Leitsatz (amtlich)

1. Die Förderung der Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Fortbildung iS von AFG § 41 ist nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes grundsätzlich zweckmäßig iS von AFG § 36 (Zusammenfassung der Rechtsprechung des 7. Senats des BSG).

2. Die Frage, ob eine Fortbildungsmaßnahme nach AFG § 41 im Hinblick auf das mit ihr vermittelte geringe Berufswissen unangemessen ist, ist kein Kriterium dafür, ob die Förderung der Teilnahme an ihr zweckmäßig iS von AFG § 36 ist. Insoweit genügt es, wenn die zusätzlich erworbenen Kenntnisse für den Beruf nur nützlich sind.

3. Dem Anspruch auf Förderung eines deutschen Teilnehmers an einer Maßnahme der beruflichen Fortbildung nach AFG §§ 41, 44, 45 steht nicht entgegen, daß er im Ausland wohnt, sofern er seine berufliche Tätigkeit im Inland ausübt.

4. Der Anspruch auf Förderung einer beruflichen Fortbildung setzt eine konkret bezeichnete Bildungsmaßnahme iS des AFG § 41 voraus.

 

Normenkette

AFG § 36 Fassung: 1969-06-25, § 41 Fassung: 1969-06-25, § 44 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, § 45 Fassung: 1969-06-25; AFuU § 8 Fassung: 1971-09-09

 

Verfahrensgang

LSG für das Saarland (Entscheidung vom 28.01.1976; Aktenzeichen L 2 Ar 16/75)

SG für das Saarland (Entscheidung vom 25.09.1975; Aktenzeichen S 17 Ar 8/75)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 28. Januar 1976 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Der 1945 geborene Kläger ist als geprüfter Steuerbevollmächtigter bei einem Steuerberatungsunternehmen tätig. Er war von der Beklagten bereits für die Erlangung dieses Berufsabschlusses gefördert worden.

Am 1. März 1974 beantragte der Kläger die Gewährung von Förderungsleistungen für einen ab 1. Oktober 1974 beabsichtigten Besuch eines Lehrgangs beim Berufsfortbildungswerk des DGB, dessen Maßnahmeziel der "staatlich geprüfte Betriebswirt" war. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, eine Förderung sei aus arbeitsmarktpolitischen Gründen nicht zweckmäßig (Bescheid vom 31. Mai 1974; Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 1975).

Durch Urteil vom 25. September 1975 hat das Sozialgericht (SG) für das Saarland die Klage abgewiesen.

Das Landessozialgericht (LSG) für das Saarland hat (Urteil vom 28. Januar 1976) die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:

Das vom Kläger beabsichtigte Studium sei inhaltlich für ihn als eine Maßnahme der beruflichen Fortbildung nach § 41 Abs 1 AFG anzusehen. Der Kläger beabsichtige nicht den Übergang in eine andere berufliche Tätigkeit; er wolle sich vielmehr in dem ausgeübten Beruf weiterbilden, um der geänderten wirtschaftlichen Situation Rechnung tragen zu können und um Aufstiegschancen zu erhalten. Das vom Kläger verfolgte Ziel gehe somit dahin, sich in seinem bisherigen Beruf weiter zu qualifizieren und darin beweglicher zu werden. Die Zugangsvoraussetzungen des § 41 Abs 1 AFG seien erfüllt; denn das Studium setze grundsätzlich eine abgeschlossene Berufsausbildung voraus.

Es könne ferner nicht in Zweifel gezogen werden, daß durch das angestrebte Studium die beruflichen Kenntnisse des Klägers erweitert, vertieft und ergänzt und sie der wirtschaftlichen Entwicklung angepaßt würden. Dies ergebe sich insbesondere aus einer vom LSG eingeholten Auskunft der Kammer der Steuerbevollmächtigten vom 4. Oktober 1974, wonach der Erwerb der Qualifikation als staatlich anerkannter Betriebswirt für den Kläger sogar eine "ideale Möglichkeit" sei, beruflich weiterzukommen. Den Ausführungen des SG, die berufliche Beweglichkeit des Klägers werde durch den vorgesehenen Besuch der Fachschule weder gesichert noch verbessert, könne demnach nicht gefolgt werden.

Die Entscheidung des SG sei im Ergebnis jedoch zutreffend; denn selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 41 AFG könne nach § 36 AFG eine Förderung nicht gewährt werden, wenn ua diese unter Berücksichtigung der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes nicht zweckmäßig erscheine. Hierzu habe die Beklagte in § 8 der Anordnung ihres Verwaltungsrates über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung vom 9. September 1971 (ANBA 1971 S. 797 - AFuU 1971) bestimmt, daß die Förderung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes dann zweckmäßig sei, wenn der Erwerbstätige seine berufliche Beweglichkeit sichern oder verbessern oder beruflich aufsteigen wolle und durch die Teilnahme an der Maßnahme arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Bedürfnissen besser entsprochen werden könne, als dies ohne eine berufliche Fortbildung (oder Umschulung) möglich sei. Die begehrte Förderung entspreche zwar zweifellos der beruflichen Neigung des Klägers im Sinne von § 36 AFG, auch wolle er seine berufliche Beweglichkeit sichern bzw die weiteren in § 8 AFuU 1971 angegebenen Ziele erreichen.

An sich sei der Erwerb zusätzlicher betriebswirtschaftlicher Kenntnisse arbeitsmarkt- und sozialpolitisch nicht unzweckmäßig. Er sei aber nicht mehr zweckmäßig in dem hier angestrebten Maße.

Die allgemeinen Grundfächer, die an der Fachschule für Betriebswirtschaft gelehrt würden (Sprachen, Staats- und Soziallehre, Wirtschafts- und Sozialgeographie, Mathematik, Wirtschaftsmathematik), seien zwar nützlich, aber kaum geeignet, den Kläger in seinem Beruf krisenfester zu machen. Ebenso seien die funktionsbezogenen Kursfächer im wesentlichen nicht geeignet, den Kläger in seinem Beruf beweglicher zu machen; das LSG nennt hier die Fächer Beschaffung, Lagerhaltung und Fertigung, Personal-, Sozial- und Ausbildungswesen. Zum Teil seien diese Fächer bereits Gegenstand der Steuerbevollmächtigtenprüfung gewesen. Auch unter Berücksichtigung der von dem Kläger früher bearbeiteten Sachgebiete und erledigten Aufgaben erscheine eine Förderung zumindest in dem erstrebten Umfange weder erforderlich noch zweckmäßig; im übrigen habe der Kläger während seiner bereits geförderten Ausbildung zum Steuerbevollmächtigten eine ausreichende betriebswirtschaftliche Ausbildung erfahren. Sicherlich wäre ein volles Studium der Betriebswirtschaft eine ideale Möglichkeit, den Kläger auf dem Arbeitsmarkt insoweit beweglicher zu machen, als es die betriebswirtschaftliche Beratung durch Steuerbevollmächtigte anbelange. Dieser Umfang der Förderung wäre jedoch unangemessen; denn die hierbei erworbenen Gesamtkenntnisse seien in dem Beruf des Steuerbevollmächtigten nur zum Teil verwertbar. Dies treffe sogar für die eigentlichen betriebswirtschaftlichen Kenntnisse zu. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gäbe es nämlich eine Reihe von Steuerberatungspraxen, deren Klientel sich aus Mandanten zusammensetzt, bei denen eine Beratung in wirtschaftlichen Fragen nur in begrenztem Umfange anfalle.

Ein weiterer Anhaltspunkt dafür, daß ein zusätzliches (volles) Studium der Betriebswirtschaft die Grenzen der Zweckmäßigkeit überschreite und in dem angestrebten Umfang unangemessen wäre, ergebe sich aus dem 2. Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten vom 11. August 1972. Nach einer dort getroffenen Übergangsregelung könnten Steuerbevollmächtigte zu Steuerberatern bestellt werden, wenn sie die erfolgreiche Teilnahme an einem Seminar nachweisen, welches 50 Stunden umfasse. Genüge aber ein solches Seminar, um den Kläger die Bestellung zum Steuerberater zu ermöglichen, dann sei zumindest ein volles Studium zum Betriebswirt weder angemessen noch zweckmäßig im Sinne des AFG. Im übrigen betreffe das Studium zum Betriebswirt ua Sachgebiete, die der Ausbildung des Steuerbevollmächtigten ähnlich seien, sich zum Teil mit ihm deckten. Darüber hinaus wäre auch ein Antrag auf Umschulung zum Betriebswirt denkbar, wenn der Kläger nicht - wie beabsichtigt - die Förderung im ausgeübten Beruf, sondern die Aufnahme der Tätigkeit eines Betriebswirts (somit eine Tätigkeit mit neuem Inhalt) angestrebt hätte. In diesem Falle hätte die Beklagte zu prüfen, ob für diesen Beruf ein entsprechender Bedarf bestehe (§ 36 AFG). Folgte man der Auffassung des Klägers, so hinge eine Förderung nur davon ab, ob der Antrag als Förderung auf berufliche Fortbildung oder auf berufliche Umschulung gestellt werde, um eine Leistung ohne nennenswerte Überprüfung hinsichtlich der arbeitsmarktpolitischen Zweckmäßigkeit zu erhalten. Der vom Kläger zusätzlich erstrebte Berufsabschluß müsse demnach als übersetzt angesehen werden. Über die Frage, ob eine früher in Aussicht genommene Anpassungsmaßnahme arbeitsmarkt- und sozialpolitisch zweckmäßig wäre, sei nicht zu entscheiden gewesen.

Der Auffassung der Beklagten, dem Kläger stehe die Leistung bereits deshalb nicht zu, weil er in Frankreich wohne, sei hingegen nicht zu folgen.

Nach den Regelungen in § 2 Abs 9 AFuU 1971 könnten sogar Nichtdeutsche unter bestimmten Voraussetzungen gefördert werden; Deutsche könnten nur dann nicht gefördert werden, wenn sie im Ausland tätig sein wollten. Diese Absicht habe der Kläger jedoch nicht.

Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger sinngemäß eine Verletzung der §§ 41, 36 AFG in Verbindung mit § 8 AFuU 1971. Er trägt im wesentlichen vor:

Das LSG gehe davon aus, daß die vom Kläger vorgesehene Maßnahme an sich förderungsfähig sei. Es ziehe ferner nicht in Zweifel, daß auch durch das angestrebte Studium die beruflichen Kenntnisse des Klägers erweitert, vertieft und ergänzt und daß sie auch der wirtschaftlichen Entwicklung angepaßt würden. Es sei demgegenüber unverständlich, wenn das LSG dann die arbeitsmarktpolitische Zweckmäßigkeit der beantragten Förderung nach § 36 AFG in Verbindung mit § 8 AFuU 1971 verneine. Die Sicherung und Verbesserung der beruflichen Beweglichkeit des Klägers durch die vorgesehene Maßnahme sei durch die Feststellungen des LSG belegt. Die weitere Voraussetzung des § 8 AFuU 1971 besage lediglich, daß durch die beabsichtigte Maßnahme arbeitsmarkt- oder sozialpolitischen Bedürfnissen besser entsprochen werden können muß, als dies ohne eine solche Maßnahme möglich wäre. Es komme daher nicht darauf an, ob der Erwerb wirtschaftlicher Kenntnisse arbeitsmarkt- oder sozialpolitisch zweckmäßig sei, sondern lediglich darauf, daß im aufgezeigten Sinne arbeitsmarkt- oder sozialpolitischen Bedürfnissen besser entsprochen werden könnte. Die Voraussetzungen des § 8 AFuU 1971 könnten nicht mit der Begründung verneint werden, daß eine der Voraussetzungen zwar gegeben, aber nicht im Sinne der Vorschrift zweckmäßig sei.

Darüber hinaus sei die Aufzählung der allgemeinen Grundfächer, die an der Fachschule für Betriebswirtschaft gelehrt würden, ungeeignet, die begehrte Maßnahme als unzweckmäßig zu bewerten. Das Schwergewicht der Ausbildung liege bei derartigen Maßnahmen eindeutig auf den funktionsbezogenen Kursfächern. Kein Fachschulbereich verzichte auf die sogenannten Grundfächer. Entscheidend sei jedoch die Ausbildung in den funktionsbezogenen Kursfächern. Im vorliegenden Falle gehe es auch nicht darum, ob ein "volles" Studium der Betriebswirtschaft die Grenzen der Zweckmäßigkeit überschreiten würde. Das LSG habe sich auch zu Unrecht auf die Auskunft der Kammer der Steuerbevollmächtigten vom 4. Oktober 1974 berufen; dort sei nämlich ua ausgeführt, daß die ordnungsgemäße Ausübung des Berufes eines Steuerbevollmächtigten bei einer bestimmten Klientel infrage gestellt sei, wenn umfangreiche betriebswirtschaftliche Kenntnisse nicht vorliegen sollten. Dem Schreiben sei weiter zu entnehmen, daß diese Mandanten einen anderen Steuerbevollmächtigten, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer aufsuchen würden, wenn der um Rat angegangene Steuerbevollmächtigte eine betriebswirtschaftliche Beratung nicht durchführen könne. Daß die beabsichtigten Maßnahmen des Klägers ihn in seinem Beruf krisenfester machen und den arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Bedürfnissen im Sinne der Vorschrift des § 8 AFuU 1971 besser entsprochen werden könne, könne nicht mit dem Hinweis auf kleine Berufspraxen verneint werden, in denen lediglich eine beschränkte Beratung in wirtschaftlichen Fragen benötigt werde. Schließlich sei die Entscheidung des LSG unverständlich, wenn es der Auffassung der Kammer für Steuerbevollmächtigte gefolgt sei, wonach eine betriebswirtschaftliche Ausbildung als eine ideale Maßnahme zur Förderung der beruflichen Beweglichkeit eines Steuerbevollmächtigten anzusehen sei. Man dürfe auch nicht unberücksichtigt lassen, daß der Beruf des Steuerbevollmächtigten in absehbarer Zeit "aussterben" werde. Der Konkurrenzkampf hinsichtlich der Steuerberater, die akademisch ausgebildet worden seien, werde für diejenigen Steuerbevollmächtigten, die sich nicht um eine zusätzliche Ausbildung bemühten, hoffnungslos sein. Würde man dem Kläger die beantragte Maßnahme verweigern, so würde man seine berufliche Beweglichkeit in einem Maße einschränken, die nicht mehr vertretbar sei.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

die angefochtene Entscheidung und die Entscheidung des Sozialgerichts vom 25. September 1975 aufzuheben und die Beklagte zur Gewährung der beantragten Förderung zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und führt ergänzend aus:

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könne zwar bei einer Maßnahme der beruflichen Fortbildung regelmäßig von der Zweckmäßigkeit der Förderung im Sinne von § 36 AFG ausgegangen werden. Davon gebe es jedoch Ausnahmen, wie sie der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 22. September 1976 - 7 RAr 20/75 - für gegeben angesehen habe. Dort sei ausgeführt, die Teilnehmer an einer Fortbildungsmaßnahme könnten arbeitsmarktpolitischen Bedürfnissen nur dann besser entsprechen, als dies ohne Fortbildung möglich sei, wenn die zusätzliche Qualifikation für Arbeitsplätze benötigt werde, die nicht schon mit der bisherigen Qualifikation fachgerecht besetzt werden konnten. Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt entspreche in den entscheidenden Punkten dem vorliegenden Falle. Nach den Feststellungen des LSG müsse davon ausgegangen werden, daß Arbeitgeber Arbeitsplätze von Steuerbevollmächtigten nicht im nennenswerten Umfange mit solchen Bewerbern besetzten, die neben der hierfür erforderlichen Prüfung ein abgeschlossenes betriebswirtschaftliches Studium nachweisen könnten. Auch die Kammer für Steuerbevollmächtigte habe nicht bestätigen können, daß der Beruf des Steuerbevollmächtigten nur dann ordnungsgemäß ausgeübt werden könne, wenn umfangreiche betriebswirtschaftliche Kenntnisse vorlägen.

Beide Beteiligte sind mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) einverstanden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Aufgrund der Feststellungen des LSG kann abschließend nicht entschieden werden, ob der erhobene Anspruch begründet ist; es steht nämlich nicht fest, ob der Kläger den zur Förderung begehrten Lehrgang überhaupt besucht hat.

Die Feststellungen des LSG ergeben zwar, daß es sich bei der vom Kläger ab 1. Oktober 1974 geplanten Teilnahme an einem Lehrgang des Berufsbildungswerkes des DGB mit dem Ziel "staatlich geprüfter Betriebswirt" für ihn inhaltlich um berufliche Fortbildung im Sinne von § 41 Abs 1 AFG handelte; denn der Kläger wollte mit ihrer Hilfe berufliche Kenntnisse im Sinne dieser Vorschrift erweitern. Die Maßnahme erfüllte auch die Zugangsvoraussetzungen des § 41 Abs 1 AFG; denn sie setzte nach den Feststellungen des LSG bei den Teilnehmern eine abgeschlossene Berufsausbildung voraus. Zweifel an der Eignung und Neigung des Klägers zur Erreichung des angestrebten Bildungszieles sind nach den Feststellungen des LSG ebenfalls nicht ersichtlich (§ 36 AFG).

Zu Unrecht ist das LSG jedoch davon ausgegangen, daß eine Förderung des Klägers nach §§ 41, 44, 45 AFG deshalb nicht in Betracht kommen könne, weil sie unter Berücksichtigung von Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes nicht zweckmäßig erscheine (§ 36 AFG). Das LSG ist dabei zutreffend von § 8 AFuU 1971 ausgegangen, wonach die Förderung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes dann zweckmäßig ist, wenn der Erwerbstätige seine berufliche Beweglichkeit sichern oder verbessern oder beruflich aufsteigen will und durch die Teilnahme an der Maßnahme arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Bedürfnissen besser entsprochen werden kann, als dies ohne eine berufliche Fortbildung möglich wäre. Nach der Rechtsprechung des Senats handelt es sich hier um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der einen Beurteilungsspielraum der Beklagten offen läßt und von dem sie im Rahmen des § 8 AFuU 1971 Gebrauch gemacht hat (BSGE 38, 138, 143; BSG SozR 4100 § 36 Nrn 7, 14). Das LSG hat jedoch den Inhalt der von der Beklagten getroffenen Regelung verkannt. Aus seinen Feststellungen ergibt sich, daß die vom Kläger zur Förderung beantragte Bildungsmaßnahme ihm zusätzliche betriebswirtschaftliche Kenntnisse verschafft hätte. Das LSG hat diese Kenntnisse als nützlich für den Beruf des Klägers als Steuerberater bzw Steuerbevollmächtigten festgestellt, wenn es auch gemeint hat, sie seien "im wesentlichen" nicht geeignet, den Kläger in seinem Beruf beweglicher zu machen oder sie seien "kaum" geeignet, ihn krisenfester zu machen, da die hierbei erworbenen Grundkenntnisse in dem Beruf des Steuerbevollmächtigten nur zum Teil verwertbar seien, das Studium der Betriebswirtschaft im übrigen unter anderem Sachgebiete betreffe, die der Ausbildung des Steuerbevollmächtigten ähnlich seien, sich zum Teil damit deckten.

Auf der Grundlage dieser Feststellungen durfte das LSG die Zweckmäßigkeit der Förderung nach § 36 AFG, § 8 AFuU 1971 nicht verneinen.

Einmal ergibt sich daraus, daß sich die Kenntnisse, die der Kläger als ausgebildeter Steuerbevollmächtigter besitzt, nicht völlig mit denen decken, die er mit der Ausbildung zum staatlich geprüften Betriebswirt zu erwerben suchte. Auch wenn es diese Kenntnisse als kaum oder nur unwesentlich geeignet achtete, den Kläger in seinem Beruf beweglicher und krisenfester zu machen, konnte es diese Wirkungen jedenfalls nicht als völlig ausgeschlossen feststellen. Das reicht aber für die Bejahung der Zweckmäßigkeit der Förderung einer beruflichen Fortbildung im Sinne von § 36 AFG, § 8 AFuU 1971 aus. Die Förderung einer Fortbildungsmaßnahme ist nach der Rechtsprechung des Senats, an der er festhält, nicht nur dann zweckmäßig, wenn sie notwendige Kenntnisse für den angestrebten Beruf vermittelt. Es genügt vielmehr, wenn die zusätzlichen Kenntnisse für den Beruf nur nützlich sind (BSG vom 21. Juli 1977 - 7 RAr 42/76 - mit weiteren Nachweisen). Dies hat das LSG aber selbst festgestellt. Aus diesem Grunde hat der Senat die Fortbildung eines Steuerbevollmächtigten zum diplomierten Betriebswirt schon in einer früheren Entscheidung für arbeitsmarktpolitisch zweckmäßig gehalten (vgl. BSG vom 21. Juni 1977 - 7 RAr 4/76 -). Das entspricht im übrigen der ständigen Rechtsprechung des Senats, wonach von der Zweckmäßigkeit der Förderung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes gemäß § 36 AFG grundsätzlich auszugehen ist, wenn eine Maßnahme der beruflichen Fortbildung vorliegt, weil die in § 41 AFG beschriebene Zielrichtung - Festigung oder Verbesserung der beruflichen Beweglichkeit im gleichen Berufsbereich - auch in Bezug auf Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes nicht unzweckmäßig sein kann (vgl BSG vom 11. Mai 1976 - 7 RAr 127/74 -, vom 21. Juni 1977 - 7/12/7 RAr 109/75 und 7 RAr 37/76 - sowie vom 22. Juni 1977 - 7/12/7 RAr 111/75 -).

Wenn das LSG die Zweckmäßigkeit der Förderung als arbeitsmarktpolitisch nicht erforderlich angesehen hat, weil der Umfang der Förderung "unangemessen", "übersetzt" sei, so hat es verkannt, daß diese Frage kein Kriterium der Zweckmäßigkeit einer Förderung nach § 36 AFG ist. Das Gesetz enthält in qualitativer Hinsicht weder eine Beschränkung der beruflichen Bildung nach oben noch schreibt es "Mindestqualifikationen" vor, vom Ausschluß bestimmter Personengruppen oder Maßnahmearten abgesehen (vgl § 36 Abs 2 Satz 2 und Abs 4 in der Fassung des Haushaltsstrukturgesetzes-AFG). Das liegt daran, daß für die berufliche Bildung nach dem AFG das individuelle Wohl des zu Fördernden und nicht die Ausgeglichenheit des Arbeitsmarktes im Vordergrund steht, wie der Senat ebenfalls schon mit näherer Begründung entschieden hat (BSG vom 21. Juni 1977 - 7/12/7 RAr 109/75 -).

Zu Unrecht beruft sich die Beklagte für ihre abweichende Auffassung auf die Entscheidung des Senats vom 22. September 1976 - 7 RAr 20/75 -. Der Senat hat in dieser Entscheidung die Förderung der beruflichen Fortbildung eines Seefunkers 2. Klasse zum Seefunker 1. Klasse ua davon abhängig gemacht, daß Arbeitgeber in nennenswertem Umfange Seefunker 1. Klasse auch für Arbeitsplätze suchten, für die nur das Zeugnis 2. Klasse vorgeschrieben ist, und zwar deshalb, weil der Bedarf auf dem Arbeitsmarkt für Stellen, die nur mit Seefunkern 1. Klasse besetzt werden dürfen, durch ein Überangebot an entsprechend vorgebildeten Arbeitsuchenden gekennzeichnet war. Nur für diesen Fall, daß nämlich eine bestimmte hohe berufliche Qualifikation benötigt wird, um einen Arbeitsplatz zu erhalten, für den an sich eine niedrigere Qualifikation vorgeschrieben ist und ausreicht, die höhere Qualifikation jedoch von den entsprechenden Arbeitgebern bevorzugt oder gar verlangt wird, ist die oa Fortbildung Tatbestandsmerkmal der Zweckmäßigkeit im Sinne von § 36 AFG. Hinzu kommt, daß der Kläger dieses Verfahrens seine berufliche Tätigkeit - anders als dort - weder ihrem Umfang noch ihrer Qualität nach wechseln will.

Derjenige, der sich bereits in einem bestimmten Beruf befindet, hat aber andere und stärkere Gründe, sich in seinem Beruf fortzubilden, insbesondere, wenn dieser übersetzt ist, als derjenige, der erst durch Aufstieg (Fortbildung) in einen Berufsbereich gelangen will (vgl BSG vom 21. Juni 1977 - 7/12/7 RAr 109/75 und 7 RAr 37/76 -).

Zutreffend hat das LSG entschieden, daß der Kläger nicht deshalb von einer Leistungsförderung ausgeschlossen ist, weil er im Ausland wohnt. Der Kläger ist Deutscher und beabsichtigt die berufliche Fortbildung zur Verbesserung seiner beruflichen Beweglichkeit im Rahmen einer Tätigkeit, die er im Bundesgebiet ausübt. In solchen Fällen ist weder vom Gesetz noch von der AFuU 1971 ein Ausschluß der Förderung vorgesehen.

Gleichwohl kann dem Antrag des Klägers auf Verurteilung der Beklagten im Revisionsverfahren nicht stattgegeben werden. Den Feststellungen des LSG ist nicht zu entnehmen, ob der Kläger an dem von ihm zur Förderung beantragten Lehrgang überhaupt teilgenommen hat. Nach der protokollierten Erklärung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem SG erscheint dies sogar zweifelhaft. Das könnte bedeuten, daß der Antrag des Klägers, wie er ihn nunmehr stellt und wie er ihn auch schon vor dem LSG gestellt hat, lediglich darauf gerichtet ist, die Teilnahme an irgendeinem Lehrgang zum Erwerb der Befähigung eines staatlich geprüften Betriebswirts zu erhalten. Mit einem solchen unbestimmten Begehren könnte der Kläger nicht durchdringen. Für die Entscheidung darüber, ob die Teilnahme des Klägers an einem solchen Lehrgang gefördert werden kann, ist nämlich nicht nur die Prüfung der konkreten Maßnahme daraufhin erforderlich, ob sie die objektiven Zugangsvoraussetzungen besitzt, sondern auch, wann diese Maßnahme stattgefunden hat oder von wann ab der Kläger in Zukunft an einem konkret bezeichneten Lehrgang teilnehmen will.

Der Begriff der Fortbildungsmaßnahme und das Erfordernis der objektiven Zugangsvoraussetzungen sind seit Inkrafttreten des AFG unverändert geblieben. Die übrigen Voraussetzungen haben sich jedoch, insbesondere durch das Haushaltsstrukturgesetz-AFG, das am 1. Januar 1976 in Kraft getreten ist, nicht unwesentlich geändert. Ob das Begehren des Klägers sich auf die Förderung einer bereits durchgeführten Teilnahme an einer Maßnahme bezieht oder ob der Kläger erst in Zukunft an einer solchen Maßnahme teilnehmen will, kann daher für die Frage bedeutsam sein, welches Recht der Entscheidung zugrundezulegen ist (vgl BSG vom 21. Juli 1977 - 7 RAr 42/76 -).

Das LSG wird daher insoweit nicht nur den Sachverhalt zu klären haben, sondern auch auf einen klaren Antrag hinwirken müssen.

Das LSG wird bei seiner neuen Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1653150

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