Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtspfleger in der SBZ. Versicherungspflicht und Anwartschaft. Rückforderungsanspruch nach Gesetzesänderung

 

Orientierungssatz

1. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, daß auch bei einem anerkannten Flüchtling (§ 90 Abs 1 BVFG) eine in der SBZ ausgeübte, dort versicherungspflichtige Beschäftigung nur dann als versicherungspflichtig (§ 85 AVAVG nF, § 95 AVAVG aF) gilt und zum Erwerb der Anwartschaft auf Alu geeignet ist, wenn sie im Geltungsbereich des AVAVG versicherungspflichtig gewesen wäre.

Die Gleichstellung der Vertriebenen und SBZ-Flüchtlinge in der SozVers und ArblV (§ 90 Abs 1 BVFG) mit den Berechtigten im Geltungsbereich des GG und in Berlin (West) bewirkt nicht, daß eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst der SBZ, die dort der Sozialversicherungspflicht unterlegen hat, als eine Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes des Bundesgebietes anzusehen ist (vgl BSG 1961-05-26 7 RAr 32/ 59 = SozEntsch BSG 8/1 § 95 Nr 4).

2. Die Vorschrift des AVAVG § 185 Abs 2 in der Fassung vom 1957-04-13 ergreift auch alle an dem Tage ihres Inkrafttretens (1957-04-01) anhängigen Rückforderungsfälle (vgl BSG 1959-12-10 7 RAr 6/58 = Breith 1960, 546).

 

Normenkette

BVFG § 90; AVAVG § 95; G131 § 4 Abs. 2 Fassung: 1953-09-01; AVAVG § 185 Abs. 2 Fassung: 1957-04-13

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 20.05.1959)

SG Augsburg (Entscheidung vom 18.12.1956)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 20. Mai 1959 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I. Der 1915 geborene Kläger diente von 1933 bis Mai 1945 als Berufssoldat in der deutschen Wehrmacht. Im Dezember 1945 begann er in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) die Ausbildung als Rechtspfleger, dieser im Dezember 1947 mit der Ablegung der Rechtspflegerprüfung beendete. Danach wurde er unter Ernennung zum Justizinspektor beim Amtsgericht Schwerin ab 1. Januar 1948 beschäftigt. Vom November 1952 bis Juli 1954 war er Rechtspfleger bei der Stadtverwaltung (Grundbuchamt) in Schwerin. Am 17. Juli 1954 flüchtete der Kläger mit seiner Familie in die Bundesrepublik und nahm seinen Wohnsitz in Memmingen. Auf seine Arbeitslosenmeldung hin bewilligte ihm das Arbeitsamt auf Grund der angegebenen ostzonalen Beschäftigungen 19. August 1954 an Arbeitslosenunterstützung (Alu) für 312 Tage.

Der Kläger, der im Notaufnahmeverfahren die Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik erhalten hatte, wurde im Juli 1955 durch das Flüchtlingsamt des Landratsamtes Memmingen als Sowjetzonenflüchtling in Sinne des § 3 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) anerkannt und erhielt den Flüchtlingsausweis C. Durch Entschließung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 19. August 1955 wurde er nach § 4 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 11. Mai 1951 - G 131 - (BGBl I, 307) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. September 1953 (BGBl I, 1297) den Anspruchsberechtigten nach Kapitel I dieses Gesetzes gleichgestellt. Rückwirkend vom 1. September 1954 an wurde dem Kläger ein Übergangsgehalt nach dem G 131 gewährt, berechnet nach seiner Dienstzeit als Berufssoldat. Seit November 1955 ist der Kläger im öffentlichen Dienst der Bundesrepublik beschäftigt.

Als die Beklagte durch Mitteilung der Finanzmittelstelle München des Landes Bayern vom 16. Januar 1956 von der rückwirkenden Bewilligung der Versorgungsbezüge erfahren hatte, entzog sie dem Kläger mit Bescheid vom 1. März 1956 die vom 19. August 1954 bis zum 17. August 1955 gewährte Alu, stellte eine Überzahlung von insgesamt 2.727,05 DM fest und forderte diesen Betrag von ihm zurück. Der Widerspruch hiergegen blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 1956). Die Klage wurde durch das Sozialgericht (SG) Augsburg (Urteil vom 18. Dezember 1956) abgewiesen.

II. Auf die Berufung des Klägers hin hob das Bayerische Landessozialgericht - LSG - (Urteil vom 20. Mai 1959) das sozialgerichtliche Urteil und den Bescheid des Arbeitsamtes Memmingen vom 1. März 1956 auf. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf die bewilligte Alu für 312 Tage zu. Er habe bei. seiner Arbeitslosmeldung alle Voraussetzungen für den Alu-Bezug erfüllte.

