Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 06.08.1976)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 6. August 1976 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist die Höhe des Krankengeldes.

Der Kläger war 1972 bei einem Bauunternehmen als Betriebsleiter mit einem Monatsgehalt von 2.519,99 DM beschäftigt und bei der beklagten Ersatzkasse freiwillig in der Versicherungsklasse 320 versichert. Nach den Versicherungsbedingungen (VB) der Beklagten galt diese mit Anspruch auf Krankengeld ausgestattete Versicherungsklasse für Angestellte ohne Angehörige, die die Krankenversicherungspflichtgrenze überschritten. Am 24. November 1972 kündigte die Arbeitgeberin des Klägers sein Arbeitsverhältnis fristlos, weil wegen ihrer Zahlungsunfähigkeit sein Gehalt nicht mehr garantiert werden konnte. Daraufhin meldete sich der Kläger am 28. November 1972 arbeitslos und bezog von diesem Tage an täglich 39,60 DM Arbeitslosengeld (Alg). Die Beklagte stufte ihn deshalb ihren VB entsprechend in die für Bezieher von Alg geltende Versicherungsklasse „A” um. Durch zwei im Dezember 1972 und im Januar 1973 vom Kläger erstrittene und rechtskräftig gewordene arbeitsgerichtliche Versäumnisurteile wurde festgestellt, daß sein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung erst zum 31. März 1973 aufgelöst werde; seine Arbeitgeberin wurde verurteilt, ihm bis dahin Gehalt zu zahlen. Am 5. März 1973 wurde der Kläger arbeitsunfähig krank und bezog in der Folgezeit von der Beklagten ein tägliches Krankengeld in Höhe des ihm zuvor gezahlten Alg von 39,60 DM. Seit 1. Januar 1974 erhält er wegen Erwerbsunfähigkeit eine Rente aus der Angestelltenversicherung. Seinen Antrag vom 7. August 1973, das ihm gewährte Krankengeld unter Berücksichtigung der arbeitsgerichtlich festgestellten Fortdauer seines Arbeitsverhältnisses neu festzusetzen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16. Januar 1974 ab. Der Widersprach hatte keinen Erfolg. Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, „dem Kläger ab 5. März 1973 Krankengeld nach der Versicherungsklasse 320 für die gesetzlich vorgesehene Dauer zu gewähren”. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) dieses Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld nach der Versicherungsklasse 320. Seine freiwillige Mitgliedschaft in dieser Versicherungsklasse sei dadurch erloschen, daß er durch den Bezug des von ihm beantragten Alg ab 28. November 1972 zutreffend als versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten in der Versicherungsklasse „A” geführt worden sei. Nach den VB der Beklagten seien für die in dieser Klasse Versicherten die Vorschriften des Arbeitsforderungsgesetzes (AFG) maßgebend. Nach ihnen könne der Kläger in der Krankenversicherung der Arbeitslosen (KVdA) kein den Tagessatz des Alg überschreitendes Krankengeld beanspruchen.

Mit der – zugelassenen – Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Da aufgrund der arbeitsgerichtlichen Feststellung sein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis den 27. November 1972 überdauerte, habe auch nach diesem Zeitpunkt seine Versicherungsberechtigung weiterbestanden. Sein Versicherungsverhältnis in der Versicherungsklasse 320 sei deshalb weder nach der Reichsversicherungsordnung (RVO) noch nach den VB der Beklagten erloschen. Daraus folge, daß durch den Bezug des Alg die gesetzliche Versicherung nach § 155 AFG nicht eingetreten sei.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf ein höheres Krankengeld.

Nach den mit seiner Revision nicht angegriffenen und deshalb für den erkennenden Senat als Revisionsgericht bindenden (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–) Feststellungen des LSG war der Kläger während seines letzten Arbeitsverhältnisses nichtversicherungspflichtiges Mitglied der beklagten Ersatzkasse in der Versicherungsklasse 320 (siehe VB Stand 1.1.1972 Abschnitt G Gruppe N – Nichtversicherungspflichtige – Nr. 2 Abs. 1 Buchst a: Angestellte nach Überschreiten der Krankenversicherungspflichtgrenze, Versicherungsklasse ohne Angehörige mit Krankengeldanspruch) und hat vom 28. November 1972 an bis zu seiner Arbeitsunfähigkeit bedingenden Erkrankung Alg bezogen. Die Bezieher von Alg werden nach den VB der Beklagten als versicherungspflichtige Mitglieder geführt, und zwar in der Versicherungsklasse „A”. Für die Krankenversicherung der in dieser Versicherungsklasse versicherten Mitglieder gelten die Vorschriften des AFG. Die Leistungsgewährung regelt sieh nach den Bestimmungen des Abschnittes P. Die Beiträge werden von der Bundesanstalt für Arbeit gezahlt. Als Krankengeld wird jedoch einem derart versicherten Kassenmitglied vom ersten Tag seiner Arbeitsunfähigkeit an der Betrag des Alg gewährt, auf den das Mitglied zuletzt vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit Anspruch hatte (Abschnitt E Unterabschnitt „Sonderbestimmungen für arbeitslose Mitglieder” Nr. 3 Abs. 1, Nr. 4 Abs. 1, 2, 4. der VB).

Diese Bestimmungen der VB entsprechen den gesetzlichen Vorschriften. Nach ihnen ist derjenige, der Alg „bezieht”, für den Fall der Krankheit versichert (§ 155 Abs. 1 AFG). Es handelt sich hier mithin um ein krankenversicherungsrechtliches Pflichtversicherungsverhältnis, für das allein der tatsächliche Bezug von Alg maßgebend ist. Entgegen der Auffassung des Klägers besteht dieses Pflichtversicherungsverhältnis also stets dann, wenn und solange die Unterstützung „bezogen” wird, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Voraussetzungen für diesen Leistungsbezug vorgelegen haben. Der erkennende Senat hat schon in einem Urteil vom 13. Februar 1964 (BSGE 20, 145, 147) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes (RVA GE Nr. 4584 in AN 1933, 185) entschieden, die Mitgliedschaft in der KVdA werde selbst dann begründet, wenn die Unterstützung gezahlt worden sei, ohne daß – wie sieh später ergab – dem Arbeitslosen ein Anspruch darauf zustand. An dieser noch zu den entsprechenden Vorschriften des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG §§ 107, 108) ergangenen Rechtsprechung ist auch für die Zeit seit Inkrafttreten des AFG festzuhalten. Auch das hat der erkennende Senat bereits entschieden (Urteil vom 21. März 1978 – 3 RK 55/76). Er hat dabei darauf hingewiesen, daß diese Rechtsauffassung insbesondere durch § 155 Abs. 2 Satz 3 AFG gestützt wird, wonach das allein durch den Bezug von Alg (oder einer der anderen in § 155 Abs. 1 AFG genannten Leistungen – Arbeitslosenhilfe, Unterhaltsgeld –) begründete Pflichtversicherungsverhältnis nicht berührt wird, wenn die Entscheidung, die zu einem Leistungsbezug geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist.

Der Kläger war mithin vom 28. November 1972 an bis zu seiner Arbeitsunfähigkeit bedingenden Erkrankung Pflichtmitglied in der KVdA; denn er hat während dieser Zeit Alg bezogen. Dieses krankenversicherungsrechtliche Pflichtversicherungsverhältnis wurde durch die spätere arbeitsgerichtliche Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung vom 24. November 1972 nicht fristlos, also nicht schon an diesem Tage, sondern erst zum 31. März 1973 aufgelöst werde, nicht berührt; denn es war ausschließlich von dem tatsächlichen Bezug des Alg abhängig, wurde allein durch diesen Unterstützungsbezug begründet und bestand während der gesamten Bezugszeit fort.

Aus diesem Pflichtversicherungsverhältnis hatte der Kläger vom 5. März 1973, dem Tag seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit an lediglich Anspruch auf Krankengeld in Höhe des ihm zuletzt gezahlten Alg von täglich 39,60 DM; denn nach § 158 Abs. 1 AFG und den mit dieser Vorschrift übereinstimmenden VB der Beklagten ist aus der KVdA als Krankengeld vom ersten Tage der Arbeitsunfähigkeit an der Betrag des Alg zu gewähren, auf den der Versicherte zuletzt vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit Anspruch hatte. Krankengeld in dieser Höhe hat der Kläger von der Beklagten auch erhalten. Das steht aufgrund der den erkennenden Senat bindenden tatsächlichen Pest Stellungen des LSG fest und ist unter den Beteiligten auch nicht streitig.

Die vom Kläger mit seiner Revision vertretene Auffassung, sein ursprüngliches Versicherungsverhältnis in der Versicherungsklasse 320 habe auch nach dem 27. November 1972 deshalb fortbestanden, weil aufgrund der arbeitsgerichtlichen Feststellung sein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis diesen Zeitpunkt überdauert und damit auch seine Versicherungsberechtigung weiterbestanden habe, übersieht, daß es sich bei diesem Versicherungsverhältnis lediglich um ein freiwilliges, also nichtversicherungspflichtiges Versicherungsverhältnis gehandelt hat. Dieses Versicherungsverhältnis ist mit der aufgrund seines Alg-Bezuges erfolgten Umstufung des Klägers in die nach den VB der Beklagten für Bezieher dieser Unterstützungsart geltende, das Pflichtversicherungsverhältnis in der KVdA betreffende Versicherungsklasse „A” erloschen; denn der Kläger behauptet selbst nicht, in der Zeit nach dem 24. November 1972 in irgendeiner Weise, etwa durch Weiterentrichtung seiner bisherigen Beiträge, von seiner auch über diesen Zeitpunkt hinaus bestehenden Versicherungsberechtigung Gebrauch gemacht und damit für die weitere Aufrechterhaltung dieses lediglich freiwilligen Versicherungsverhältnisses gesorgt zu haben. Ein Anspruch auf Krankengeld konnte ihm deshalb aus diesem zur Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit bedingenden Erkrankung nicht mehr bestehenden freiwilligen Versicherungsverhältnis auch nicht erwachsen.

Nach alledem stand dem Kläger nur das ihm von der Beklagten gewährte Krankengeld zu. Das LSG hat deshalb seine Klage zu Hecht abgewiesen, so daß seiner Revision der Erfolg versagt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI926385

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