Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 24.09.1987)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 24. September 1987 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Feststellung einer Sperrzeit ein wichtiger Grund entgegensteht.

Der 1929 geborene Kläger war seit 1951 bei der T…-N…-… GmbH (TNSW) in E… als Schlosser tätig. Sein Arbeitsverhältnis, das wegen der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit unkündbar war, endete aufgrund Aufhebungsvertrages vom 26. März 1985 am 30. April 1985. Er erhielt auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung (Sozialplan) vom 26. Februar 1985 eine Abfindung in Höhe von rund 40.000,– DM. Am 30. April 1985 meldete er sich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Die Beklagte teilte dem Kläger durch Bescheid vom 9. Mai 1985 mit, daß sein Anspruch auf Alg für die Zeit vom 1. Mai bis 9. September 1985 wegen der gezahlten Abfindung ruhe (§ 117 Abs 2 und 3 Arbeitsförderungsgesetz -AFG-), und bewilligte ihm Alg erst ab 10. September 1985. Außerdem stellte sie den Eintritt einer Sperrzeit in der Zeit vom 1. Mai bis 23. Juli 1985 fest mit der Folge, daß sich sein Alg-Anspruch um 72 Tage mindere. Zur Begründung führte sie aus, dem Kläger habe für die Lösung seines Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag kein wichtiger Grund zur Seite gestanden. Die TNSW habe zwar einen erheblichen Personalabbau vorgenommen. Doch seien die Entlassungen nicht in kurzer Zeit erfolgt. Nur beide Umstände zusammen gäben nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) einen wichtigen Grund ab (Bescheid vom 13. Mai 1985; Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 1985). Während des Revisionsverfahrens hat sich die Beklagte nur noch auf den Eintritt einer Sperrzeit von 8 Wochen berufen (§ 242d Abs 2 AFG).

Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid vom 13. Mai 1985 unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 1987 geändert, festgestellt, daß eine Sperrzeit nicht eingetreten sei, und die Berufung zugelassen (Urteil vom 21. Februar 1986). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Bescheid vom 13. Mai 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 1985 aufgehoben werde (Urteil vom 24. September 1987).

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt: Ein wichtiger Grund, der den Eintritt einer Sperrzeit hindere, sei anzunehmen, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden könne. Das sei nach der Rechtsprechung des BSG in der Regel zu bejahen, wenn ein größerer Betrieb zu einem drastischen und kurzfristigen Personalabbau gezwungen sei, um seine weiteren Arbeitsplätze zu sichern, und wenn ferner abzusehen sei, daß der örtliche Arbeitsmarkt die von Arbeitslosigkeit bedrohten Betriebsangehörigen nicht auffangen könne. In einer solchen krisenhaften Situation, in der das freiwillige Ausscheiden älterer Arbeitnehmer allgemein in dem Betrieb und in der Region, in welcher der Betrieb ansässig sei, als eine vernünftige, soziale Härten vermeidende Teillösung des unumgänglichen Personalabbaues angesehen werde und es zum psychischen Druck auf ältere Arbeitnehmer komme, zugunsten des Betriebes und jüngerer Areitnehmer gegen eine Abfindung freiwillig auszuscheiden, sei es dem zum Ausscheiden bereiten Arbeitnehmer nicht zuzumuten, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.

Im vorliegenden Fall seien die genannten Voraussetzungen verwirklicht. Die TNSW habe ihre Belegschaft in den Jahren 1984 und 1985 von 3.569 auf 2.306 Arbeitnehmer, mithin um rund ein Drittel (1263), reduzieren müssen. Darin sei ein drastischer Personalabbau zu erblicken, dessen Notwendigkeit durch die Betriebsvereinbarung vom 26. Februar 1985 und die Vernehmung sowohl des Personalleiters wie des Betriebsratsvorsitzenden als Zeugen nachgewiesen sei. Die Abschmelzung der Belegschaft sei, wie vom BSG gefordert, auch innerhalb kurzer Zeit erfolgt. Das Moment der Kurzfristigkeit des Personalabbaus umfasse keinen nach Wochen oder Monaten bestimmten Entlassungsvorgang, sondern stelle im Rahmen der Gesamtabwägung der Interessen nur eines von mehreren Kriterien dar. Hier sprächen schon die durch die Betriebsvereinbarung vom 26. Februar 1985 festgesetzten und für den Kläger vorgegebenen Einzelheiten (Freisetzung von 594 Arbeitnehmern bis 30. September 1985) für die Annahme von Kurzfristigkeit des Personalabbaus. Auch wenn die betroffenen Betriebsangehörigen in zeitlich versetzten Schritten ausgeschieden seien, habe sich alles planmäßig und in überschaubaren Fristen vollzogen. Der umfangreiche und kurzfristig durchgeführte Personalabbau habe ferner nicht durch den örtlichen Arbeitsmarkt aufgefangen werden können.

Soweit die Beklagte darauf verweise, daß für die – im Fall des Nichtausscheidens älterer Kollegen – betroffenen jüngeren Arbeitnehmer im Bundesgebiet anderweitig Arbeitsplätze zur Verfügung gestanden hätten, sei dies weder bewiesen noch nach der Rechtsprechung des BSG ausschlaggebend; die Zumutbarkeit einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für ältere Arbeitnehmer bei einer Wirtschaftskrise ihres Betriebes könne nur aus der für sie überschaubaren Sicht des örtlichen Arbeitsmarktes beurteilt werden. Weiter stehe aufgrund der Zeugenvernehmung fest, daß der Kläger durch sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Betrieb einem anderen Mitarbeiter die Entlassung und damit die Arbeitslosigkeit erspart habe. Schon die Kenntnis hiervon reiche nach der Rechtsprechung des BSG für die Annahme von Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aus. Schließlich sei für den gewerkschaftlich organisierten Kläger der psychische Zwang zur Solidarität mit den jüngeren Arbeitnehmern wesentlich gewesen. Auch wenn Arbeitgeber, Betriebsrat und Kollegen keinen unmittelbaren Druck auf ihn ausgeübt hätten, so sei doch durch das Auftreten von Ehefrauen und Kindern der jüngeren Arbeitnehmer auf Betriebsversammlungen mit der Bitte, die Entlassung dieser gefährdeten Mitarbeiter abzuwenden, genügend Einfluß auf die älteren Arbeitnehmer genommen worden. Aus diesem Grunde könne das Verhalten des Klägers nur als Ausdruck der Unterstützung einer im Konzept vernünftigen und soziale Härten weitgehend vermeidenden Teillösung des unumgänglichen und umfangreichen Personalabbaus bezeichnet werden.

Die Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung des § 119 Abs 1 Satz 1 AFG. Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor: Das Urteil des LSG stehe zu den Urteilen des erkennenden Senats vom 17. Februar 1981 – 7 RAr 90/79 – (SozR 4100 § 119 Nr 14), vom 13. August 1986 – 7 RAr 16/85 – und – 7 RAr 1/86 – (SozR 4100 § 119 Nr 28), vom 13. Mai 1987 – 7 RAr 38/86 – und vom 15. Juni 1988 – 7 RAr 3/87 – in Widerspruch. Sie weist ferner auf das Urteil vom 29. November 1989 – 7 RAr 86/88 – hin. Nach dieser Rechtsprechung setze ein wichtiger Grund das kumulative Vorliegen mehrer Umstände voraus. Er werde nur anerkannt, wenn bei einem größeren Betrieb der Zwang zu einem drastischen und kurzfristig durchzuführenden Personalabbau bestehe, um den Betrieb und damit auch Arbeitsplätze zu erhalten, und wenn abzusehen sei, daß die drohende Arbeitslosigkeit der freizusetzenden Arbeitnehmer durch den örtlichen Arbeitsmarkt nicht ohne weiteres aufgefangen werden könne. Zusätzlich müßten Anhaltspunkte dafür gegeben sein, daß der Arbeitnehmer durch sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Betrieb einem anderen Mitarbeiter die Entlassung und damit die Arbeitslosigkeit erspare (Urteil vom 15. Juni 1988 – 7 RAr 3/87 –).

Die vom erkennenden Senat in ständiger Rechtsprechung für notwendig erachtete Beurteilung, ob ein Zwang zu dratischem und kurzfristig durchzuführendem Personalabbau anzunehmen sei, zwinge zu einer Bezugnahme auf einen Zeitraum, der dem Zeitpunkt des Aufhebungsvertrages nahekomme. Nur so könne festgestellt werden, ob sich die drohende Arbeitslosigkeit der freizusetzenden Arbeitnehmer durch den örtlichen Arbeitsmarkt ohne weiteres auffangen lasse oder nicht. Davon gehe auch das BSG aus. So sei in der Entscheidung vom 17. Februar 1981 – 7 RAr 90/79 – (SozR 4100 § 119 Nr 14) ein Viertel der Gesamtbelegschaft binnen eines Vierteljahres zum Jahresende 1977 freigesetzt worden. In der Entscheidung vom 13. August 1986 – 7 RAr 16/85 – seien im letzten Quartal 1981 nur 8 Mitarbeiter entlassen worden (weshalb ein drastischer Personalabbau verneint worden sei). In der Entscheidung vom 13. Mai 1987 – 7 RAr 38/86 – sei ausgeführt, daß von einem wichtigen Grund dann keine Rede sein könne, wenn innerhalb eines Jahres 7 von 60 Arbeitnehmern (11,7 vH) entlassen würden. Im Urteil vom 15. Juni 1988 – 7 RAr 3/87 – sei eine Personalreduzierung von 11,07 vH innerhalb eines halben Jahres als nicht drastisch und kurzfristig bezeichnet worden. Demgegenüber habe das LSG im vorliegenden Fall nicht nur auf die aufgrund der Betriebsvereinbarung vom 26. Februar 1985 im Jahre 1985 vorgenommene Personalminderung abgestellt, sondern auf die, die in den Jahren 1984 und 1985 erfolgt sei. Darin sei eine Abweichung von den erwähnten Urteilen zu sehen. Zumindest hätte das LSG sich auf eine Untersuchung der Personalreduzierung im Jahre 1985 beschränken müssen, wozu es jedoch keine Feststellungen getroffen habe.

