Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von Sonderzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) bei der Berechnung des Regellohnes. Zulassung der Sprungrevision ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Anrufung des Großen Senats

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Berechnung des Übergangsgeldes nach § 568 Abs 1 RVO (idF des § 21 Nr 51 RehaAnglG) sind tariflich zustehende zusätzliche Leistungen (Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld), auch soweit auf diese Leistungen ein Rechtsanspruch und im Falle des vorzeitigen Ausscheidens ein Anspruch auf anteilige Auszahlung bestand, nur zu berücksichtigen, wenn sie dem Versicherten im Bemessungszeitraum zugeflossen sind und auch nur mit dem auf den Bemessungszeitraum entfallenden Anteil (Anschluß an BSG 1981-09-16 4 RJ 55/80 = SozR 2200 § 182 Nr 75).

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Jährlich wiederkehrende Sonderzahlungen (zB Urlaubs- und Weihnachtsgeld), die vertraglich zugesichert sind, deren Höhe und Fälligkeit von vornherein feststehen und in der Weise Bestandteile des festen Jahresgehaltes sind, daß bei Aufnahme oder Kündigung des Arbeitsverhältnisses im Laufe des Kalenderjahres die Zahlung anteilmäßig der Dauer des Arbeitsverhältnisses entspricht, sind keine einmaligen Zuwendungen iS des § 182 Abs 5 RVO, sondern gehören zum laufenden Arbeitsentgelt.

2. Bei der Entscheidung über den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Sprungrevision haben die ehrenamtlichen Richter mitzuwirken; eine fehlerhaft nur vom Kammervorsitzenden des Sozialgerichts nachträglich ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter nach dem 31.12.1976 beschlossene Zulassung der Sprungrevision ist für das Bundessozialgericht jedoch bindend.

 

Orientierungssatz

Für die Divergenz iS des § 42 SGG ist auf die aktuelle Rechtsprechung des BSG abzustellen. Ist ein Gesetz inzwischen geändert worden, zwingt die Abweichung von der Entscheidung des anderen Senats zum früheren Recht nicht zu einer Vorlage an den Großen Senat.

 

Normenkette

RVO § 561 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1974-12-21, § 568 Abs. 1 Fassung: 1974-08-07, § 182 Abs. 4 Fassung: 1974-08-07, Abs. 5 Fassung: 1974-08-07, § 560 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1974-08-07; SGG §§ 42, 161 Abs. 3

 

Verfahrensgang

SG Hamburg (Entscheidung vom 23.06.1980; Aktenzeichen 25 U 371/77)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Übergangsgeldes streitig.

Der Kläger war bis zum 31. Oktober 1975 bei der D L AG in H als Flugzeugmechaniker beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis mußte er wegen einer besonderen Allergiegefährdung aufgeben. Für das Arbeitsverhältnis des Klägers galt der zwischen der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e.V. und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr sowie der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft geschlossenen Manteltarifvertrag Nr 9, Bodenpersonal, vom 16. Juni 1975 (gültig ab 1. Januar 1975). Zum Urlaubs- und Weihnachtsgeld enthält § 30 des Manteltarifvertrages folgende Regelung:

"(1) Alle Mitarbeiter erhalten jährlich Urlaubs- und Weihnachtsgeld in

Höhe von je einer halben Grundvergütung zuzüglich des halben Betrages

evtl zustehender Lehr-, Fremdsprachen-, Schlepp- und SWG-Zulagen.

Die Berechnung des Urlaubsgeldes richtet sich nach der für Monat Mai,

des Weihnachtsgeldes nach der für Monat November des betreffenden

Jahres zugrunde liegenden vollen Vergütung ...

(2) Mitarbeiter, deren Beschäftigungsverhältnis im Laufe eines

Kalenderjahres beginnt oder endet, erhalten Urlaubs- und

Weihnachtsgeld anteilig nach der Zahl der Beschäftigungsmonate im

Kalenderjahr.

Bei vor dem 1. Mai eines Jahres ausscheidenden Mitarbeitern richtet

sich die Berechnung des Urlaubsgeldes nach der für den Ausscheidemonat

zugrunde liegenden vollen Vergütung.

