655217

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