Seine Beschäftigung in der SBZ sei nach § 90 Abs. 1 BVFG als in der Bundesrepublik ausgeübt zu bewerten. Daß sein Beschäftigungsverhältnis versicherungspflichtig im Sinne des § 69 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) aF gewesen sei, und daß der Kläger hieraus eine Anwartschaft erworben habe, sei zu bejahen, denn es bleibe unerheblich, ob und in welcher Weise seine Tätigkeit in der SBZ der Sozialversicherungspflicht unterlegen habe. Allein entscheidend sei, ob diese Beschäftigung, wäre sie in gleicher Weise im Bundesgebiet ausgeübt worden, nach den bundesrechtlichen Vorschriften versicherungspflichtig gewesen wäre. Hieran ändere auch die Gleichstellung nach dem G 131 nichts; diese beziehe sich nur auf Ansprüche aus der Sozialversicherung und Arbeitslosenversicherung, nicht auf solche beamtenrechtlicher Natur. Insoweit blieben, wie die Berechnung des Übergangsgeldes des Klägers zeige, die in der SBZ verbrachte Zeit und die dortige Tätigkeit außer Betracht. Da der Kläger in der Zeit von 1945 bis 1954 nicht Beamter gewesen sei, habe er damals keine Ansprüche auf beamtenrechtliche Versorgung nach dem G 131 gehabt. Hierfür sei die Gleichstellung durch förmliche Entscheidung nötig. Diese bewirke aber keine Beeinträchtigung des versicherungsrechtlichen Anspruchs für die Vergangenheit; ihr sei allenfalls eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Aufenthaltsnahme in der Bundesrepublik beizumessen. Der Anspruch des Klägers beruhe jedoch auf der vor diesem Zeitpunkt ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung in der SBZ. Infolgedessen habe er die bewilligte Alu zu Recht bezogen. Entziehung und Rückforderung durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten seien daher unzulässig gewesen.

Revision wurde zugelassen.

III. Gegen das ihr am 24. Juli 1959 zugestellte Urteil legte die Beklagte am 11. August 1959 Revision ein, die sie am 5. September 1959 begründete. Sie ist der Auffassung, daß die Entziehung der Alu aus § 177 AVAVG aF gerechtfertigt sei. Der Kläger habe zwar zunächst auf Grund seiner Tätigkeit in der SBZ im Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung eine Anwartschaft auf Alu besessen, diese sei jedoch durch die rückwirkende Gleichstellung mit den Berechtigten nach dem G 131 entfallen, weil damit seine Beschäftigungen im öffentlichen Dienst der SBZ für die Zeit ab 1. April 1951 (Inkrafttreten des G 131) versicherungsfrei geworden seien. Durch die Gleichstellung sei die Versorgung des Klägers gewährleistet worden (§ 169 Abs. 1 und 2 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). § 169 Abs. 3 RVO stehe der rückwirkend eingetretenen Versicherungsfreiheit nicht entgegen, da sich letztere Vorschrift nur auf Entscheidungen über die Gewährleistung in Form eines Verwaltungsakts bezöge, nicht aber auf die Gewährleistung durch Gesetz. Die Gleichstellungsverfügung nach § 4 Abs. 2 G 131 habe lediglich deklaratorische Bedeutung.

Die Rückforderung der zu Unrecht gezahlten Alu sei ebenfalls gerechtfertigt, da ihre Bewilligung nicht auf einem Rechtsirrtum beruhe und die Erstattung im Hinblick auf die Nachzahlung der Versorgungsbezüge für den Kläger keine Härte bedeute.

Die Beklagte beantragte,

das angefochtene Urteil aufzuheben sowie die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18. Dezember 1956 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragte,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils für zutreffend und macht überdies geltend, daß die Alu seinerzeit von der Beklagten rechtsirrtümlich bewilligt wurde und daher Entziehung und Rückforderung unzulässig seien. Der Kläger habe in der SBZ eine Tätigkeit ausgeübt, die im Bundesgebiet, erwiesenermaßen auch in Bayern, nur von Beamten wahrgenommen werde. Beamte seien gemäß § 95 AVAVG aF und § 169 RVO versicherungsfrei. Der Kläger habe diese Umstände bei Arbeitslosmeldung und Antragstellung genau angegeben. Die Beklagte habe daher eine falsche Auslegung oder unrichtige Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen selbst zu vertreten.

IV. Die Revision ist statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie ist ferner zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet (§§ 164, 166 SGG) worden.