Bei vor dem 1. November eines Jahres ausscheidenden Mitarbeiters

richtet sich die Berechnung des Weihnachtsgeldes nach der für den

Ausscheidemonat zugrunde liegenden vollen Vergütung.

(3) ...

(4) Das Urlaubsgeld wird mit der Maivergütung, das Weihnachtsgeld mit

der Novembervergütung gezahlt.

(5) Der Anspruch nach Absatz 1 bis 4 entfällt, wenn für keinen

Kalendertag eines Kalenderjahres Anspruch auf Vergütung oder

Krankenbezüge nach § 27 Abs 1 bis 4 besteht."

In der Zeit vom 1. November 1975 bis 1. Februar 1976 war der Kläger arbeitslos. Vom 2. Februar 1976 an wurde er im Rahmen einer von der Beklagten gewährten Berufshilfe zum Industriekaufmann umgeschult. Für die Zeit der Umschulung zahlte die Beklagte dem Kläger Übergangsgeld, ohne bei dessen Berechnung das im Jahre 1975 erhaltene Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu berücksichtigen.

Mit Schreiben vom 6. Januar 1977 wandte sich der Kläger gegen die Berechnung des Übergangsgeldes und beantragte, das Übergangsgeld unter Berücksichtigung des gezahlten Urlaubs- und Weihnachtsgeldes neu zu berechnen. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Neuberechnung des Übergangsgeldes ab, da es sich bei dem gezahlten Urlaubs- und Weihnachtsgeld um eine einmalige Leistung handele (Bescheid vom 26. Juli 1977).

Das Sozialgericht (SG) hat der Klage gegen den Bescheid vom 26. Juli 1977 durch Urteil vom 23. Juni 1980 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, bei der Berechnung des Übergangsgeldes das dem Kläger für 1975 gezahlte Urlaubs- und Weihnachtsgeld anteilsmäßig zu berücksichtigen. In den Gründen des Urteils hat es ausgeführt, daß es sich bei dem Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht um einmalige Zuwendungen iS des § 182 Abs 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) handele. Sowohl das mit der Maivergütung als auch das mit dem Ausscheiden Ende Oktober 1975, also im Bemessungszeitraum, gewährte Weihnachtsgeld sei anteilig für den Monat Oktober 1975 der Berechnung des Übergangsgeldes zugrunde zu legen. Dies ergebe sich schon aus der Lohnersatzfunktion des Übergangsgeldes. Durch Beschluß vom 18. August 1980 hat der Kammervorsitzende des SG die Sprungrevision zugelassen.

Die Beklagte hat das Rechtsmittel eingelegt und im wesentlichen wie folgt begründet: Bei dem im Streit stehenden Urlaubs- und Weihnachtsgeld handele es sich um einmalige Zahlungen iS des § 182 Abs 5 RVO. Darüber hinaus habe der Kläger im entscheidenden und unstreitig zugrunde zu legenden Lohnabrechnungszeitraum des Oktober 1975 weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld bezogen. Es seien aber derartige Sonderzahlungen nur dann Teil des Bruttoentgeltes, wenn sie im Bemessungszeitraum zugeflossen seien.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des SG Hamburg vom 23. Juni 1980 die

Klage abzuweisen, hilfsweise,

die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG

zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Sprungrevision der Beklagten ist nach § 161 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Der Zulassungsbeschluß des SG ist zwar verfahrensfehlerhaft zustandegekommen, denn ehrenamtliche Richter haben bei der Entscheidung über die nachträgliche Zulassung der Sprungrevision mitzuwirken. Trotz dieses schweren Mangels ist der Beschluß des Kammervorsitzenden des SG vom 18. August 1980 jedoch wirksam und das Bundessozialgericht (BSG) an die Zulassung der Sprungrevision gebunden (BSGE 51, 23, 26 ff).

Die Revision der Beklagten ist insofern begründet, als das angefochtene Urteil des SG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist. Die tatsächlichen Feststellungen des SG reichen nicht aus, um den Rechtsstreit hinsichtlich der Höhe des dem Kläger zustehenden Übergangsgeldes zu entscheiden.