Selbst wenn man die Personalminderung in den Jahren 1984/85 für drastisch ansehe, habe sie nicht kurzfristig stattgefunden. Als kurzfristig sei ein Abbau allenfalls dann anzusehen, wenn er innerhalb eines halben Jahres vorgenommen werde. Kurzfristig bedeute nämlich plötzlich, überraschend, in kurzer Zeit stattfindend und dürfe selbst in Anbetracht des Umstandes, daß ein Personalabbau bei einem Großunternehmen nicht von heute auf morgen verwirklicht werden könne, längstens ein halbes Jahr umfassen.

Schließlich führe der Hinweis des LSG, daß vorliegend ein psychologischer Zwang gegeben gewesen sei, zu keinem anderen Ergebnis. Die vom BSG zur Ausfüllung des Begriffs des wichtigen Grundes aufgestellten Anforderungen müßten erfüllt sein und ließen sich nicht durch ergänzende Argumente ersetzen. Auf die Ansicht des LSG, wonach für die Annahme der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses allein die Kenntnis der Tatsache ausreiche, daß der Kläger einem weniger abgesicherten Kollegen die Entlassung und Arbeitslosigkeit erspart habe, komme es mithin nicht an. Insoweit werde auf das Urteil des Senats vom 13. Mai 1987 – 7 RAr 38/86 – verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des LSG und des SG insoweit aufzuheben, als der Eintritt einer Sperrzeit von acht Wochen verneint wurde, und insoweit die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält die vorinstanzlichen Urteile für zutreffend und erwidert: Ihm habe für die Auflösung seines Arbeitsverhältnisses bei der TNSW ein wichtiger Grund iS des § 119 Abs 1 Satz 1 AFG zur Seite gestanden. Eine Sperrzeit solle nach den Vorstellungen des Gesetzgebers allgemein nur dann eintreten, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden könne. In diesem Zusammenhang habe der erkennende Senat einen wichtigen Grund beispielhaft für den Fall anerkannt, daß bei einem größeren Betrieb der Zwang zu einem drastischen und kurzfristig durchzuführenden Personalabbau bestehe, um den Betrieb und damit die Arbeitsplätze zu erhalten.

Das LSG habe unter Beachtung der Rechtsprechung des BSG zutreffend festgestellt, daß in der betrieblichen Situation der TNSW überlagernde Sachzwänge – nämlich eine Belegschaftsabschmelzung von einem Drittel innerhalb von zwei Jahren – vorgelegen hätten, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Kläger unzumutbar gemacht hätten, und daß hierfür schon allein die im Februar 1985 durch Betriebsvereinbarung festgelegten und für den Kläger vorgegebenen Einzelheiten des Personalabbaus sprächen. Damit habe das LSG den vom BSG gesteckten zeitlichen Rahmen, in dem der erhebliche Personalabbau stattfinden müsse, eingehalten. In seiner Entscheidung vom 27. Mai 1964 – 7 RAr 30/63 – (BSGE 21, 98 = SozR Nr 2 zu § 80 AVAVG) sei das BSG davon ausgegangen, daß sich ein Personalabbau über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstrecken könne, ohne daß ein wichtiger Grund verneint werden müsse. In seiner Entscheidung vom 17. Februar 1981 – 7 RAr 90/79 – (SozR 4100 § 119 Nr 14) habe das BSG den zeitlichen Rahmen für den kurzfristigen Personalabbau nicht eingeengt. In beiden Einzelfällen sei daher der sperrzeithindernde wichtige Grund zur Arbeitsaufgabe bejaht worden. Auch die jüngsten Entscheidungen des BSG ließen nicht erkennen, daß das Erfordernis des kurzfristigen Personalabbaus als mathematische Größe zu verstehen sei. Zudem laufe eine derartige Schematisierung den Vorstellungen des Gesetzgebers zuwider.

Es gehe um Versicherungsleistungen, die der Freiheit der Arbeitsplatzwahl dienten und für die der einzelne Arbeitnehmer Beiträge geleistet habe. Insofern handele es sich bei § 119 AFG um einen Sanktionstatbestand, der eng auszulegen sei. Gleichzeitig müsse bei der Beurteilung der Frage, ob ein kurzfristig durchzuführender Personalabbau vorgenommen werde, ein Maßstab angelegt werden, der die wirtschaftlichen und betrieblichen Gegebenheiten einer Firma berücksichtige.

Eine Arbeitsplatzreduzierung von einem Drittel lasse sich in Großbetrieben wie der TNSW in der Regel nicht innerhalb eines Jahres bewerkstelligen. Dies erscheine realitätsfremd. Unabhängig davon liege eine solche Vorgehensweise nicht iS der Beklagten. Der regionale Arbeitsmarkt werde bei einem überhasteten Abbau von Arbeitsplätzen überschwemmt mit der Folge, daß er jedenfalls dann, wenn es – wie hier beim ostfriesischen Raum – um eine strukturschwache Region gehe, die freigesetzten Arbeitnehmer nicht während eines kurzen Zeitraumes auffangen könne. Überdies werde die Versichertengemeinschaft durch eine betriebliche Abschmelzung von 1.263 Arbeitsplätzen, die in einem strukturschwachen Gebiet binnen sechs Monaten vorgenommen werde, wahrscheinlich weitaus stärker belastet als durch eine solche, die sich in einer strukturarmen Region innerhalb von drei Jahren vollziehe. Im zweiten Fall könnten die arbeitslos gewordenen Arbeitnehmer schneller als im ersten Fall in das Arbeitsleben integriert werden. Dies komme den Interessen der Versichertengemeinschaft zugute.

Im übrigen sei der Zeitfaktor – neben der Größe des Betriebes, dem Umfang der Entlassungen, der örtlichen Arbeitsmarktsituation und den sonstigen Arbeitsumständen des einzelnen Versicherten im Verhältnis zu seinen Kollegen – nur ein Bestandteil der im Rahmen des wichtigen Grundes zu treffenden Interessenabwägung. Dem Kläger sei eine Fortsetzung seiner Arbeit insbesondere auch deswegen nicht mehr zumutbar gewesen, weil er einem weniger abgesicherten Kollegen Entlassung und Arbeitslosigkeit erspart habe. Darüber hinaus sei für ihn als Gewerkschaftsmitglied, wie vom LSG zutreffend dargelegt, der psychologische Zwang zur Solidarität mit den jüngeren Arbeitnehmern wesentlich gewesen. Das Auftreten von Ehefrauen und Kindern der jüngeren Arbeitnehmer auf Betriebsversammlungen mit der Bitte, die Entlassung dieser gefährdeten Mitarbeiter abzuwenden, habe auf die älteren Arbeitnehmer genügend Einfluß ausgeübt, so daß das Verhalten des Klägers auch unter diesem Gesichtspunkt einen wichtigen Grund für die Arbeitsplatzaufgabe abgegeben habe.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist iS der Zurückverweisung begründet.

In der Revisionsinstanz fortwirkende Verstöße der Vorinstanzen, die das Revisionsgericht bei einer zulässigen Revision von Amts wegen zu berücksichtigen hat, liegen nicht vor. Allerdings hat sich der Kläger, folgt man seinem mit der Klageschrift gestellten Antrag, auf die reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) beschränkt. Indessen wird diese Klageart seinem Klagebegehren gerecht. Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung einer Sperrzeit, die sich, nachdem die Beklagte ihren Revisionsantrag entsprechend eingeschränkt hat, auf die Zeit vom 1. Mai bis 25. Juni 1985 erstreckt. Der Regelungsgehalt des Sperrzeitbescheides beschränkt sich – neben Minderung der Anspruchsdauer – auf die Feststellung der Sperrzeit mit der Folge der Ruhenswirkung für die Dauer der Sperrzeit (vgl dazu BSG SozR 4100 § 117 Nr 21); für eine darüber hinausgehende Ablehnung des Alg-Anspruchs bestand kein Bedürfnis, weil dies bereits durch den bindenden Bescheid vom 9. Mai 1985 geschehen war, durch den die Beklagte den Antrag auf Alg für die Zeit vom 1. Mai bis 9. September 1985 wegen Ruhens des Anspruchs als Folge der gezahlten Abfindung abgelehnt hatte (§ 117 AFG). Für den Zeitraum der Sperrzeit kann der Kläger mithin die Bewilligung von Alg nicht mehr erreichen. Aus diesem Grunde ist für die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG) kein Raum. Hingegen bewirkt der Kläger mit der reinen Anfechtungsklage, sofern sie begründet ist, die Aufhebung des Sperrzeitbescheides für die Zeit vom 1. Mai bis 25. Juni 1985. Daran hat er ein Rechtsschutzinteresse, weil die Beklagte mit dem Sperrzeitbescheid auch geregelt hat, daß sich die Dauer des vom Kläger erworbenen Alg-Anspruchs um die Sperrzeittage mindere (§ 110 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG). Die Rücknahme des Sperrzeitbescheides hätte zur Folge, daß der Kläger nach dem Ende des Alg-Bezugs aufgrund der erfolgten Arbeitslosmeldung und des gestellten Alg Antrags Alg für diese weiteren Leistungstage beziehen könnte, sofern er weiterhin arbeitslos war und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand. Daß es an diesen weiteren Voraussetzungen gefehlt habe oder daß der Alg-Anspruch geruht hätte, ist weder festgestellt worden noch nach der Aktenlage ersichtlich.

In der Sache genügen die tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht für eine abschließende Bewertung, ob die Feststellung einer Sperrzeit für die Zeit vom 1. Mai bis 25. Juni 1985 gerechtfertigt ist.

Nach § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG idF des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497), in Kraft ab 1. Januar 1982 (Art 18), tritt eine Sperrzeit von 8 Wochen ein, wenn der Arbeitslose sein Arbeitsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Gemäß § 119a Nr 1 AFG, eingefügt durch das Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes und der gesetzlichen Rentenversicherung (Arbeitsförderungs- und Rentenversicherungs-Änderungsgesetz) vom 20. Dezember 1984 (BGBl I 1713) und ab 1. Januar 1985 in Kraft (Art 8), gilt bei Sperrzeiten nach § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG, die in der Zeit vom 1. Januar 1985 bis zum 31. Dezember 1989 eintreten, § 119 AFG ua mit der Maßgabe, daß die Dauer der Sperrzeit nach Absatz 1 Satz 1 zwölf Wochen beträgt. Nach § 242d Abs 2 AFG, eingefügt durch das Gesetz zur Ergänzung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente und zum Schutz der Solidargemeinschaft vor Leistungsmißbrauch (Achtes Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes) vom 14. Dezember 1987 (BGBl I 2602), ist § 119a AFG mit Wirkung vom 1. Januar 1985 (Art 13 Abs 3) für Ansprüche auf Alg nicht anzuwenden, wenn der Arbeitslose innerhalb der Rahmenfrist ua mindestens 360 Kalendertage vor dem 1. Januar 1985 in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat und die Entscheidung über den Eintritt der Sperrzeit am 23. Juli 1987 noch nicht unanfechtbar war. Die letztgenannten Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Kläger stand innerhalb der dreijährigen vom 1. Mai 1982 bis 30. April 1985 laufenden Rahmenfrist mindestens 360 Kalendertage vor dem 1. Januar 1985 in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung bei der TNSW; außerdem war die Entscheidung über den Eintritt der Sperrzeit infolge des Klageverfahrens am 23. Juli 1987 noch nicht unanfechtbar. Die Sperrzeit belief sich vorliegend mithin, wie von der Beklagten im Revisionsverfahren anerkannt, allenfalls auf acht Wochen.

Ob hier nach § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG eine achtwöchige Sperrzeit eingetreten ist, läßt sich aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht beurteilen.

Allerdings hat der Kläger sein Arbeitsverhältnis gelöst und dadurch zumindest grob fahrlässig seine Arbeitslosigkeit herbeigeführt. Der Arbeitslose hat das Arbeitsverhältnis gelöst, wenn er es selbst gekündigt oder, wie das hier geschehen ist, durch Vereinbarung mit dem Arbeitgeber beendet hat. Es genügt, daß der Arbeitnehmer durch seine Zustimmung zu dem Aufhebungsvertrag eine wesentliche Ursache für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gesetzt hat; es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Initiative zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer oder vom Arbeitgeber ausgegangen ist (vgl BSG SozR 4100 § 119 Nr 18 mwN; BSG vom 29. November 1989 – 7 RAr 86/88 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Durch diese Lösung des Arbeitsverhältnisses hat der Kläger seine Arbeitslosigkeit ab 1. Mai 1985 herbeigeführt, und zwar zumindest grob fahrlässig. Ein Arbeitnehmer führt mit einer Lösung des Arbeitsverhältnisses die Arbeitslosigkeit, wenn nicht vorsätzlich, so doch grob fahrlässig herbei, wenn er nicht mindestens konkrete Aussichten auf einen Anschlußarbeitsplatz hat (BSGE 43, 269, 270 = SozR 4100 § 119 Nr 2; BSGE 52, 276, 281 = SozR 4100 § 119 Nr 17; BSG vom 29. November 1989, aaO). Letzteres war hier nicht der Fall. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hatte der Kläger keine konkreten Aussichten auf einen Anschlußarbeitsplatz. Er durfte auch nicht damit rechnen, daß ihm das Arbeitsamt (ArbA) zum 1. Mai 1985 einen Arbeitsplatz vermitteln werde, zumal er sich erst am 30. April 1985 beim ArbA gemeldet hat.

Den Schlußfolgerungen des LSG, dem Kläger habe für sein Verhalten, dh für seine Zustimmung zu dem Aufhebungsvertrag ein wichtiger Grund zur Seite gestanden, kann nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht beigepflichtet werden.

Was als wichtiger Grund iS des § 119 Abs 1 Satz 1 AFG anzusehen ist, hat das Gesetz nicht näher bestimmt. Die Sperrzeitregelung beruht auf dem Grundgedanken, daß sich eine Versichertengemeinschaft gegen Risikofälle wehren muß, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder an deren Behebung er unbegründet nicht mithilft. Die Sperrzeit soll die Gemeinschaft der Beitragszahler davor schützen, daß der Anspruchsberechtigte das Risiko seiner Arbeitslosigkeit manipuliert. Im Hinblick auf die Lösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer gilt es dabei, auch solchen Lebenssachverhalten Rechnung zu tragen, die die Aufgabe einer Arbeitsstelle durch den Arbeitnehmer auch dann gerechtfertigt erscheinen lassen, wenn er infolge der Auflösung des Arbeitsverhältnisses arbeitslos wird und Leistungen der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nehmen muß. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll eine Sperrzeit allgemein nur dann eintreten, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann (vgl Bericht der Abgeordneten Porten und Jaschke zum AFG-Entwurf – BT-Drucks V/4110 S 20 f –). Der wichtige Grund muß auch den Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses decken, der Arbeitslose muß also einen wichtigen Grund dafür haben, daß er das Arbeitsverhältnis gerade zu dem bestimmten Zeitpunkt auflöst (BSGE 43, 269, 271 = SozR 4100 § 119 Nr 2; BSGE 52, 276, 277 = SozR 4100 § 119 Nr 17; BSG vom 29. November 1989, aaO).

Ob im persönlichen Bereich des Klägers ein wichtiger Grund bestand, das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30. April 1985 aufzulösen, läßt sich nach den vom LSG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden.

Allerdings hat das LSG keine gesundheitlichen Beinträchtigungen festgestellt, angesichts deren dem Kläger zwar andere Arbeiten noch möglich waren, nicht aber diejenigen, die die TNSW fortan von ihm berechtigt verlangte und verlangen durfte. Solche Gründe hat der Kläger in dem Verfahren auch nicht geltend gemacht. Das gleiche gilt hinsichtlich der unmittelbaren Auswirkungen der vorgesehenen Arbeitsplatzeinsparungen auf dem vom Kläger innegehabten Arbeitsplatz, die mit Rücksicht auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Alter in bestimmten Fällen dem Arbeitnehmer einen wichtigen Grund zum Ausscheiden geben können (vgl BSG SozR 4100 § 119 Nr 28). Es liegt auch nichts dafür vor, daß dem Kläger aufgrund der Absicht des Arbeitgebers, zahlreiche Arbeitsplätze einzusparen, trotz der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit und seines Lebensalters drohte, wirksam betriebsbedingt gekündigt zu werden; denn sein Arbeitsverhältnis war aufgrund der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit unkündbar. Der Kläger kann sich mithin nicht darauf berufen, einer unabwendbaren Kündigung lediglich zuvorgekommen zu sein. Es stellt sich daher nicht die Frage, ob das Drohen einer unabwendbaren Kündigung den Kläger berechtigt hätte, zum 30. April 1985 auszuscheiden.

Dagegen läßt sich aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht die Frage beantworten, ob auf den Kläger ein psychischer Druck derart ausgeübt worden ist, daß die Auflösung seines Arbeitsverhältnisses zum 30. April 1985 allein aus diesem Grunde gerechtfertigt erscheint. Einerseits hat das LSG zwar darauf hingewiesen, daß durch das Auftreten von Ehefrauen und Kindern der jüngeren Arbeitnehmer auf Betriebsversammlungen – mit der Bitte, die Entlassung dieser gefährdeten Mitarbeiter abzuwenden – genügend Einfluß auf die älteren Arbeitnehmer genommen worden sei. Andererseits hat es jedoch betont, daß Arbeitgeber, Betriebsrat und Kollegen keinen unmittelbaren Druck auf den Kläger ausgeübt hätten. Diese Feststellungen sind widersprüchlich. Sie lassen keine abschließende Entscheidung darüber zu, ob der Kläger tatsächlich einem psychischen Druck ausgesetzt gewesen ist, seinen Arbeitsplatz unter Hintanstellung seines – allgemeinen – Schutzes vorzeitig aufzugeben, und ob er sich dieses Druckes auch nicht mit Hilfe des Betriebsrats oder einer gewerkschaftlichen Vertretung erwehren konnte.

Ebensowenig läßt sich aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG beurteilen, ob dem Kläger die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses angesichts des Umstandes unzumutbar gewesen ist, daß er nur durch sein Ausscheiden in den Genuß der Abfindung von rund 40.000,– DM gelangen konnte. Nach der Rechtsprechung des Senats kann bei älteren Arbeitnehmern die Aufgabe eines Arbeitsverhältnisses unter Inanspruchnahme einer Abfindung zu Lasten der Versichertengemeinschaft unter bestimmten Umständen gerechtfertigt sein. Doch setzt ein wichtiger Grund in Fällen dieser Art besondere, das bloße Abwägen der wirtschaftlichen Interessen des Arbeitnehmers überlagernde Sachzwänge in der betrieblichen Situation des Arbeitgebers und den daraus folgenden Bedingungen für den betroffenen Arbeitnehmer voraus (vgl BSGE 21, 98 = SozR Nr 2 zu § 80 AVAVG; SozR 4100 § 119 Nr 14).