Die Revision ist auch begründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 1. März 1956 in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 1956 gefunden hat (§ 95 SGG). Soweit die Beklagte den Kläger die Alu entzogen hat, ist der angefochtene Verwaltungsakt rechtlich nicht zu beanstanden. Anspruch auf Alu hat - neben anderen hier nicht strittigen Voraussetzungen -, wer die Anwartschaft erfüllt hat (§ 87 Nr. 2 AVAVG aF). Die Anwartschaft ist erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten zwölf Monaten vor der Arbeitslosmeldung wenigstens 26 Wochen in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gestanden hat (§ 95 Abs. 1 AVAVG aF). Wie der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung (BSG 4, 102 ff.; 10, 103 ff.; BSG in SozR AVAVG § 85 Bl. Ba 6 Nr. 5; ferner BSG-Urteile vom 22. März 1961 - 7 RAr 5/59 - und vom 26. Mai 1961 - 7 RAr 32/59 -) festgestellt hat, gilt auch die von einem anerkannten Sowjetzonenflüchtling oder einem Heimatvertriebenen in der SBZ ausgeübte Beschäftigung dann als versicherungspflichtig und damit als anwartschaftsbegründend, wenn sie in der Bundesrepublik versicherungspflichtig gewesen wäre. Nach § 90 BVFG sind nämlich Vertriebene und Flüchtlinge in der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung den Berechtigten im Geltungsbereich des Grundgesetzes und in Berlin (West) gleichgestellt. Diese Gleichstellung, deren unmittelbare Geltung der Senat in ständiger Rechtsprechung bejaht hat (BSG aaO), bedeutet, daß jene rechtlich so zu behandeln sind, als wenn sie ihre Berufstätigkeit nicht im Bereich der SBZ, sondern im Bundesgebiet verrichtet hätten. § 90 BVFG eröffnet jedoch für den erfaßten Personenkreis keinen Anspruch auf Besserstellung; er bietet deshalb keine Rechtsgrundlage dafür, Ansprüche in der Arbeitslosenversicherung allein wegen der Gestaltung der Versicherungspflicht in der SBZ zuzuerkennen, wenn sich diese mit den für die Bundesrepublik geltenden Normen nicht deckt. Entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung kommt es daher im Falle des Klägers für die Beurteilung der Versicherungspflicht wie der Anwartschaft letztlich nicht auf die arbeits- und sozialrechtlichen, gesellschafts- oder staatspolitischen Umstände seiner Tätigkeit in der SBZ an, sondern darauf, welche gesetzliche Regelung für diese Beschäftigung im Geltungsbereich des Grundgesetzes zutrifft. Nach den in der Bundesrepublik in öffentlichen Dienst geltenden Vorschriften werden regelmäßig die Aufgaben des Rechtspflegers bei Gerichten nur von Beamten wahrgenommen. Beamte sind im Bundesgebiet für den Fall der Arbeitslosigkeit nach § 69 AVAVG aF nicht versichert; sie sind in der Sozialversicherung nach § 169 RVO versicherungsfrei, wenn die entsprechende Versorgung gewährleistet ist. Seiner fachlichen Tätigkeit in der SBZ zufolge unterliegt hier der Kläger mithin nicht der Versicherungspflicht von entscheidender Bedeutung ist überdies aber, daß der Kläger durch die Entschließung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 19. August 1955 auf Grund von § 4 Abs. 2 des G 131 den nach die sem Gesetz Berechtigten gleichgestellt wurde. Für diesen Personenkreis ist, wie der Senat in den oben angeführten Urteilen in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, die Einräumung von Rechtsansprüchen, damit auch die Gewährleistung von Anwartschaften im Sinne des § 169 RVO (beamtenrechtliche Versorgung) durch den Gesetzgeber allgemein mit Inkrafttreten des G 131 erfolgt. Demzufolge ist seit dem 1. April 1951 im Bundesgebiet seine Beschäftigung im öffentlichen Dienst versicherungsfrei, gleichgültig, ob als Beamter, Angestellter oder Arbeiter. Nur bei Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes bedurfte es eines Antrags für die Befreiung von der Versicherungspflicht (§ 73 Abs. 1 G 131). Der Gleichstellungsbescheid selbst hat, wie der Senat bereits in den vorbezeichneten Entscheidungen ausgeführt hat, keine eigene rechtserzeugende Bedeutung; die konstitutiven Wirkungen des G 131 sind unmittelbar mit seinem Inkrafttreten erfolgt. Da sonach eine gleichartige Tätigkeit des Klägers im Justizdienst eines Landes der Bundesrepublik ohne besondere Antragstellung im Bundesgebiet vom 1. April 1951 an kraft Gesetzes versicherungsfrei war, konnte er die Anwartschaft für den Anspruch auf Alu mit den bis 1954 in der SBZ ausgeübten Beschäftigungen nicht erfüllen. Biese Tätigkeiten haben zwar ihren versicherungspflichtigen Charakter durch die Gleichstellung nach G 131 nicht verloren, sie sind aber in Geltungsbereich des Grundgesetzes, wie dargelegt, mangels Gleichheit nicht verwertbar. Die Flüchtlingsgleichstellung nach § 90 BVFG erfaßt nämlich, da diese Vorschrift nicht von "Versicherten", sondern ausdrücklich von "den Berechtigten "im Geltungsbereich des Grundgesetzes und in Berlin (West) spricht, entgegen der Auffassung des LSG nicht lediglich versicherungsrechtliche Tatsachen, sondern ebenso die beamtenrechtlichen Merkmale. Deshalb muß der Vergleich einer Beschäftigung in der SBZ mit der gleichartigen in der Bundesrepublik auch auf die beamtenrechtliche Versorgung abstellen. Andernfalls würden die Wesensmerkmale (Aufgabenbereich, Berufsstellung, Dienstobliegenheiten, beamtenrechtliche Stellung u.a.) einer echten Gleichstellung nach § 90 BVFG mißachtet, zudem aber auch die Vertriebenen und Flüchtlinge gegenüber jenem ständig in der Bundesrepublik ansässigen und unter G 131 fallenden Personenkreis besser gestellt, der hier im öffentlichen Dienst nach dem 1. April 1951 einen Alu-Anspruch nicht erlangt.

Weder die Vorschriften des AVAVG noch § 90 BVFG geben aber weiterhin rechtlich eine Möglichkeit, auszugleichen, daß bei der Berechnung des Übergangsgehaltes des Klägers gemäß G 131 möglicherweise zunächst ein Teil seiner in der SBZ abgeleisteten Dienstzeiten unberücksichtigt geblieben ist. Maßgebend für deren Anrechnung sind vielmehr allein die Regelungen nach dem G 131 selbst. Anwartschaft und Anspruch auf Alu werden dadurch nicht berührt.

Insgesamt ist es also sozialrechtlich nicht vertretbar, dem Kläger nebeneinander zweimal Leistungen aus öffentlichen Mitteln zuzuerkennen.

Nach alledem war die Beklagte befugt, die den Kläger gezahlte Alu nach § 177 Ahs. 1 Satz 1 AVAVG aF zu entziehen, weil die Voraussetzungen zum Bezuge nicht vorgelegen haben. Da das Urteil des LSG diese Rechtsfolge verneint hat, mußte es aufgehoben werden.

V. Der Senat konnte indessen nicht zugleich abschließend über die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG befinden, da es hinsichtlich der geltend gemachten Rückforderung an ausreichenden tatsächlichen Feststellungen der Vorderinstanzen fehlt. Bei der Entscheidung über den Rückforderungsanspruch ist nicht mehr von § 177 AVAVG aF als der ursprünglichen Rechtsgrundlage der Entziehung und Erstattung auszugehen, auf den sich auch der Kläger bezüglich eines Rechtsirrtums der bewilligenden Stelle stützen will. Rechtsgrundlage ist vielmehr jetzt § 185 Abs. 2 AVAVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. April 1957 (BGBl I, 322), der allgemein eine für den Unterstützungsempfänger günstigere Regelung enthält. Im Urteil vom 10. Dezember 1959 (SozR AVAVG § 195 Pl. EA 2 Nr. 2) hat der erkennende Senat entschieden, daß diese Vorschrift, obzwar erst seit 1. April 1957 in Kraft, auf Grund ihres zeitlichen Geltungswillens auch diejenigen Fälle erfaßt, die bei ihrem Inkrafttreten noch anhängig sind. An dieser Rechtsprechung hat der Senat stets festgehalten; er tut dies auch für den vorliegenden Fall. Um zu prüfen, ob die Beklagte das ihr bei der Rückforderung obliegende Ermessen in ausreichenden und zweckentsprechenden Umfang ausgeübt hat, sind nähere Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers (Gesundheitszustand, Familienverhältnisse, sonstige finanzielle Verpflichtungen u.a.) nachzuholen; maßgebend hierfür ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der Zeitpunkt des zuletzt erlassenen Verwaltungsakts (BSG 7, 8 ff.; BSG in SozR z. VerwVG § 47 Bl. Ca 10 Nr. 11).

VI. Die Sache muß deshalb an das LSG zurückverwiesen werden, das nunmehr erneut über die Berufung unter Beachtung der vom erkennenden Senat dargelegten Rechtsauffassung zu entscheiden hat (§ 170 Abs. 2 und 4 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten bleibt den abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2277294

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge