Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewährleistungspflicht der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV). Auslegung des § 24 ZÄBMV

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Krankenkasse kann von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Erstattung der Gesamtvergütung beanspruchen, soweit sie diese für Einzelleistungen gezahlt hat, die tatsächlich nicht erbracht worden sind.

2. Zur Frage, ob der Geltendmachung dieses Erstattungsanspruchs ein Verfahren der Kassenzahnärztlichen Vereinigung gegen den Kassenzahnarzt vorausgehen muß.

 

Orientierungssatz

1. Gegenüber dem Vertrauensschutz der KZÄV kommt ihrer Gewährleistungspflicht für die sorgfältige und wahrheitsgemäße Abrechnung der Leistungen das größere Gewicht zu, sie schließt grundsätzlich die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung aus.

2. Gegenüber den Krankenkassen hat die KZÄV deshalb bei der Zahlung der Gesamtvergütung nicht nur die Stellung des Empfängers einer Vermögensverschiebung. Ihre darüber hinausgehende Gewährleistungspflicht steht dem Schutz ihres Vertrauens entgegen, denn sie kann nicht Vertrauensschutz für einen Rechtsgrund begehren, den sie gerade selbst gewährleisten soll.

3. Die Berichtigung der Abrechnung und die Entscheidung über die Rückforderung des Honorars greifen nicht in das Rechtsverhältnis zwischen der Krankenkasse und der KZÄV ein. An dem Verfahren zwischen KZÄV und Kassenzahnarzt ist die Krankenkasse deshalb nicht notwendig beteiligt.

4. § 24 ZÄBMV ist dahin auszulegen, daß die Prüfungseinrichtungen auch den Schaden der Krankenkassen aus einer unwirtschaftlichen Behandlungsweise festzustellen haben.

5. Weder bei der Gesamtvergütung noch bei den Honoraren an den Kassenzahnarzt handelt es sich um "Sozialleistungen" iS der §§ 102 ff SGB 10.

 

Normenkette

RVO § 368f Abs 1; BMV-Z § 24; SGB 10 § § 102ff, § 102

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 23.10.1985; Aktenzeichen L 11 Ka 61/85)

SG Münster (Entscheidung vom 02.04.1985; Aktenzeichen S 12 (6) Ka 26/81)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Erstattung von gezahlter Gesamtvergütung, mit dem die Beklagte aufgerechnet hat, weil der Beigeladene zu 2) Honorar für nicht erbrachte Leistungen abgerechnet habe.

Der Beigeladene zu 2) war als Kassenzahnarzt niedergelassen und Mitglied der Klägerin. In den Quartalen I/1974 bis I/1978 rechnete er Material- und Laborkosten für kieferorthopädische Behandlungen auf Rechnungsformularen mit dem Kopf des Zahntechnikermeisters W. ab. Die Formulare waren aber vom Beigeladenen zu 2) selbst ausgestellt und gegenüber den wirklichen Rechnungen des Zahntechnikermeisters W. um insgesamt 96.085,64 DM überhöht. Mit Schreiben vom 24. März 1980 an die Klägerin beanstandete die Beklagte die Rechnungen. Die Klägerin berichtigte die Honorarabrechnungen des Beigeladenen zu 2) entsprechend und forderte Erstattung von 96.085,64 DM (Bescheid vom 4. Juni 1980). Die dagegen gerichtete Klage wies das Sozialgericht (SG) Münster ab (rechtskräftiges Urteil vom 10. April 1984). Zu dem Verfahren war die Beklagte beigeladen. Der Beigeladene zu 2) ist inzwischen verzogen und unbekannten Aufenthalts. Verwertbares Vermögen ist in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr vorhanden. Nunmehr verlangt die Beklagte von der Klägerin Erstattung der 96.085,64 DM.