In seiner jüngeren Rechtsprechung hat der Senat dies nur angenommen, wenn bei einem größeren Betrieb der Zwang zu einem drastischen und kurzfristig durchzuführenden Personalabbau bestand, um den Betrieb und damit auch Arbeitsplätze zu erhalten, und die drohende Arbeitslosigkeit der freizusetzenden Arbeitnehmer durch den örtlichen Arbeitsmarkt nicht ohne weiteres aufgefangen werden konnte; zusätzlich hat der Senat in einem solchen Fall Anhaltspunkte dafür gefordert, daß der Arbeitnehmer durch sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Betrieb einem anderen Mitarbeiter die Entlassung und damit die Arbeitslosigkeit erspart (SozR 4100 § 119 Nr 14). In dem entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber ca 400 von 1.600 Arbeitnehmern innerhalb eines Vierteljahres freisetzen müssen, um eine gänzliche Schließung des Betriebes zu verhindern. Der Senat hat seine Entscheidung seinerzeit im wesentlichen darauf gestützt, daß in einer solchen krisenhaften Situation, in der das freiwillige Ausscheiden älterer Arbeitnehmer allgemein in dem Betrieb und in der Region, in der der Betrieb ansässig ist, als eine vernünftige, soziale Härten vermeidende Teillösung des unvermeidlichen Personalabbaus angesehen wird und angesichts des nicht zu verhindernden Verlustes von Arbeitsplätzen das Verhalten des freiwillig ausscheidenden älteren Arbeitnehmers in den Hintergrund tritt.

Zugleich hat der Senat betont, daß auch ältere Arbeitnehmer nur unter solchen besonderen betrieblichen und den Arbeitsmarkt der Region belastenden Umständen einen wichtigen Grund dafür haben, unter Mitnahme der Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden und die Leistungen der Arbeitslosenversicherung ungeschmälert in Anspruch zu nehmen (SozR 4100 § 119 Nr 14; ebenso Urteil des Senats vom 25. August 1981 – 7 RAr 53/80 –, veröffentlicht im Dienstblatt der Bundesanstalt für Arbeit – Rechtsprechung – Nr 2730 AFG § 119). Er ist deshalb folgerichtig der Auffassung entgegengetreten, daß in Zeiten der Massen- und Dauerarbeitslosigkeit älteren, kurz vor der Altersgrenze für ein Altersruhegeld stehenden Arbeitnehmern die Fortsetzung ihrer bisherigen Arbeitsverhältnisse allgemein unzumutbar sei, weil sie damit die Arbeitsplätze für jüngere Arbeitnehmer blockierten. Der Senat hat hierzu ausgeführt, daß die Sperrzeitregelung ihre Funktion, die Manipulation von Arbeitslosigkeit zu verhindern, nicht erfüllen kann, wenn gegen den Eintritt einer Sperrzeit allgemein geltend gemacht werden dürfte, daß die aufgegebene bzw abgelehnte Arbeitsstelle genauso gut oder besser von einem anderen Arbeitslosen ausgefüllt werden könne und der Versichertengemeinschaft durch den Sperrzeittatbestand kein besonderer Schaden entstanden sei. Das gelte insbesondere in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und auch beim Ausscheiden älterer Arbeitnehmer, zumal sie in aller Regel schwerer als jüngere Arbeitnehmer zu vermitteln seien. Nicht nur im Hinblick auf die Leistungen wegen Arbeitslosigkeit, sondern auch mit Rücksicht auf das vorgezogene Altersruhegeld wegen einjähriger Arbeitslosigkeit bei Vollendung des 60. Lebensjahres habe die Versichertengemeinschaft ein besonderes Interesse daran, den Eintritt der Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer zu verhindern. Im Rahmen der Abwägung zwischen den Interessen des Arbeitslosen und den Interessen der Versichertengemeinschaft sei daher zu berücksichtigen, daß es gerade nicht den Vorstellungen des Gesetzes entspreche, daß der Arbeitnehmer sanktionslos den Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit und der ältere Arbeitnehmer damit praktisch den Versicherungsfall des vorgezogenen Altersruhegeldes herbeiführe. Da die Bereitschaft eines älteren Arbeitnehmers, das Arbeitsverhältnis aufzugeben, im Regelfall weniger durch Erwägungen der Solidarität mit der jüngeren Arbeitnehmerschaft als durch die Aussicht bestimmt sei, praktisch aus dem Arbeitsleben auszuscheiden und gleichzeitig finanziell abgesichert zu sein, nämlich durch Alg, Arbeitslosenhilfe, das vorgezogene Altersruhegeld und ggf betriebliche Leistungen, gebühre auch in derartigen Fällen grundsätzlich den Interessen der Versichertengemeinschaft der Vorrang (vgl SozR 4100 § 110 Nr 28).