Die Beklagte war verpflichtet, dem Kläger für die Zeit der Umschulung ab 2. Februar 1976 Übergangsgeld zu gewähren. Nach § 568 Abs 1 RVO erhält de Verletzte während einer Maßnahme der Berufshilfe Übergangsgeld nach den §§ 560 und 561 RVO auch, wenn er wegen der Teilnahme an der Maßnahme gehindert ist, eine ganztägige Erwerbstätigkeit auszuüben. Gem § 561 Abs 1 RVO ist für die hier streitige Bemessung des Übergangsgeldes § 182 Abs 4, 5, 8 und 10 RVO entsprechend anzuwenden. Nach § 182 Abs 4 Satz 1 RVO beträgt das Übergangsgeld 80 vH des wegen der Maßnahme der Berufsbildung entgangenen regelmäßigen Entgelts (Regellohn); es darf das entgangene regelmäßige Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen. Entsprechend § 182 Abs 5 Satz 1 RVO ist der Regellohn aus dem Entgelt des Versicherten zu ermitteln, das er im letzten vor Beginn der Maßnahme abgerechneten Lohnabrechnungszeitraum mit mindestens vier abgerechneten Wochen (Bemessungszeitraum) erzielt hat.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist das einem Verletzten zustehende Urlaubs- und Weihnachtsgeld bei der Bestimmung des Regellohnes mit zu berücksichtigen. Es gehört nicht zu den in § 182 Abs 5 Satz 1 RVO genannten "einmaligen Zuwendungen", um die das im Bemessungszeitraum erzielte Entgelt zu vermindern ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG sind zusätzliche Leistungen des Arbeitgebers, wie im vorliegenden Fall, dann nicht als "einmalige Zuwendungen" anzusehen, wenn der Versicherte auf sie einen Anspruch hat, wenn Höhe und Fälligkeit von vornherein feststehen und wenn sie in der Weise einen Bestandteil des festen Jahresgehaltes bilden, daß bei vorzeitigem Ausscheiden während des Kalenderjahres und unter Berücksichtigung der Zahl der Beschäftigungsmonate im Kalenderjahr ein Anspruch auf anteilige Zahlung dieser Leistung besteht (BSG SozR 2200 § 1241 Nrn 15 und 18; SozR 4100 § 112 Nr 11; USK 7668 und 78203; Urteile vom 16. September 1981 - 4 RJ 55/80 - und vom 28. Oktober 1981 - 12 RK 23/80 - zur Veröffentlichung vorgesehen; Urteil vom 16. September 1981 - 4 RJ 103/80 -, Urteil vom 26. November 1981 - 4 RJ 143/80 - unveröffentlicht). In ähnlicher Weise hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu den "Gratifikationen" entschieden (BAG AP § 611 BGB "Gratifikation" Nr 100). Der Senat sieht keinen Anlaß von der bisherigen Rechtsprechung des BSG abzuweichen. Die Zahlung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes war nach § 30 des Manteltarifvertrages Nr 9, Bodenpersonal, vom 16. Juni 1975 tariflich so geregelt, daß der Kläger auf diese Leistungen einen Anspruch (Abs 1) und beim Ausscheiden während des Kalenderjahres einen anteilsmäßigen Betrag zu erhalten hatte (Abs 2).

Dem SG ist zuzustimmen, daß der Monat Oktober 1975 der Bemessungszeitraum ist, da der Kläger am 31. Oktober 1975 sein Arbeitsverhältnis bei der D L AG beendet hatte. Nach den Feststellungen des SG in den Urteilsgründen hat der Kläger bei seinem Ausscheiden Ende Oktober 1975 von den genannten zusätzlichen Leistungen lediglich das Weihnachtsgeld im Bemessungszeitraum erhalten. Das Urlaubsgeld wurde im Mai 1975 gezahlt. Dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ist ein Hinweis auf etwaige geleistete Zahlungen nicht zu entnehmen. Der Senat ist trotzdem an die in den Gründen enthaltenen tatsächlichen Feststellungen gebunden (vgl Meyer-ladewig, SGG, 2. Aufl § 163 Anm 2, Peters/Sautter/Wolff, Komm zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl, § 163 Anm 2). Die im Revisionsverfahren erhobene Behauptung, der Kläger habe im Lohnabrechnungszeitraum des Oktober 1975 weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld bezogen, mußte als neuer Tatsachenvortrag bei der Entscheidung unberücksichtigt bleiben.

§ 182 Abs 5 RVO setzt für die Berechnung des Kranken- und Übergangsgeldes voraus, daß das der Berechnung zugrunde zu legende Arbeitsentgelt dem Versicherten im maßgeblichen Bemessungszeitraum zugeflossen ist. Das ergibt sich zum einen aus dem Gesetzeswortlaut, denn nach § 182 Abs 5 Satz 1 und 3 RVO ist das im Bemessungszeitraum "erzielte Entgelt" der Berechnung zugrunde zu legen. Zum anderen läßt der Sinn der Vorschrift erkennen, daß der Versicherte während einer Erkrankung oder Teilnahme an einer Maßnahme zur beruflichen Rehabilitation den vorher bestehenden wirtschaftlichen Status beibehalten soll (Lohnersatzfunktion des Übergangsgeldes). Dies wird bei einem in abhängiger Stellung Beschäftigten von der Höhe des tatsächlichen verfügbaren Einkommens bestimmt (BSGE 46, 203, 206 = SozR 2200 § 1241 Nr 9). Demzufolge haben der 1., 4., 5., 7. und 11. Senat des BSG in ihrer bisherigen Rechtsprechung das Kriterium des Zuflusses als maßgebend für die Anrechenbarkeit angesehen (vgl BSGE aaO; BSG SozR 2200 § 1241 Nrn 15 und 18; BSG Urteile vom 16. September und 26. November 1981 - 4 RJ 103/80 und 143/80 -, Urteil vom 10. Dezember 1981 - 7 RAr 6/81 -; vgl auch BSG Urteil vom 28. Oktober 1981 - 12 RK 23/80 -). Dem stimmt der erkennende Senat zu. Der Kläger hat damit von den im Streit stehenden zusätzlichen Leistungen lediglich das Weihnachtsgeld im Bemessungszeitraum iS des § 182 Abs 5 RVO "erzielt".

Bei den im Bemessungszeitraum zugeflossenen zusätzlichen Leistungen kann jedoch nicht der ganze Zahlbetrag für die Übergangsgeldberechnung herangezogen werden. Bei der Berechnung des Übergangsgeldes (Krankengeldes) findet nur das Entgelt Berücksichtigung, das im Bemessungszeitraum erzielt, dh zugeflossen, und für diesen Zeitraum verdient worden ist. Auch wenn das Weihnachtsgeld nach dem Manteltarifvertrag nur zu einem bestimmten Termin im Jahre fällig wird, knüpft diese Sonderleistung an die Arbeitsleistung im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum an und ist demgemäß dem laufenden Entgelt für die Zeitspanne zuzurechnen, in der es erarbeitet wurde (BSG SozR 2200 § 1241 Nr 18; s. zum Beitragsrecht in der Krankenversicherung aber auch BSG Urteil vom 28. Oktober 1981 - 12 RK 23/80 -).

Für die Berechnung des Arbeitslosengeldes hatte der Gesetzgeber als Konsequenz auf die Entscheidungen des 7. Senats des BSG (Urteile vom 10. Oktober 1978 - 7 RAr 57/77 - und vom 7. August 1979 - 7 RAr 17/78 -) dieser Rechtsprechung Rechnung getragen. Durch Art II § 2 Nr 10 Buchst a des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - SGB X - vom 18. August 1980 (BGBl I S 1469) hat er Satz 3 des § 112 Abs 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) durch die folgenden Sätze 3 und 4 ersetzt: Das wöchentliche Arbeitsentgelt iS des Satzes 1 erhöht sich um den auf eine Woche entfallenden Anteil mindestens jährlich wiederkehrender Zuwendungen, die jeweils anteilig gezahlt werden, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Fälligkeitstermin aufgrund ordentlicher Kündigung des Arbeitgebers endet (Satz 3). Sonstige wiederkehrende Zuwendungen sowie einmalige Zuwendungen bleiben außer Betracht (Satz 4). Der Gesetzgeber hat damit das Zuflußprinzip ausdrücklich aufgegeben. Die Berücksichtigung jährlich wiederkehrender Zuwendungen sollte nicht davon abhängig sein, ob sie in dem - in der Regel einen Monat umfassenden - Bemessungszeitraum gezahlt worden sind (Bericht des Ausschusses für Arbeit- und Sozialordnung, BT-Drucks 8/4022 S 90 zu § 2 Nr 3 f Buchst a). Es mag sachgerecht erscheinen, entsprechend der in § 112 Abs 3 Satz 2 AFG ab 1. Januar 1981 (Art II § 40 Abs 1 SGB X) getroffenen Regelung zu verfahren und auf den für den maßgeblichen Bemessungszeitraum entfallenden fiktiven Teil der zusätzlichen Leistungen abzustellen. Das Gesetz bietet jedoch für eine solche Verfahrensweise keine Grundlage. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß für die Regellohnberechnung allein das im Bemessungszeitraum effektiv verfügbare Arbeitseinkommen Bedeutung hat, bedurfte deshalb einer besonderen Vorschrift. Ist dabei eine solche Regelung vom Gesetzgeber bewußt nur für eine bestimmte Sozialleistung - das Arbeitslosengeld - vorgenommen und später beibehalten worden, so kann ür andere Sozialleistungen - zB Übergangsgeld - nicht von einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes ausgegangen werden, die es dem Gericht gestatten würde, abweichend vom Gesetzeswortlaut ein Entgelt zu berücksichtigen, das im Bemessungszeitraum nicht wirtschaftlich verfügbar und damit nicht erzielt war. Eine solche Entscheidung steht auch nicht im Gegensatz zu der Rechtsprechung des 7. Senats des BSG und nötigt nicht zur Anrufung des Großen Senats. Denn mit der Einführung des § 112 Abs 2 Satz 3 AFG idF des Art II § 2 Nr 10 Buchst a SGB X bestand keine Divergenz mehr iS des § 42 SGG. Für die Divergenz ist auf die aktuelle Rechtsprechung des BSG abzustellen. Ist ein Gesetz inzwischen geändert worden, zwingt die Abweichung von der Entscheidung des anderen Senats zum früheren Recht nicht zu einer Vorlage (vgl Meyer-Ladewig aaO § 160 RdNr 15). Einer Anrufung des Großen Senats bedarf es auch nicht wegen des Urteils des 7. Senats des BSG vom 10. Dezember 1981 - 7 RAr 6/81 -, wonach ein im Bemessungszeitraum erzieltes Urlaubsgeld in voller Höhe, also nicht nur mit dem auf den Bemessungszeitraum entfallenden Anteil, bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes zu berücksichtigen ist. Denn der 7. Senat weist in diesem Urteil ausdrücklich und zutreffend darauf hin, daß seine Entscheidung auf der Anwendung des § 112 Abs 2 und 3 AFG beruht und diese Vorschrift mit § 182 Abs 5 RVO, auf die sich die Berechnung des Übergangsgeldes in den Urteilen des 4., 5. und 11. Senats des BSG stützt, nicht gleichzusetzen ist. Auch die durch Art 1 § 1 Nr 40 Buchst a cc des Arbeitsförderungs-Konsolidierungs-Gesetzes - AFKG - vom 22. Dezember 1981 (BGBl I S 1497) vorgenommene erneute Änderung des § 112 AFG kann daran nicht ändern. Gemäß § 112 Abs 2 Satz 3 AFG "bleiben" nunmehr bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes "einmalige und wiederkehrende Zuwendungen außer Betracht; dies gilt auch für Zuwendungen, die anteilig gezahlt werden, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Fälligkeitstermin endet". Damit hat der Gesetzgeber binnen Jahresfrist die erst am 1. Januar 1981 in Kraft getretene Regelung des § 112 Abs 2 Satz 3 AFG wieder aufgehoben. Im Hinblick auf die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse" wurde es "für vertretbar gehalten, Mehrarbeitszuschläge und aufgelaufene Arbeitsentgelte bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes nicht mehr zu berücksichtigen. Diese Entgelte, die unter besonderen Voraussetzungen gezahlt werden, gehören nicht zu dem gewöhnlichen laufenden Arbeitsentgelt, mit dem der Arbeitnehmer bei der Lohnabrechnung rechnen kann. Die Vorschrift für das aufgelaufene Arbeitsentgelt entspricht im Ergebnis der für das Krankengeld geltenden Regelung" (Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks 9/966 S 79 zu Art 1 § 1 Nr 32 zu Buchst Oa). Im Gegensatz dazu hatte der Gesetzgeber bei der mit dem Inkrafttreten des SGB X eingeführten Regelung betont, daß die Neuregelung sozialpolitisch unerwünschte Ergebnisse vermeide. Der Gesetzgeber hat mit der Neufassung des § 112 Abs 2 Satz 3 AFG wiederum eine Regelung geschaffen, die auf den Bereich des AFG beschränkt und nicht geeignet ist, auf andere Bereiche des Rechts der sozialen Sicherung übertragen zu werden, auch wenn die Ansicht vertreten wird, daß die Neufassung im Ergebnis der für das Krankengeld geltenden Regelung entspreche (BT-Drucks aaO). Die bisherige Rechtsprechung des BSG ist, wie dargelegt, zu einem anderen Ergebnis gekommen.

Die Beklagte wird sonach bei ihrer Entscheidung das im Bemessungszeitraum Oktober 1975 aufgrund des § 30 des Manteltarifvertrages zugeflossene Weihnachtsgeld anteilig für den Monat Oktober, dh unter Berücksichtigung der Beschäftigungsmonate im Jahre 1975, der Übergangsgeldberechnung zugrunde zu legen haben (BSG, Urteile vom 16. September 1981 - 4 RJ 55/80 - und vom 26. November 1981 - 4 RJ 143/80 -). Da im vorliegenden Fall der Bemessungszeitraum einen Monat beträgt, entfällt auf ihn ein Zehntel des ausgezahlten Weihnachtsgeldes.

Ob das dem Kläger im Oktober 1975 ausgezahlte Weihnachtsgeld den auf den Bemessungszeitraum entfallenden Anteil von einem Zehntel übersteigt, läßt sich den tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil nicht entnehmen. Das SG wird diese Feststellung nachzuholen haben. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, daß lediglich der auf den Oktober 1975 entfallende Anteil des Weihnachtsgeldes der Übergangsgeldberechnung zugrundegelegt werden kann. Der Nettolohn als oberer Grenzbetrag der zu gewährenden Lohnersatzleistung ist entsprechend zu berechnen (BSG SozR 2200 § 182 Nr 49; BSG Urteil vom 16. September 1981 - 4 RJ 55/80 - aaO). Für die Berechnung des Übergangsgeldes in der Unfallversicherung kommt noch die Besonderheit hinzu, daß nach § 561 Abs 1 Satz 1 RVO der Regellohn - anders als in der Krankenversicherung (§ 182 Abs 9 RVO) - bis zu einem Betrag in Höhe des 360. Teils des Höchstjahresarbeitsverdienstes (§ 575 Abs 2 RVO) zu berücksichtigen ist. Liegt der Zahlbetrag des Weihnachtsgeldes unter dem als Grenzwert zu beachtenden Anteil, dann geht nur der "Zuflußbetrag" in die Regellohnberechnung ein. Denn nach § 182 Abs 5 RVO ist das im Bemessungszeitraum erzielte (= zugeflossene) Entgelt der Berechnung zuzuführen. Ansprüche des Versicherten, die nicht realisiert sind, bleiben bei der Berechnung außer Betracht (BSG Urteil vom 16. September 1981 - 4 RJ 55/80 - aaO). Eine Anrechnung des Urlaubsgeldes ist nicht möglich, da diese Leistung im Bemessungszeitraum nicht zugeflossen ist.

Um die Entscheidung des Rechtsstreits nicht weiter zu verzögern hält es der Senat für angemessen, die Sache gem § 170 Abs 4 SGG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das LSG Hamburg zurückzuverweisen (BSG, Urteil vom 15, Juni 1976 - 1 RA 112/75 -).

 

Fundstellen

BSGE, 122

Breith. 1982, 672

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