Rückzahlung eines weiteren Betrages von 11.413,16 DM fordert die Beklagte wegen der Abrechnung nicht entstandener Material- und Laborkosten für kieferorthopädische Behandlungen in den Quartalen II/1978 bis IV/1979. In dieser Zeit war der Beigeladene zu 2) in W. niedergelassen und Mitglied der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) Hessen. Der RVO-Prüfungsausschuß III bei dieser KZÄV stellte einen sonstigen Schaden der Beklagten in Höhe von 11.413,16 DM fest. Indessen hob der Beschwerdeausschuß den Beschluß wegen fehlender Zuständigkeit der Prüfungsgremien auf und gab das Verfahren an die Verwaltung der KZÄV Hessen ab, wo es noch anhängig ist. Die Beklagte verrechnete ihre Forderung von (96.085,64 DM + 11.413,16 DM =) 107.498,80 DM gegen Forderungen der Klägerin für kieferorthopädische Leistungen für das Quartal IV/1979.

Schließlich machte die Beklagte gegenüber der Klägerin einen Erstattungsanspruch von weiteren 393.633,57 DM geltend. Diese Forderung stützt sie darauf, daß der Beigeladene zu 2) bei den Abrechnungen für konservierende chirurgische kassenzahnärztliche Leistungen und nicht nur bei den Rechnungen des Zahntechnikermeisters W. nachweisbar Manipulationen vorgenommen habe. Die Höhe der Forderung ergibt sich aus einer Kürzung der abgerechneten Fallwerte des Beigeladenen zu 2) für konservierend-chirurgische kassenzahnärztliche Leistungen in den Quartalen I/1972 bis I/1980 auf die durchschnittlichen Fallwerte aller Kassenzahnärzte im Bereich der Klägerin. Von der Gesamtforderung (393.633,57 DM) hat die Beklagte als Teilbetrag 50.000,-- DM gegen die Gesamtvergütung für das Quartal I/1981 aufgerechnet.

Das SG hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 157.498,80 DM (96.085,64 + 11.413,16 + 50.000,-- DM) zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung der der Klägerin zustehenden Ansprüche gegen den Beigeladenen zu 2), höchstens jedoch bis zur Höhe der Klageforderung. Dieses Urteil hat das Landessozialgericht (LSG) insoweit abgeändert, als es den von der Beklagten zu zahlenden Betrag auf 61.413,16 DM bestimmt und die Klage im übrigen abgewiesen hat. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Gesamtvergütung für das Quartal IV/1979 sei in Höhe von 96.085,64 DM durch Aufrechnung erloschen. Der Anspruch der Beklagten stehe aufgrund der Rechtskraft des Urteils des SG Münster vom 10. April 1984 zwischen der Beklagten und der Klägerin fest und richte sich auf Rückzahlung des Teils der Gesamtvergütung, den die Beklagte der Klägerin für die vermeintlichen kieferorthopädischen Leistungen des Beigeladenen zu 2) zu Unrecht gezahlt habe. Der Erfüllung des Erstattungsanspruchs könne die Klägerin nicht durch Abtretung ihres Rückzahlungsanspruchs gegen den Beigeladenen zu 2) begegnen; insbesondere komme § 24 des Bundesmantelvertrages-Zahnärzte (BMV-Z) nicht zur Anwendung, denn für die Entscheidung über die Rückforderung wegen des Vorwurfs der Abrechnung nicht erbrachter Leistungen seien die Prüfungsinstanzen nicht zuständig. Zu Recht habe sich vielmehr die Klägerin für zuständig gehalten. In den Kompetenzbereich der Klägerin gehöre nicht nur die Feststellung des Fehlverhaltens eines Kassenzahnarztes, sondern grundsätzlich auch das Risiko der Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs, denn sie hafte aufgrund ihrer Gewährleistungspflicht den Kassen für die Folgen einer nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden kassenzahnärztlichen Versorgung. Die Berufung der Beklagten sei dagegen unbegründet, soweit sie zur Zahlung von 61.413,16 DM verurteilt worden sei. Der Beklagten stehe wegen der unrechtmäßigen Abrechnung des Beigeladenen zu 2) für konservierend-chirurgische Leistungen in den Jahren von 1972 bis 1980 keine aufrechenbare Gegenforderung in Höhe von 50.000,-- DM zu. Die Beklagte bringe vor, das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren sei insoweit wegen Vorliegens der Voraussetzungen des § 20 des Strafgesetzbuches (StGB) eingestellt worden; es sei deshalb davon auszugehen, daß der Beigeladene zu 2) zu einer ordnungsgemäßen Abrechnung nicht in der Lage gewesen sei. Dieses Vorbringen sei unschlüssig. Mit einem Ersatzanspruch wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise könne die Beklagte nicht aufrechnen. Die Prüfgremien hätten über alle Prüfanträge der Beklagten bestandskräftig entschieden; die Überprüfung der Behandlungsweise in den Quartalen vor III/1973 sei nach § 3 Abs 2 der Verfahrensordnung gemäß § 22 Abs 6 BMV-Z (Anlage 4) ausgeschlossen. Die Klägerin müsse der Beklagten lediglich den mit Beschluß des RVO-Prüfungsbeschwerdeausschusses vom 29. April 1981 festgestellten Schadensersatzanspruch über 21.505,85 DM abtreten. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch der Krankenkassen wegen nicht erbrachter Leistungen eines Kassenzahnarztes sei, daß ein solcher Tatbestand und die Rechtsfolge eines Schadens- oder Erstattungsanspruchs in der konkreten Höhe zuvor von den zuständigen Gremien in dem dafür festgelegten Verfahren festgestellt worden sei. Den Anspruch in Höhe von 11.413,16 DM hätte die Beklagte in dem abgeschlossenen Verfahren geltend machen müssen.

Die Klägerin, die Beklagte und der Beigeladene zu 1) haben Revision eingelegt.

Die Klägerin beantragt, unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Essen vom 23. Oktober 1985 - L 11 Ka 61/85 - die Beklagte zur Zahlung von weiteren 96.085,64 DM zu verurteilen sowie die Revisionen der Beklagten und des Beigeladenen zu 1) zurückzuweisen.

Die Beklagte und der Beigeladene zu 1) beantragen, unter klagabweisender Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Münster vom 2. April 1985 das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Oktober 1985 - L 11 Ka 61/85 - insoweit aufzuheben, als die Beklagte zur Zahlung von 61.413,16 DM verurteilt worden ist.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Zutreffend hat das LSG die Leistungsklage in Höhe von 96.085,64 DM abgewiesen.

Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Gesamtvergütung für das Quartal IV/1979 ist in dieser Höhe durch Aufrechnung erloschen. Im öffentlichen Recht ist die Aufrechnung unter den Voraussetzungen der Gegenseitigkeit, Gleichartigkeit und Fälligkeit der beiderseitigen Forderungen (vgl § 387 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-) jedenfalls dann zulässig, wenn sich, wie hier, zwei öffentlich-rechtliche Körperschaften gleichgeordnet gegenüberstehen und beide Forderungen dem öffentlichen Recht angehören (BSGE 31, 24, 29). § 51 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I), der die Aufrechnung des Leistungsträgers gegen Ansprüche auf Geldleistungen regelt, kommt nicht zur Anwendung, da er nur Geldleistungen iS des § 11 SGB I (Sozialleistungen) betrifft.

Der Beklagten steht ein fälliger Anspruch auf Zahlung von 96.085,64 DM gegen die Klägerin zu. Nach den Feststellungen des LSG verrechnete die Beklagte die Forderung auf Zahlung der Gesamtvergütung für das Quartal I/1979 mit einem Erstattungsanspruch wegen unrechtmäßiger Abrechnungen in den Quartalen I/1974 bis I/1978. Dabei handelt es sich um einen Anspruch auf Erstattung der in diesen Quartalen gezahlten Gesamtvergütung in der streitigen Höhe. Der nach Rechtsprechung und Rechtslehre aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Erstattungsanspruch gebietet es, daß Leistungen, die eines rechtlichen Grundes entbehren, zurückzuerstatten sind. Im einzelnen ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in allen Fällen anzuerkennen, in denen im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind (BSGE 38, 46, 47 mwN; 45, 221, 222; 45, 296, 300; 47, 109, 110). Der Anspruch kann einem Träger öffentlicher Verwaltung gegenüber einem anderen Träger zustehen (vgl BSGE 45, 221, 222; 47, 109, 110). Für den Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin gelten nicht die Vorschriften der §§ 102 ff SGB - Verwaltungsverfahren - (SGB X). Es handelt sich weder bei der Gesamtvergütung noch bei den Honoraren an den Kassenzahnarzt um "Sozialleistungen" iS der §§ 102 ff SGB X. Auch im übrigen sind diese Vorschriften nicht einschlägig, denn es handelt sich nicht um Fälle von vorläufigen Leistungen oder eines nachträglichen Entfallens des Anspruchs; auch hat die Beklagte nicht als nachrangig Verpflichteter oder unzuständiger Träger Leistungen erbracht.

Die Beklagte hat die Gesamtvergütung an die Klägerin in den Quartalen I/1974 bis I/1978 teilweise, nämlich in Höhe von 96.085,64 DM ohne Rechtsgrund gezahlt. Für ihre Zahlungen in dieser Höhe waren Rechtsgrund entsprechend abgerechnete Leistungen des Beigeladenen zu 2). Die Krankenkasse entrichtet die Gesamtvergütung nach Maßgabe des Gesamtvertrages für die gesamte kassenzahnärztliche Versorgung mit befreiender Wirkung (§ 368f Abs 1 Reichsversicherungsordnung -RVO-). In dem zwischen der Klägerin und der Beklagten geltenden Bezirksvertrag für Kassenzahnärzte vom 16. November 1959 ist eine Gesamtvergütung nach Einzelleistungen (§ 368g Abs 3 RVO idF des Gesetzes über Kassenarztrecht vom 17. August 1955 -BGBl I 513-) vereinbart worden. Die Gesamtvergütung wird nach der Summe der im Kalendervierteljahr für die Krankenkassen berechneten und nachgewiesenen Leistungen bestimmt, die Leistungen werden nach der neuen kassenzahnärztlichen Gebührenordnung bemessen (§ 14 des Vertrages). Anstelle der neuen kassenzahnärztlichen Gebührenordnung war später der Bewertungsmaßstab für die kassenzahnärztlichen Leistungen (Bema) zugrunde zu legen (vgl Regelungen zum Kassenzahnarztrecht in Westfalen-Lippe vom 30. Juni 1976 idF vom 28. Juli 1977). Die Gesamtvergütung wurde jedenfalls stets nach Einzelleistungen berechnet; diese waren ihr Rechtsgrund.

An dem Rechtsgrund für die Zahlungen der Beklagten hat es in Höhe von 96.085,64 DM gefehlt. Der Beigeladene zu 2) hat die entsprechenden abgerechneten Leistungen nicht erbracht. Dies ergibt sich aus den Feststellungen des LSG und ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die Klägerin hat deshalb die Abrechnungen des Beigeladenen zu 2) berichtigt und mit dem bindend gewordenen Bescheid vom 4. Juni 1980 einen Erstattungsanspruch geltend gemacht. Es ist keinerlei Anhaltspunkt dafür zu erkennen und auch von keiner Seite geltend gemacht, daß sie etwa von falschen Annahmen ausgegangen sein könnte und die Leistungen doch erbracht worden sind. Entgegen der Meinung des LSG ergibt sich das Fehlen des rechtlichen Grundes in Höhe von 96.085,64 DM dagegen nicht aus der Rechtskraft des Urteils des SG Münster vom 10. April 1984. Das SG hat damit die Klage gegen den Bescheid vom 4. Juni 1980 abgewiesen. Somit steht zwischen den Beteiligten des Verfahrens vor dem SG fest, daß die Klägerin einen Erstattungsanspruch in Höhe von 96.085,64 DM gegen den Beigeladenen zu 2) hat. Zu Unrecht folgert aber das LSG, daß sich daraus auch eine Bindungswirkung für das Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und der Klägerin auf Rückzahlung der Gesamtvergütung ergibt. Die Rechtsverhältnisse der KZÄV zu den Kassenzahnärzten und zu den Krankenkassen sind streng zu trennen (BSGE 31, 23, 28). Mit der Entscheidung über die Erstattung des dem Zahnarzt gezahlten Honorars hat die Klägerin nicht in das Rechtsverhältnis zwischen ihr und der Beklagten eingegriffen (vgl zur Wirkung von Entscheidungen der Prüfungsinstanzen Urteil des Senats vom 15. April 1986 - 6 RKa 27/84 - mwN). Für dieses Rechtsverhältnis ist das Bestehen eines Erstattungsanspruchs der KZÄV gegen den Kassenzahnarzt unerheblich. Die Beklagte als Beigeladene im Verfahren vor dem SG Münster kann sich zwar darauf berufen, daß der Erstattungsanspruch der Klägerin gegen den Beigeladenen zu 2) bindend geregelt ist. Indessen ist mit der Rechtskraft des Urteils nicht ihr Erstattungsanspruch gegen die Klägerin oder eine Voraussetzung dieses Anspruchs geregelt. Der Anspruch der Beklagten auf Erstattung der Gesamtvergütung ist vielmehr deshalb gegeben, weil der Beigeladene zu 2) abgerechnete Leistungen nicht erbracht hat.

Die vertraglichen Regelungen zwischen der Klägerin und der Beklagten enthalten keine Bedingungen für die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen. Insbesondere ist diese nicht an irgendwelche Fristen gebunden.

Der Erstattungsanspruch der Beklagten ist ferner nicht dadurch ausgeschlossen oder beeinträchtigt, daß die Klägerin ihren Erstattungsanspruch gegen den Beigeladenen zu 2) nicht mehr realisieren kann. Im vorliegenden Fall ist nicht darüber zu entscheiden, ob es der öffentlichen Hand wegen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung grundsätzlich versagt ist, sich auf die Entreicherung zu berufen (vgl BVerwGE 71, 85, 89) und inwieweit dies auch für den Erstattungsanspruch eines Trägers öffentlicher Verwaltung gegen einen anderen gilt. Der Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin ist jedenfalls nicht auf Erstattung des noch Vorhandenen beschränkt. Mit einer solchen Beschränkung wird das Vertrauen des Bereicherten geschützt (BVerwGE 36, 108, 113). Gegenüber dem Vertrauensschutz der KZÄV kommt aber ihrer Gewährleistungspflicht das größere Gewicht zu, sie schließt grundsätzlich die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung aus. Das LSG hat die Risikoverteilung zwischen KZÄV und Krankenkassen aufgrund der Gewährleistungspflicht im einzelnen zutreffend dargelegt. Ob die KZÄV den Krankenkassen aus dieser Pflicht für die Folgen aller Fehler haftet, die aus der Verletzung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen der Kassenzahnärzte gegenüber der KZÄV entstehen (vgl Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand Juli 1986 § 368n Anm 2 b = S 17/1797), kann dahingestellt bleiben. Es mag sein, daß die KZÄV nur für solche Fehler haftet, die sie selbst zu vertreten hat (Heinemann/Liebold, Kassenarztrecht 5. Aufl Band 1 RdNr C 704). Die Haftung für Fehler ist indessen zu unterscheiden vom Bestehen der Gewährleistungspflicht. Auf diese kommt es hier allein an. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin bei ordnungsgemäßer Erfüllung ihrer Gewährleistungspflicht die Überzahlungen an den Beigeladenen zu 2) hätte vermeiden oder rechtzeitig zurückfordern können. Auch wenn ihr keine Fehler vorzuwerfen sind, kann ihr doch nicht das Recht zugestanden werden, sich gegenüber der Krankenkasse auf den Wegfall der Bereicherung zu berufen. Die KZÄV übernimmt den Kassen gegenüber die Gewähr dafür, daß die kassenzahnärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht (§ 368n Abs 1 RVO). Zu den wesentlichen Erfordernissen der kassenzahnärztlichen Versorgung gehört auch die sorgfältige und wahrheitsgemäße Abrechnung der Leistungen. Die KZÄV hat sie zu gewährleisten. Gegenüber den Krankenkassen hat sie deshalb bei der Zahlung der Gesamtvergütung nicht nur die Stellung des Empfängers einer Vermögensverschiebung. Ihre darüber hinausgehende Gewährleistungspflicht steht dem Schutz ihres Vertrauens entgegen, denn sie kann nicht Vertrauensschutz für einen Rechtsgrund begehren, den sie gerade selbst gewährleisten soll.

Die Bestimmung des § 24 BMV-Z steht, wie das LSG ebenfalls zutreffend dargelegt hat, dem Erstattungsanspruch der Beklagten über 96.085,64 DM nicht entgegen. Die Aufrechnung durch die Beklagte kann die Klägerin nicht durch eine Abtretung ihres Erstattungsanspruchs gegen den Beigeladenen zu 2) ausschließen. In § 24 BMV-Z ist ein Schadensersatzanspruch der Krankenkasse gegen die KZÄV geregelt. Der Schaden muß dadurch entstanden sein, daß der Kassenzahnarzt (oder eine Person, für die er haftet) bei der Erfüllung der kassenzahnärztlichen Pflichten die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen hat; der Schaden muß durch die Prüfungseinrichtungen festgestellt worden sein. Im Fall des Vorwurfs der Abrechnung nicht erbrachter Leistungen sind die Prüfungseinrichtungen nicht zur Entscheidung berufen (BSG SozR 5540 § 34 BMV-Ä Nr 1). Vielmehr muß die KZÄV diese Prüfung selbst vornehmen, wie im vorliegenden Fall auch geschehen ist. Die Regelung des § 24 BMV-Z kann nicht über ihren Wortlaut hinaus auf Fälle der vorliegenden Art angewendet werden. Mit der Voraussetzung einer Feststellung durch die Prüfungsinstanzen wird an die Bestimmungen der §§ 20 ff BMV-Z angeknüpft, insbesondere an § 23 Abs 1 Satz 2. Den Prüfungsinstanzen sind darin bestimmte Aufgaben zugewiesen, die zur Wirtschaftlichkeitsprüfung gehören oder mindestens innerhalb des Rechtszwecks der Gewährleistung einer wirtschaftlichen Versorgung der Kranken liegen (BSG aaO). Dazu gehört nicht die Feststellung, daß Leistungen nicht erbracht sind. Die Vorschrift des § 24 BMV-Z ist eine spezielle Regelung für den Fall schuldhafter Pflichtverletzungen des Kassenzahnarztes in dem Bereich, in dem die Prüfungsinstanzen zuständig sind und soll einen Schadensersatzanspruch begründen. Deshalb kann nicht angenommen werden, daß sie für alle anderen Ansprüche, also auch gesetzliche oder aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen abgeleitete Ansprüche, ebenfalls gilt. Es hätte einer eindeutigen Regelung bedurft, wenn die Vertragspartner das gesamte Risiko einer nicht ordnungsgemäßen Sicherstellung der kassenzahnärztlichen Versorgung hätten den Krankenkassen auferlegen wollen, zumal dadurch die Gewährleistungspflicht der KZÄV'en völlig entleert worden wäre. Soweit die Prüfungseinrichtungen zuständig sind, erscheint eine Entlastung der KZÄV eher gerechtfertigt, weil sie in diesem Bereich mindestens für die Feststellung des Schadens nicht zuständig ist und allenfalls mittelbar und nicht im Einzelfall etwas zur Abwendung des Schadens tun kann.

Die Revisionen der Beklagten und des Beigeladenen zu 1) sind im Sinn der Zurückverweisung begründet. Die Beklagte hat auch insoweit die Aufrechnung erklärt, und zwar gegen die unstreitige Forderung der Klägerin auf Zahlung der Gesamtvergütung für die Quartale IV/1979 und I/1981. Aufgrund der Feststellungen des LSG kann der Senat aber nicht abschließend entscheiden, ob der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 61.413,16 DM zusteht. Die Beklagte hat diese Forderung darauf gestützt, daß der Beigeladene zu 2) Leistungen in dieser Vergütungshöhe abgerechnet aber tatsächlich nicht erbracht habe.

Entgegen der Meinung des LSG setzt der Anspruch der Beklagten auf Erstattung von Gesamtvergütung wegen zu Unrecht abgerechneter Leistungen nicht voraus, daß der Tatbestand und die Rechtsfolge eines Anspruchs zuvor in einem Verfahren der KZÄV gegen den Beigeladenen zu 2) festgestellt worden sind. Wie dargelegt, ist das Verfahren nach § 24 BMV-Z beim Erstattungsanspruch wegen der Vergütung nicht erbrachter Leistungen nicht anzuwenden. Zuständig für die Berichtigung von Honorarabrechnungen aus diesem Grund ist die KZÄV. Dem LSG mag darin zuzustimmen sein, daß es sich bei der Abrechnung nicht erbrachter Leistungen um sonstige Mängel iS des § 1 Abs 2 der Verfahrensordnung gemäß § 22 Abs 6 BMV-Z (Anlage 4) handelt und die KZÄV nach dieser Vorschrift solche Mängel auf Beanstandung von Krankenkassen abzustellen hat. Es mag ferner regelmäßig geboten sein, das Verfahren nach § 1 Abs 2 der Verfahrensordnung mit der Rückforderung des überzahlten Honorars vom Kassenzahnarzt vor der Entscheidung über den Erstattungsanspruch der Krankenkasse gegen die KZÄV durchzuführen. Da aber im vorliegenden Fall der beigeladene Kassenzahnarzt nicht mehr erreichbar ist, kann im Verfahren der KZÄV gegen ihn der Sachverhalt nicht besser aufgeklärt werden als im Verfahren zwischen der KZÄV und der Beklagten.

Die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs der Krankenkasse setzt nicht zwingend voraus, daß vorher ein Verfahren nach § 1 Abs 2 der Verfahrensordnung durchgeführt worden ist. Weder gesetzlich noch in den für die Beteiligten geltenden vertraglichen Vereinbarungen ist eine solche Verfahrensvoraussetzung geregelt. Die KZÄV kann sich nicht darauf berufen, daß die Feststellung, ob abgerechnete Leistungen tatsächlich erbracht worden sind oder nicht, ausschließlich im Verfahren nach § 1 Abs 2 der Verfahrensordnung zu treffen seien. Die Berichtigung der Abrechnung und die Entscheidung über die Rückforderung des Honorars greifen nicht in das Rechtsverhältnis zwischen der Krankenkasse und der KZÄV ein. An dem Verfahren zwischen KZÄV und Kassenzahnarzt ist die Krankenkasse deshalb nicht notwendig beteiligt. Wenn die Krankenkassen an dem Verfahren beteiligt werden, dann mag das rechtliche Interesse wegen ihrer Aufgabe der Mitwirkung an der Sicherstellung der kassenzahnärztlichen Versorgung (§ 368 Abs 1 RVO) gegeben sein. Auch eine durch die Beteiligung herbeigeführte Bindung der Krankenkasse an die Entscheidung würde aber nichts daran ändern, daß die Entscheidung inhaltlich nicht ihr Rechtsverhältnis zur KZÄV betrifft. Es besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, daß die Prüfung und Feststellung, ob Leistungen tatsächlich erbracht oder nicht erbracht worden sind, dem Verfahren nach § 1 Abs 2 der Verfahrensordnung vorbehalten seien - anderes gilt für das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung, wie darzustellen sein wird.

Die Beklagte hat einen Anspruch auf Erstattung der Gesamtvergütung, soweit sie für nicht erbrachte Leistungen gezahlt worden ist. Dazu hat sie vorgebracht, wegen der nachgewiesenen Manipulationen des Beigeladenen zu 2) sei dessen gesamte Abrechnung in Frage zu stellen, es sei jetzt seine Sache, seine Forderungen nachzuweisen; Zweifel an der Abrechnung bestünden auch deshalb, weil der Beigeladene zu 2) Karteikarten aus der Praxis mit nach Hause genommen habe, um dort Eintragungen vorzunehmen und weil er sich über Jahre hinweg im Zustand der Schuldunfähigkeit im Sinn des StGB befunden habe. Das LSG hat ausgeführt, die Schuldunfähigkeit habe nichts mit der Fähigkeit zur Erbringung kassenärztlicher Leistungen und mit der Wirksamkeit der Abrechnung zu tun. Indessen gilt auch für die reine Leistungsklage nach § 54 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Amtsermittlungspflicht. Das LSG hätte ermitteln müssen, ob und in welcher Höhe der Beigeladene zu 2) abgerechnete Leistungen nicht erbracht hat. Diesbezüglich hat das LSG aber keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Die Sache ist deshalb zu neuer Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Wenn das LSG aufgrund der neuen Verhandlung feststellt, daß die Abrechnungen des Beigeladenen zu 2) in nicht ganz geringem Umfang unrichtig waren, wird es darüber zu entscheiden haben, ob dadurch über die konkreten Feststellungen hinaus der Beweis für die Nichterbringung von Leistungen erleichtert wird; die Beweislast trägt nach den allgemeinen Grundsätzen zunächst die Beklagte. Das LSG wird sich je nach dem Ergebnis der Ermittlungen auch vor die Aufgabe gestellt sehen, aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob eine Schätzung des Umfangs der nichterbrachten Leistungen zulässig ist.

Gegenstand der erneuten Verhandlung vor dem LSG ist allerdings nicht nur, ob die abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht sind, sondern auch, ob die Behandlungsweise des Beigeladenen zu 2) unwirtschaftlich war und die Forderung der Beklagten aus diesem Grund gerechtfertigt ist. Indessen hat das LSG mit Recht entschieden, daß die Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Beigeladenen zu 2) nur insofern zu einer Einschränkung des Anspruchs der Klägerin führt, als der Beklagten Zug um Zug die Ansprüche gegen den Beigeladenen zu 2) abzutreten sind. Dies ergibt sich aus den Vorschriften über die Errichtung der Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse und ihr Verfahren sowie aus der Bestimmung des § 24 BMV-Z. Zur Überwachung der Wirtschaftlichkeit der kassenzahnärztlichen Versorgung im einzelnen haben die KZÄV'en Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse zu errichten. Nach § 368n Abs 4 iVm Abs 5 RVO idF des Gesetzes über Kassenarztrecht vom 17. August 1955 (BGBl I 513) - =Abs 5 und 6 idF des Kranken- versicherungs-Weiterentwicklungsgesetzes vom 28. Dezember 1976 (BGBl I 3871) - blieb im Fall der Abrechnung der Gesamtvergütung nach Einzelleistungen die Zusammensetzung der Ausschüsse und das Verfahren hinsichtlich des Nachweises und der Prüfung der einzelnen Leistungen der Ärzte einer Vereinbarung zwischen den Vertragspartnern vorbehalten. Schon dieser Regelung würde es entgegenstehen, wenn die Kassen die Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise außerhalb des geregelten Verfahrens geltend machen könnten. Die Prüfungsinstanzen erhielten dann durch § 368n Abs 5 RVO idF des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes vom 27. Juni 1977 (BGBl I 1069) völlige Selbständigkeit gegenüber der KZÄV. Damit war die Gewährleistung einer den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entsprechenden kassenzahnärztlichen Versorgung insoweit von der KZÄV auf die Prüfungsinstanzen verlagert worden. Sie kann die Kassen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf das Verfahren der Prüfungsinstanzen verweisen.

Nach beiden Fassungen des § 368n RVO ist § 24 BMV-Z dahin auszulegen, daß die Prüfungseinrichtungen auch den Schaden der Krankenkassen aus einer unwirtschaftlichen Behandlungsweise festzustellen haben. Dies ist der im BMV-Z geregelte Weg, auf dem die Kassen nach einer Kürzung wegen Unwirtschaftlichkeit zur entsprechenden Herabsetzung der nach Einzelleistungen berechneten Gesamtvergütung kommen. Mit Recht führt das LSG aus, daß damit eine abschließende Regelung getroffen worden ist. Die Krankenkassen können nicht auf anderem Weg zum Ziel kommen. Wenn aber das Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren abgeschlossen oder das Antragsrecht der Kassen verbraucht ist, kann die Krankenkasse die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit auch nicht mehr erzwingen, indem sie ihren Erstattungsanspruch auf die Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise stützt.

Die Revisionen der Beklagten und des Beigeladenen zu 1) führen aus diesem Grund zur Zurückverweisung der Sache an das LSG. Eine Kostenerstattung scheidet nach § 193 Abs 4 SGG aus, da der Beigeladene zu 2) im Revisionsverfahren nicht vertreten war.

 

Fundstellen

BSGE, 19

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