Die Annahme eines wichtigen Grundes wegen eines größeren Personalabbaus ist hiernach auf besonders gelagerte Einzelfälle zu beschränken. Tendenzen der Instanzengerichte, den wichtigen Grund des sogenannten drastischen Personalabbaus unter Hervorhebung dessen großzügig zu handhaben, daß der regionale Arbeitsmarkt nicht in der Lage gewesen sei, den Personalabbau in absehbarer Zeit aufzufangen und der Arbeitslose anderen Arbeitnehmern seinen Arbeitsplatz überlassen habe, ist der Senat wiederholt entgegengetreten (vgl die nicht veröffentlichten Urteile vom 13. August 1986 – 7 RAr 16/85 –, vom 13. Mai 1987 – 7 RAr 38/86 – und vom 15. Juni 1988 – 7 RAr 3/87 –). Hieran ist auch deshalb festzuhalten, weil andernfalls die Arbeitslosenversicherung das Ausscheiden älterer Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis über das hinzunehmende Maß hinaus förderte. Schon die Erwartung des Arbeitnehmers, jedenfalls nach Ablauf einer Sperrzeit Alg zu erhalten, ist geeignet, mittelbar das freiwillige Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zu fördern. Die Anerkennung eines wichtigen Grundes wegen Personalabbau erleichtert dem Arbeitgeber darüber hinaus, den Arbeitnehmer zum freiwilligen Ausscheiden gegen Abfindung zu bewegen; denn tritt eine Sperrzeit nicht ein, schmälern Sperrzeit folgen nicht den Vorteil, den der Arbeitnehmer sich vom Ausscheiden verspricht. Die Förderung des freiwilligen Ausscheidens der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ist indes nicht Sinn der Arbeitslosenversicherung. Auch deshalb kann ein wichtiger Grund nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen des Personalabbaus in Betracht kommen. Freisetzungen, die lediglich erfolgen, um die Altersstruktur der Belegschaft zu verbessern, und schon im allgemeinen zu Lasten älterer Arbeitnehmer und der öffentlichen Kassen gehen, sind nicht noch über die Annahme eines wichtigen Grundes iS des § 119 AFG zu honorieren. Gleiches gilt für einen Personalabbau, der vorgenommen wird, um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, zu erhalten oder wiederherzustellen oder die Gewinne zu steigern. Entsprechend kann ein wichtiger Grund zur Arbeitsaufgabe eines Angestellten des öffentlichen Dienstes nicht allein in einem bereits mehrere Jahre andauernden Zwang einer Anstellungskörperschaft gesehen werden, ihren Personalbestand erheblich zu verringern; insoweit – aber nur insoweit – hat der Senat an den Ausführungen in BSGE 21, 98, 99 = SozR Nr 2 zu § 80 AVAVG nicht festgehalten (BSG vom 29. November 1989, aaO).

Ein Personalabbau kann dem älteren Arbeitnehmer einen wichtigen Grund zur Aufgabe seines Arbeitsplatzes vielmehr nur in einer krisenhaften Situation eines größeren Betriebes geben, wenn der Abbau von erheblichem Ausmaß ist und kurzfristig durchgeführt werden muß, um den Betrieb und damit die verbleibenden Arbeitsplätze zu erhalten. Eine solche Situation liegt, wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 29. November 1989, aaO, hervorgehoben hat, im allgemeinen nicht vor, wenn innerhalb eines Jahres weniger als ein Viertel der Beschäftigten freigesetzt werden muß. Gleichzeitig hat der erkennende Senat in dem zuletzt erwähnten Urteil herausgestellt, daß er sich an dieser Verdeutlichung seiner bisherigen Rechtsprechung nicht durch das Urteil des 5. Senats vom 24. März 1988 – 5/5b RJ 84/86 – (BSGE 63, 112 = SozR 1200 § 14 Nr 28) gehindert sehe. Insoweit wird auf das Urteil des erkennenden Senats vom 29. November 1989, aaO, Bezug genommen.

Ob im vorliegenden Fall eine krisenhafte Situation im aufgezeigten Sinne gegeben war oder nicht, ist den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen. Das LSG hat insoweit lediglich festgestellt, daß die TNSW ihre Belegschaft in einem Zeitraum von knapp 2 Jahren (1984/85) um etwa ein Drittel (von 3.569 auf 2.306 Arbeitnehmer) abgeschmolzen habe. Das kann bedeuten, daß im Verlauf von nahezu 2 Jahren rund ein Drittel der Beschäftigten freigesetzt worden ist; in diesem Fall könnte nicht von einer krisenhaften Situation gesprochen werden. Die Feststellungen des LSG lassen aber auch die Möglichkeit zu, daß in etwas mehr als einem Jahr rund ein Drittel der Beschäftigten freigesetzt worden ist; in diesem Fall könnte eine krisenhafte Situation anzunehmen sein.

Da der Senat die fehlenden tatsächlichen Feststellungen nicht nachholen kann, muß das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG an das LSG zurückverwiesen werden. Das LSG wird auch über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1415614

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge